TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 14. August 2020 von Wolfgang Sablatnig „Klarheit und Selbstverantwortung“
Innsbruck (OTS) – Der Gesundheitsminister legt eine Neufassung des Covid-19-Gesetzes vor, die vor den Augen der Verfassungsrichter Bestand haben soll. Letztlich hat es aber jede und jeder Einzelne in der Hand, dem Virus Einhalt zu gebieten.
Viele Fragen beschäftigen die Menschen in Zeiten des Virus: Maske ja oder nein? Abstand? Selbstisolation verpflichtend? Oder nur freiwillig? Und wenn ein Fall am Arbeitsplatz auftritt?
Vor fünf Monaten waren Lockdown und Quarantäne schnell verhängt. Damals, Mitte März, schien für jeden klar, was erlaubt ist und was verboten, um das Virus an der Verbreitung zu hindern. Wer sich nicht auskannte, brauchte bloß in TV oder Internet zu schauen, wo die Regierung täglich live verkündete, was zu tun ist.
Und heute? Badeseen und Fußgängerzonen sind voll wie eh und je. Der Tourismus atmet durch, weil die Sommersaison einigermaßen läuft. Auf manchen Berghütten erinnern nur die Aufkleber und die neuen Abtrennungen der Lager an die Pandemie. Und so mancher Tourist wundert sich, dass die Vorschriften im Urlaubsland viel laxer sind als in der Heimat.
Was gilt? Die Novelle zum Covid-19-Gesetz, die Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in Begutachtung geschickt hat, soll einen Teil der Antworten liefern. Sie bringt Erleichterungen in Form von zum Teil geringeren Strafdrohungen.
Gleichzeitig hält Anschober an restriktiven Möglichkeiten für Ausgangsbeschränkungen fest. Diese sind jetzt so formuliert, dass die nächsten Verordnungen auch vor den Verfassungsrichtern Bestand haben sollen. Deren Prüfung ist nötig, wenn die Pandemie nicht mit einem Abbau der Grundrechte einhergehen soll.
Was gilt? Spannend wird der Herbst. Die Experten erwarten, dass die Zahlen weiter steigen. Corona-Fälle in der Schule und am Arbeitsplatz könnten dann zum Alltag werden. Die Fragen und die Forderung – oder die Sehnsucht – nach klaren Regeln werden drängender.
Anschober verspricht, dass die Corona-Ampel diese Klarheit liefert. Grün, Gelb, Orange, Rot: Ihren Zweck erfüllen kann die Ampel aber nur, wenn für alle Betroffenen klar ist, welche Farbe welche Maßnahmen zur Folge hat.
Auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) verspricht Klarheit. Er will am Montag seinen Fahrplan für den Schulbeginn Anfang September vorstellen. Eltern, Lehrer und Schüler warten schon darauf.
Und dennoch gibt es ein großes Aber: Nicht alles kann und soll bis ins Detail geregelt werden. Unser Leben ist dafür viel zu komplex, die Freiheit zu wichtig. Die Antwort kann daher nur Hausverstand und Selbstverantwortung lauten: Niemand kann diese an den Staat delegieren, auch wenn es manchmal einfacher schiene.
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