74. Wiener Gemeinderat (7)
Flächenwidmung in Floridsdorf, Plandokument Nr. 8297, betreffend die „Siemens-Äcker“
Wien (OTS/RK) – Dr. DI Stefan Gara (NEOS) erklärte, warum seine Fraktion der Flächenwidmung nicht zustimmen könne: Bei den vorliegenden Siemens-Äckern brauche es eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Die Verwaltung habe das Projekt in kleine Flächen-Teile zerstückelt, um die UVP-Pflicht zu umgehen. „Wir müssen in Zukunft mehr auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern reden, wenn es um Stadtentwicklung geht“, forderte Gara.
Dringlicher Antrag der ÖVP an den Bürgermeister
Um 16 Uhr wurde die laufende Debatte unterbrochen. Die ÖVP hatte einen „Dringlichen Antrag“ an Bürgermeister Michael Ludwig eingebracht, betreffend „COVID-19-Pandemie – Ressourcen der Gemeinde Wien“.
GRin Ingrid Korosec (ÖVP) begründete die „Dringliche“ für ihre Fraktion. „Es muss Klartext geredet werden“, sagte Korosec, „in Wien geht die Corona-Zahl durch die Decke, die Zahl ist um das Fünffache gestiegen“. Die Stadt habe die Situation „wochenlang verharmlost“ und sich nicht auf „die zweite Welle“ vorbereitet. Bürgermeister Ludwig und Gesundheitsstadtrat Hacker, beide SPÖ, verleugneten Probleme „und reden die Dinge schön“, sagte Korosec; während sie „seit Mai“ auf den Ernst der Situation hingewiesen habe. „Schuld ist immer die Bundesregierung“, warf Korosec der Stadtregierung Problemverweigerung vor. Die Stadt habe – im Angesicht der gesundheitlichen Herausforderung des Herbsts und des Winters – zu wenig Vorbereitung geleistet. Wenigstens sei es „richtig, wichtig und notwendig“, dass die Stadt jetzt kostenlose Grippe-Impfungen anbiete. Dieses Service dürfe aber nicht mit der Hotline 1450 verknüpft werden, die ohnehin überlastet sei, sagte Korosec. Testungen, Abstriche und Ergebnisse -vom Hotline-Anruf bis zum Bescheid – dauerten in Wien oft mehrere Tage, kritisierte Korosec, die Einzelbeispiele nannte, um auf die schnelle Abwicklung in anderen Bundesländern hinzuweisen. Bürgermeister Ludwig wolle jetzt 1.000 neue MitarbeiterInnen für den Bereich einstellen – „das ist ein richtiger Schritt, aber er kommt zu spät“, so Korosec; immerhin müsste das Personal zum Beispiel erst eingeschult werden. Stadtrat Hacker wiederum lenke von „den eigenen Problemen ab“, während der Bundeskanzler in Bundes-Pressekonferenzen „Leadership“ zeige. Deshalb forderte Korosec im Namen ihrer Fraktion:
Hacker müsse vom Corona-Management entbunden, Ludwig als Stadtchef mit diesen Agenden betraut werden.
StR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP) erinnerte an das Bundesland Oberösterreich: Dort hätte es Cluster gegeben, dort seien Corona-Fälle aufgetreten – daraufhin habe der (ÖVP-)Landeshauptmann „Maßnahmen ergriffen, unabhängig vom und zusätzlich zum Bund“. Das erwarte sich Wölbitsch auch von Bürgermeister Ludwig, etwa „die Hilfe des Innenministeriums anzunehmen“. Wien hätte die Unterstützung der Polizei beiziehen können, erinnerte Wölbitsch an die Aussagen von ÖVP-Innenminister Nehammer. „Es steht ein halbwegs funktionierendes Weihnachtsgeschäft auf dem Spiel“, kam Wölbitsch auf die Wirtschaft und den Handel zu sprechen. Er, Wölbitsch, könne im Namen seiner Fraktion nicht nachvollziehen, warum sich Wien bei der Vorverlegung der Sperrstunde – anders als die Bundesländer Vorarlberg, Salzburg und Tirol, quer lege. Gerade dadurch könnten Neuinfektionen verhindert werden, meinte er. „Sie nehmen die Krise nicht ernst“, warf er ins Plenum Richtung Stadtregierungs-Flügel. „Die Situation in Wien gerät außer Kontrolle“, das Corona-Management der Stadt „funktioniert nicht“, und Gesundheits-Stadtrat Hacker „versagt“, erläuterte Wölbitsch. Es brauche „Transparenz und rasche Tests, inklusive Bezirksdaten.“ Wölbitsch wiederholte erneut die ÖVP-Forderung, die Covid-Maßnahmen zur „Chefsache“ zu machen -Bürgermeister Ludwig müsse von Stadtrat Hacker übernehmen.
