Skandal: „Österreichische Polizisten schlugen uns mit Tritten nach Serbien zurück“ (VIDEO)

Ein 22-jähriger Marokkaner berichtet von einem gewaltsamen Pushback und pyschischer Folter durch die österreichische Polizei an der Grenze Ungarns zu Serbien.

Obwohl sogar der Verwaltungsgerichtshof am 22. Juni 2022 die Pushbacks in der Steiermark als rechtswidrig klassifizierte und die Urteile gegen die Polizei bestätigte, setzt das österreichische Innenministerium die Praxis der illegalen Zurückweisungen von Menschen auf der Flucht sogar im benachbarten Ausland fort – nun auch an der ungarisch-serbischen Grenze und nun auch offensichtlich mit physischer und psychischer Gewalt.

GRÜNE AUSSENPOLITIK-SPRECHERIN SPRACH MIT OPFER

Das behauptet in einem von der NGO SOS Balkanroute veröffentlichten Video-Interview, bei dem auch die grüne Außenpolitik-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic anwesend war und Fragen stellte, ein 22-jähriger Marokkaner, der seit sechs Monaten in Serbien festhängt und von der Politikerin und der NGO in einem wilden Elendscamp in Horgoš interviewt wurde. Der junge Marokkaner berichtete über einen illegalen Pushback, der sich in der Nacht vom 23. auf den 24. September auf der ungarischen Landstraße M55, unweit der serbischen Grenze, ereignet hat. Sowohl im Video als auch in einer weiteren detaillierteren Befragung gegenüber SOS Balkanroute erkannte er die Beteiligung der österreichischen Polizei mehrmals klar wieder – sowohl an der Uniform als auch am Barett. 

„SIE ZERSTÖRTEN DIE HANDYS UND LIESSEN UNS FRIEREN“ 

„Sie erkannten uns durch die Wärmebildkameras und griffen uns gleich sehr aggressiv mit Schlagstöcken an. Sie zwangen uns, auf unseren Knien auf dem kalten Boden zu sitzen und fingen an uns zu treten. Dabei fragten sie uns, ob wir damit ein Problem haben? Wenn wir ja sagten, haben sie uns weiter getreten. Wenn wir nein sagten, hörten sie auf. Sie entfernten unsere SIM-Karten aus den Handys und warfen die Handys auf den Boden. Sie versammelten uns danach alle an einem Ort wo es sehr kalt war und ließen uns in der Kälte frieren und auf dem Boden sitzen. Wir baten um Wasser und um etwas zu Essen, aber sie weigerten sich uns etwas zu geben. Später brachten sie uns zu den Deportationsautos und schlugen uns nach Serbien zurück“, berichtete der junge Mann, der aufgrund der Gewalterfahrungen mit der österreichischen und ungarischen Polizei unerkannt bleiben wollte und im Video eine Maske und Sonnenbrille trägt. 

„ÖSTERREICH BETEILIGT SICH AN RECHTSBRUCH“

„Der Bericht des jungen Mannes ist leider kein Einzelfall. Mehrere Personen haben uns von Pushbacks durch österreichische Beamt:innen berichtet, darunter auch ein minderjähriger, erst 17-jähriger Afghane, der die österreichische Polizei nicht nur an der Uniform, sondern auch an der Sprache erkannte. Wir sind mittlerweile zahlreichen Menschen begegnet, die sagen, die österreichische Polizei habe sie illegal nach Serbien zurückgeschlagen, obwohl sie nach Asyl gefragt haben. Im Vergleich zu den Aussagen von Geflüchteten aus den Vormonaten mehren sich leider nun die Berichte, dass die österreichische Polizei auch an Gewalt und psychischer Folter beteiligt sein soll“, sagt Petar Rosandić, Obmann von SOS Balkanroute, der letzte Woche aus dem Grenzgebiet zurückgekommen ist. „Dass Österreich eine federführende Rolle bei der Politik der hässlichen Bilder entlang der EU-Außengrenze hat, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Dass Österreich aber in Form von Beamt:innen nun direkt zum Täter wird und durch illegale Pushbacks nun auch in Auslandseinsätzen systematischen Rechtsbruch begeht, ist definitiv ein neuer Tiefpunkt, der hoffentlich nicht nur die österreichische Zivilgesellschaft auf den Plan rufen wird“, so Rosandić. 

