Energiegemeinschaften – Energie-Schrebergärten oder Teil des großen Ganzen?

Brigitte Ederer und Werner Hengst beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit.

Wien (OTS) – Die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen hat einen neuen Typus von Teilnehmern im Energiesystem hervorgebracht: den Prosumer, der zugleich Produzent und Konsument ist. Prosumer erzeugen Energie für den Eigenbedarf – mit Photovoltaik-Paneelen auf dem Dach, Windrädern, Biogas-Anlagen auf Bauernhöfen oder ähnlichen Einrichtungen. Wenn die erzeugte Menge für den Eigenbedarf nicht reicht, wird Strom oder Gas aus dem öffentlichen Netz bezogen. Wenn es Überschüsse gibt, können sie gegen Entgelt ins öffentliche Netz eingespeist werden, man kann aber auch lokal eine Gemeinschaft mit anderen bilden und so Überschüsse gemeinsam nutzen.

Das österreichische Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz (ElWOG) sieht schon seit 2017 die Möglichkeit von Energiegemeinschaften zur gemeinschaftlichen Erzeugung und Nutzung von erneuerbaren Energien vor, allerdings war diese Möglichkeit auf Gemeinschaften innerhalb von Gebäuden beschränkt. Von den Betreibern der öffentlichen Energienetze werden die neuen Erneuerbaren-Energiegemeinschaften ausdrücklich befürwortet, sagte die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit: „Das Energiesystem der Zukunft braucht Vielfalt. Man muss dabei aber das große Ganze sehen. Auch bei diesen kleinräumigen Strukturen muss die Versorgungsicherheit gewährleistet bleiben.“ Zudem muss durch entsprechende Regulierung sichergestellt werden, dass keine Parallel-Infrastruktur aufgebaut wird, die volkswirtschaftlich ineffizient wäre.

Verbilligte Ortstarife

Deshalb sollen Energiegemeinschaften zum Anschluss an das öffentliche Netz verpflichtet werden, forderte der Geschäftsführer von Netz Niederösterreich, Werner Hengst. Im Gegenzug sollen für die Teilnehmer von Energiegemeinschaften verbilligte Ortstarife gelten, solange sie nur die Netzebenen 7 und 6 (also das Haushaltnetz und die zugehörige Trafostation) nutzen. „Der Arbeitspreis für den Ortstarif könnte bis zu 60% unter dem Normaltarif liegen“, so Hengst.

Zudem lautet eine Forderung der Energienetzbetreiber, dass auch im Bereich der Erneuerbaren-Energiegemeinschaften Konsumentenschutz und Wettbewerbsregeln zu gelten haben. Brigitte Ederer nennt ein Beispiel: „Wenn etwa eine Reihenhaussiedlung eine Energiegemeinschaft bildet, dann muss es ja für jemanden, der dort wohnt oder später dort hinzieht, auch möglich sein, nicht teilnehmen zu wollen. Man braucht daher auch dort Regeln für freien Lieferantenwechsel. Und natürlich transparente Abrechnungen.“

Bürger-Energiegemeinschaften

Sehr skeptisch stehen die Energienetzbetreiber der Idee von Bürger-Energiegemeinschaften gegenüber, die genau wie die Erneuerbaren-Energiegemeinschaften im sogenannten Clean Energy Package der EU vorgesehen sind. Anders als die Erneuerbaren-Energiegemeinschaften sind Bürger-Energiegemeinschaften nicht auf erneuerbare Energien beschränkt, sie tragen also nicht zwangsläufig zur Dekarbonisierung bei. Da sie zudem nicht räumlich beschränkt sind, stellen sie auch keine Entlastung für die Verteilernetze dar. Hengst: „Im Hinblick auf die Ziele der Energiewende sehen wir keine Notwendigkeit, diese Möglichkeit besonders attraktiv zu gestalten.“

Energiewirtschaftlicher Datenaustausch EDA

Hengst stellte schließlich noch das System EDA vor, den Energiewirtschaftlichen Datenaustausch, der von den Energienetzbetreibern schon vor längerem in Eigeninitiative aufgebaut wurde und europaweit ein vorbildliches System für die Abwicklung von Markt-Transaktionen auf öffentlichen Netzen darstellt. EDA ermöglicht den sicheren Austausch von Daten zwischen Lieferanten und Konsumenten und sorgt für eine transparente, präzise Abrechnung. Hengst: „EDA wird auch für die Energiegemeinschaften ein wertvolles Instrument sein. Es ist also nicht übertrieben, wenn wir sagen: Die Netzbetreiber sind die Ermöglicher der künftigen Vielfalt im Energiesystem.“

Mag. Stefan Zach, MAS
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