GR Christoph Wiederkehr, MA (NEOS) gab der ÖVP in einem Punkt recht: „Ja, wir müssen Wien von der ‚Roten Liste‘ in Deutschland bekommen“, weil etwa Hotels und Gastronomie ums Überleben kämpften, woran tausende Wiener Arbeitsplätze hingen. Was Wiederkehr im Namen der NEOS an der ÖVP kritisiere: Kanzler Kurz sei der strahlende Held in der „ersten Corona-Welle“ gewesen; damals habe alles gut funktioniert. Jetzt sei es „interessantes Framing“ der Volkspartei, „allen anderen die Schuld zu geben“, Kurz halte „sich raus“. Jetzt, bei neuem Infektionsgeschehen, seien andere die Bösen, etwa Kroatien (Reiserückkehrer) oder Wien (Bundesland). Zur Verlässlichkeit eines Rechtsstaats gehöre laut Wiederkehr auch Transparenz: „Sagen Sie nicht, wann eine Impfung kommt – im Herbst, im Winter, im Sommer, wenn Sie das nicht wissen“; außerdem dürfe der Bund keine Gesetze beschließen, welche „massive Eingriffe in die Privatsphäre des Bürgers“ bedeuteten. Wien bemühe sich, gestand Wiederkehr – aber „Ressourcen fehlen, bei der Hotline 1450 und beim Contact Tracing“. Nun baue die Stadt Kapazitäten auf: „Ich begrüße das, aber es kommt zu spät“, sagte Wiederkehr. „Die Schulen müssen um jeden Preis geöffnet bleiben, solange es geht“, fasste er die Position der NEOS zusammen: Geschlossene Schulen würden großen wirtschaftlichen Schaden anrichten.
GRin Dr. Jennifer Kickert (Grüne) begrüßte die Botschaft ihres NEOS-Vorredners: „In dieser Situation brauchen wir keinen Hick-Hack.“ Kickert, als studierte Biologin, sagte: „Da vergleicht man Äpfel mit Birnen.“ Sie bezog sich dabei auf die „Bundesländer-Achse“ – es sei unmöglich zu vergleichen, wie sich das Infektionsgeschehen im Tiroler Skilift oder der Salzburger Après-Ski-Bar entwickle im Vergleich zum dritten, vierten, zwölften Bezirk einer Großstadt wie Wien; wo Städtetourismus ganz anders ablaufe als Ski-Tourismus. „Wir müssen alle davon ausgehen, dass es im Herbst schlimmer wird. Wissen wir, wie genau? Nein. Aber was kann Wien tun?“, fragte Kickert ins Plenum. So stelle die Stadt eine zweite Teststraße zur Verfügung, die -zusätzlich zum Parkplatz Happel-Stadion- auch auf der Donauinsel einen möglichst raschen Covid-Test ermögliche. „Aber klar, wenn ich heute teste und mich morgen anstecke“, erinnerte Kickert, „brauchen wir einen Test alle drei Tage. Das schafft niemand.“ Indirekt appellierte sie an die Eigenverantwortung, um gleichzeitig an die neuen Maßnahmen der Stadt zu erinnern: Mit neuen Schnelltests -„Ergebnisse innerhalb einer Stunde“ in einem Bus („Cluster-Buster-Bus“, Anm.) werde Wien jene Ziele erreichen, welche die NEOS forderten: Nämlich, die Schulen möglichst offen zu halten. Auch die „Antigen-Tests“ seien in akuter Überprüfung, inwiefern diese treffsicher sind. Die Stadt habe also eine Reihe von Maßnahmen – „die sind notwendig, und wir werden laufend evaluieren“, sagte Kickert in Voraussicht: „Wir werden alles ausprobieren. Und Sie werden uns in der Politik prügeln, wenn es nicht funktioniert.“ Aber „dann probieren wir etwas Neues“, denn: Die Stadt werde jedenfalls flexibel bleiben und alle Maßnahmen setzen, um der Pandemie zu begegnen.
(Forts.) esl
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