„GRAUSAMES GRENZSPIEL“

Eine erste Reaktion gab es bereits vor der Veröffentlichung des Interviews mit dem jungen Marokkaner: Nationalratsabgeordnete Steffi Krisper von den NEOS forderte in einem Tweet nach dem gestrigen Artikel der „Wiener Zeitung“, welche unter dem Titel „Grausames Grenzspiel“ einen aktuellen Bericht über die Gewalt entlang der serbisch-ungarischen Grenze veröffentlichte, ein unabhängiges Monitoring der Auslandseinsätze der österreichischen Polizei. Die grüne Abgeordnete Ernst-Dziedzic sprach hingegen nach dem Lokalaugenschein von „gravierenden Menschenrechtsverletzungen“. Sie habe selbst zahlreiche verletzte Menschen gesehen. „Ärzte ohne Grenzen schlägt bereits seit einiger Zeit Alarm. Die Aussagen der Flüchtlinge decken sich mit den Spuren auf deren Körpern“, berichtet die Wiener Zeitung, die ebenso selbst vor Ort war. 

GEMISCHTE STREIFEN MIT „ORBANS GRENZJÄGERN“

Weiter als Krisper und Ernst-Dziedzic geht die in Wien ansässige und am Balkan tätige NGO SOS Balkanroute: Diese fordert einen sofortigen Abzug der mittlerweile von 50 auf 70 aufgestockten österreichischen Beamt:innen in Ungarn und eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle entlang der ungarisch-serbischen Grenze. Die vom Innenministerium gegenüber der APA bestätigten „gemeinsamen Streifen mit der ungarischen Polizei“ seien „nicht nur aus menschenrechtlicher Sicht eine Bankrotterklärung, sondern auch aus polizeilicher Sicht: Die von Viktor Orban ausgebildeten ‚Grenzjäger’ kriegen nach gerade mal 160 Stunden Ausbildung eine Waffe in die Hand und dürfen im offensichtlich völlig rechtsfreien Raum EU-Außengrenze Menschenjagd spielen“. „Dass die österreichische Polizei an Einsätzen mit Menschenjägern im Ausland beteiligt ist, die polizeilich nur eine 4-wöchige Ausbildung vorweisen können, ist wohl für den gesamten Berufsstand Polizist:in kompromittierend. Man muss sich wohl auch Gedanken machen, ob es hier nicht zu einer beruflichen Deformation nach solchen Einsätzen kommt und in welchem psychischen Zustand die Beamt:innen in den Dienst nach Österreich zurückkommen. Und man darf sich dann auch nicht wundern, wenn die Horror-Bilder von der EU-Außengrenze wie ein Bumerang zu uns nach Österreich zurückkommen“, so Rosandić von SOS Balkanroute.

„GRENZJÄGER“: REKRUTIERUNG IN BIERZELTEN

„Die von Orban gegründete Einheit ‚Grenzjäger’, die bald die Stärke von 4000 Personen erreichen soll, rekrutiert ihre Leute bei Bierzeltfestivals und Roadshows. Es kann sich jeder im Alte von 18 bis 55 bewerben, einzige Kriterien sind Unbescholtenheit und ungarische Staatsbürgerschaft. Man sieht auch auf den Werbevideos der Grenzjäger ältere, glatzköpfige Männer und auch die Angelobung wirkt gruselig. Nach der Ansicht der Werbevideos der ungarischen Polizei möchte man gar nicht wissen, was diese Beamt:innen entlang der EU-Außengrenzen eigentlich treiben. Doch wir sehen es leider immer wieder, genauso wie unsere Kolleg:innen. Unsere Partner-NGO KlikAktiv, das Hungarian Helsiniki Committee und die Ärzte ohne Grenzen dokumentierten bereits u.a. Gewalttaten mit Prügel, Hundebissen, Pfefferspray in engen Räumen, Stöße von Grenzzäunen, Tritte und Demütigungen“, so Rosandić abschließend.

Petar Rosandić
Tel: +436607390819
pero@sos-balkanroute.at

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