Städtebund-Ludwig zum ÖREK 2030: „Stadt nicht gegen Land ausspielen“

Wien (OTS/RK) – „Der Österreichische Städtebund begrüßt den Umsetzungspakt „Bodenstrategie für Österreich” als ersten wichtigen Schritt”, sagte heute Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, Präsident des Österreichischen Städtebundes anlässlich der Präsentation des neuen Österreichischen Raumentwicklungskonzepts ÖREK 2030. “In der Umsetzung muss es aber darum gehen, Städte und Stadtregionen bzw regionale Zentren aktiv einzubinden”, so Ludwig, “denn leider fehlte der Mut, die Bedeutung der Städte für die gesamte Region entsprechend zu priorisieren.”

Städtische Strukturen sind bei der Bewältigung der Klimakrise vorbildlich, etwa beim Thema Bodenschutz: Städte weisen pro Kopf einen deutlich geringeren Verbrauch an Bau- und Verkehrsflächen und deutlich geringere Versiegelung als ländliche und suburbane Regionen auf. Kompakte Siedlungsstrukturen sorgen für einen schonenden Umgang mit der Ressource Boden:

In Österreich wurden im Jahr 2019 rund 13 Hektar Boden pro Tag neu beansprucht. Der Anteil Wiens daran war mit ca. 3,6 Hektar gering, obwohl mehr als 40 Prozent des Bevölkerungswachstums der letzten 15 Jahre in Wien erfolgt ist. Dabei wachsen ausgerechnet Stadtregionen am stärksten: Bereits heute leben zwei Drittel der Bevölkerung in Ballungszentren und der Zuzug ist ungebrochen.

Zuzug in die großen Stadtregionen ungebremst

Gemäß der ÖROK-Regionalprognose 2018 bis 2040 wird die Bevölkerung entlang der urban geprägten Ost-West-Achse sowie in den Ballungsräumen im Süden weiter wachsen. Mit über 15 Prozent wird das stärkste Wachstum für Wien, dessen nördliches und östliches Umland sowie für Wr. Neustadt, Eisenstadt und Graz prognostiziert. Das bedeutet beispielsweise für Graz (284.000 EW), dass es bis 2040 um die Gesamtbevölkerung von Wr. Neustadt (rd. 40.200 EW) anwachsen wird. Angesichts eines solchen Wachstums heißt es sich bewusst zu machen, dass urbane Wohnformen wie Mehrgeschoßwohnbauten wenigstens nur ein Zehntel der Fläche gegenüber klassischen Einfamilienhaussiedlungen beanspruchen werden. Pro Neubauwohnung verbaut Wien mit Abstand am wenigsten Boden, nämlich 26m² gegenüber dem Burgenland mit 126m² und NÖ mit 108m².

Nur mit einer kompakten Siedlungsstruktur und einer guten Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln & alternativen Mobilitätsarten kann daher weiteres Wachstum überhaupt bodensparend und klimaschonend bewältigt werden. Der Treibhausgasausstoß pro Kopf aber auch pro Wirtschaftsleistung ist ebenfalls in Wien bei weitem am geringsten.

Der Österreichische Städtebund hat diese Zusammenhänge in den letzten Jahren vielfach aufgezeigt, z.B. im Rahmen des Österreichischen Stadtregionstages, der mit dem ÖREK 2011 ins Leben gerufen wurde.

Eine im ÖREK 2030 geforderte österreichischen Stadtregionspolitik wäre ein Meilenstein der Umsetzung des neuen Raumentwicklungskonzepts.

“Siedlungsentwicklung und Mobilität dürfen nicht mehr getrennt voneinander gedacht und geplant werden”, sagte Ludwig. Er fordert dafür einen Stadtregionsfonds, um Bundesinvestitionen im Bereich umweltfreundlicher Mobilitätsinfrastruktur an stadtregionale Entwicklungskonzepte zu koppeln. “Nur mit einem Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den Städten und ihrem Umland lassen sich die Klimaziele tatsächlich umsetzen”, so Ludwig.

Österreichische Städte erfüllen seit jeher ihre Aufgabe als regionale Zentren der Daseinsvorsorge – gerade auch im ländlichen Raum.

