„Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich“-Preisträger aus Weißrussland festgenommen

Wien (OTS) – Tagelanges Bangen um das Schicksal des weißrussischen Journalisten Jahor Marcinovich, der 2015 mit dem Press Freedom Award prämiert wurde und im Gefolge der Proteste gegen die möglicherweise gefälschte Wiederwahl von Staatspräsident Lukaschenko verhaftet worden ist. Mittlerweile wurde er freigelassen, doch das Regime geht nach wie vor hart gegen KritikerInnen vor. Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich fordert Aufklärung und die Freilassung von allen politischen Gefangenen.

Es ist was faul im Staate Weißrussland. – Adarja Hustyn musste um das Leben ihres Mannes bangen. Zwei Tage hat es keine Spur von ihm gegeben. Ihr Mann Jahor Marcinovich ist Chef-Redakteur und kritischer Journalist der ältesten belarussischen Zeitung „Nasa Niva“ und hat über die Massenproteste berichtet. In der Nacht auf Dienstag (11.8.) ist Jahor Marcinovich spurlos verschwunden – kurz, bevor er seine Frau in der Innenstadt von Minsk mit dem Auto abholen wollte. Um 2 Uhr in der Nacht hat er ihr eine SOS-SMS geschickt und eine Stunde später kam erneut eine kurze Text-Nachricht. Diese lässt den Schluss zu, dass Marcinovich „verhaftet wurde“, so ein Informant aus Weißrussland, der anonym bleiben möchte. „An diesen Tagen sind mehrere Journalisten verhaftet worden, vielen wurden die Mobilfunkverbindungen gekappt. Es ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Jahor Marcinovich an dem Abend gezielt verfolgt und aus dem Verkehr gezogen wurde.“

Mittlerweile wurde Marcinovich wieder freigelassen, er hat sich davor in einer Polizeistation in der rund 60 Kilometer von Minsk entfernten Stadt Zodzina befunden, wird Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich berichtet. In einem kurzen Telefonat habe ihm Jahor Marcinovich gesagt, „dass es ihm verhältnismäßig zu den anderen Inhaftierten besser ergangen ist, die nicht freigelassen wurden und dort auf die Schnellgerichte warten“, so der Informant. Gegen KritikerInnen geht das Regime Lukaschenko hart vor: Schnellgerichte verurteilen Inhaftierte zu zehn bis 25 Tagen Haft. Verhaftete müssen etwa die ganze Nacht auf den Knien, mit dem Gesicht zur Wand, verharren, ohne sich abstützen oder schlafen zu können. Auch erhalten sie keine Möglichkeit, Toiletten aufzusuchen.

Hinter der Freilassung von Jahor Marcinovich könnte ein politisches Kalkül stecken: Denn die EU-Außenminister werden am Freitagnachmittag (14.8.) in einer informellen Videositzung über mögliche neue Sanktionen gegen Weißrussland sprechen. Die Freilassung soll „den Anschein des Entgegenkommens erwecken und die Anerkennung der gefälschten Wahl als ,Status Quo‘ erzwingen“, erklärt der Informant.

Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich fordert, dass das EU-Außenminister-Treffen nicht zahnlos bleibt. „Seitens der EU muss Druck auf das Regime in Belarus aufgebaut werden. Dem Verbleib von noch inhaftierten Regime-Kritikern muss nachgegangen werden, zudem müssen freie und faire Wahlen in Weißrussland vehement eingefordert werden“, sagt Rubina Möhring.

Marcinovich ist bekannt dafür, mutig über die Missstände in Belarus zu berichten. Er hat 2015 den von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich verliehenen Press Freedom Award bekommen – für seine Berichterstattung zur Korruption unter Präsident Alexander Lukaschenko. Jenem Mann, der seit mehr als 25 Jahren autoritär regiert, dem eine gefälschte Wiederwahl vorgeworfen wird und der mit harter Polizeigewalt gegen friedliche DemonstrantInnen vorgeht. Zuletzt wurden Schusswaffen seitens der Polizei eingesetzt. In sozialen Netzwerken wurden Videos veröffentlicht, die zeigen, wie Uniformierte ZivilistInnen schlagen und treten. Auch Todesopfer sind zu beklagen. Ein festgenommener Demonstrant starb nach Behördenangaben im Gefängnis. Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte verurteilte das gewalttätige Vorgehen der Behörden. Bei den Protesten wurden bisher insgesamt fast 7.000 Menschen verhaftet.

„Der Fall von Jahor Marcinovich und jene um das Verschwinden weiterer Regime-Kritiker sowie deren Hintergründe müssen sofort aufgeklärt werden“, fordert Rubina Möhring. „Jede Form von Polizeigewalt, auch gegen Reporter und Fotografen, die über die Lage in Minsk berichten, ist aufs Schärfste zu verurteilen.“ So gab es etwa einen Angriff von Polizisten auf ein Kamera-Team der russischen Redaktion der BBC. – Es ist etwas faul im Staate Weißrussland – und es drohen nach wie vor weitere Stimmen, die sich gegen das Unrecht auflehnen, zu verstummen.

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