“Daher darf es nie um ein Gegeneinander von Stadt um Land gehen, sondern immer nur um ein Miteinander, vor allem auch bei der Bewältigung des Klimawandels”, so Ludwig.

Zentren stärken – Innenstädte wiederbeleben

In der ÖREK2011-Partnerschaft „Stärkung der Orts- und Stadtkerne“ ist erstmals eine systematische Aufarbeitung der tatsächlichen Bedarfe der großen und kleinen Zentren erfolgt. Der Österreichische Städtebund konnte mit dem “Weißbuch Innenstadt”, der “Agenda Innenstadt” und seinem „Wissensnetzwerks Innenstadt“ wesentliche Inhalte dazu beitragen.

Mit den daraus erwachsenen Förderoptionen für Bewusstseinsbildung im Programm für Ländliche Entwicklung, die Erstellung Integrierter Städtebaulicher Konzepte oder Leerstandsmanagement wurde ein wichtiger Schritt gesetzt. Städte über 30.000 EinwohnerInnen bleiben von diesen Mitteln jedoch ausgeschlossen. Beispielsweise auch St. Pölten mit seinen 54.000 EinwohnerInnen, wo im Rahmen des diesjährigen Städtetages am 11. November 2021 den Herausforderungen der Innenstädte nach Covid-19 ein eigener Arbeitskreis gewidmet ist.

Baukultur-Umsetzungspakt – Verkehrsentlastung für Innenstädte

Der Österreichische Städtebund begrüßt daher auch den zweiten, vom BMKÖS gemeinsam mit dem Land Kärnten geleiteten Umsetzungspakt „Raum für Baukultur – Stärkung der Orts- und Stadtkerne“. Über die reine Weiterentwicklung und einen Lückenschluss in der österreichischen Förderlandschaft betreffend die Stärkung der Orts- und Stadtkerne hinaus wiederholt der Österreichische Städtebund seine Forderung nach einem konkreten, aus Bundes- und Landesmitteln gespeisten Städtebaufonds nach deutschem Vorbild, der für alle Städte und Gemeinden zugänglich ist.

Die Revitalisierung der Innenstädte war und ist für den Städtebund ein wichtiges Anliegen. In diesem Sinne fordert der Österreichische Städtebund daher zur Entlastung sensibler Innenstadtbereiche eine Rechtsgrundlage für ein automatisiertes Zonen-Zufahrtsmanagement, um lebenswerte, autofreie Innenstädte – Beispiel ist hier Norditalien -zu schaffen.

“Städte und urbane Räume werden bei der Umsetzung der Ziele des ÖREK 2030 bezüglich Klimaschutz, Bodenpolitik und Mobilitätswende eine Schlüsselrolle spielen – sie sind daher ein Teil der Lösung und als solche eng in die Umsetzungsarbeiten mit einzubeziehen,” forderte Städtebund-Präsident Ludwig und betont “Ein Ausspielen Stadt gegen Land wird uns den Klimazielen nicht näher bringen”

Über den Österreichischen Städtebund

Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von insgesamt 259 Städten und größeren Gemeinden in Österreich. Neben Wien und den Landeshauptstädten hat der Städtebund praktisch alle Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern als Mitglied. Die kleinste Mitgliedsgemeinde zählt knapp 1.000 Einwohner. Zwei Drittel der Bevölkerung leben in Österreichs Ballungsräumen, mehr als 70 Prozent der Arbeitsplätze befinden sich hier.

Der Österreichische Städtebund ist Mitglied der ÖROK seit ihrer Gründung vor 50 Jahren. Er ist in allen Gremien vertreten, in denen er auch regelmäßig die Vorsitzführung inne hat, und nimmt an den Arbeitsgruppentreffen teil. In fast allen Partnerschaften des ÖREK 2011 waren Mitglieder des Städtebundes aktiv beteiligt. Bei der ÖREK-Partnerschaft “Kooperationsplattform Stadtregion” fungierte der Städtebund als Lead-Partner. Auch bei der Erarbeitung des ÖREK 2030 – Raum im Wandel trat der Österreichische Städtebund für die Interessen seiner Mitglieder ein. (Schluss)

Österreichischer Städtebund
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