Parlament: TOP im Nationalrat am 15. Oktober 2020

Erste Lesung zum Budget 2021, Volksbegehren, Misstrauensantrag gegen Ministerin Tanner, Auslieferungsbegehren

Wien (PK) – Nach der Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel am Mittwoch startet der Nationalrat am Donnerstag mit den parlamentarischen Beratungen zum von der Regierung für 2021 vorgelegten Budgetentwurf. Danach findet eine weitere Plenarsitzung statt, in der die Abgeordneten erstmals über jene vier Volksbegehren diskutieren werden, die in der Eintragungswoche im Juni die Hürde von 100.000 Unterschriften für eine Behandlung im Nationalrat übersprungen haben. Auf der Tagesordnung steht unter anderem auch ein gemeinsamer Misstrauensantrag der Opposition gegen Verteidigungsministerin Klaudia Tanner.

Erste Lesung zum Bundesfinanzgesetz 2021

Die Nationalratssitzung beginnt um 09.00 Uhr mit einer ersten Debatte über das von der Regierung vorgelegte Bundesfinanzgesetz 2021 und den neuen Bundesfinanzrahmen.

380.590 Unterschriften für mehr Klimaschutz

Unmittelbar im Anschluss an die Erste Lesung des Budgets steht mit dem „Klimavolksbegehren“ das erfolgreichste der vier Volksbegehren zur Diskussion. 380.590 ÖsterreicherInnen haben die Initiative für mehr Klimaschutzmaßnahmen unterzeichnet. Es sei notwendig, Österreich vor drohenden Milliardenkosten, Artensterben und Gesundheitsgefahren zu bewahren, heißt es unter anderem in der Begründung.

Zu den Forderungen des Volksbegehrens gehören etwa die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung, ein verbindlicher Reduktionspfad für CO2-Emissionen, die Einrichtung eines Klimarechnungshofs, eine ökosoziale Steuerreform und ein vollständiger Abbau klimaschädlicher Subventionen. Zudem sollen alle neuen Gesetze und Verordnungen von einer unabhängigen Stelle auf ihre Klimaverträglichkeit abgeklopft werden. Auch die Bereitstellung zusätzlicher Budgetmittel für umweltfreundliche Mobilität und nachhaltige Energiegewinnung sowie die Belohnung klimafreundlichen Handelns sind den InitiatorInnen ein Anliegen.

Obwohl für die negativen Auswirkungen von Treibhausgasemissionen, etwa auf Klima, Gesundheit und Ernährungssicherheit, alle zahlen, würden deren VerursacherInnen nicht zur Kasse geben, lautet unter anderem die Kritik der UnterzeichnerInnen. Initiiert wurde das Volksbegehren von KlimaaktivistInnen rund um Katharina Rogenhofer, die sich auch für die Fridays-For-Future-Bewegung engagiert.

Volksbegehren „Smoke – Nein“

Für die verfassungsrechtliche Absicherung des generellen Rauchverbots in der Gastronomie setzt sich

ein Volksbegehren ein, das bundesweit von insgesamt 140.526 Personen unterstützt wurde. Dem Bevollmächtigten Marcus Hohenecker und den UnterstützerInnen geht es vor allem darum, das ständige Hin und Her in der Debatte über das Rauchen in der Gastronomie zu beenden, zumal ihrer Ansicht nach weder die Alterskontrollen noch die Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereiche in der Praxis funktioniert haben. Ins Treffen geführt wird auch der Umstand, dass der Zigarettenkonsum die Hauptursache für frühzeitige Sterblichkeit in den Industrieländern darstelle. Gesundheits-, Jugend- und Arbeitnehmerschutz hätten zudem eindeutig Vorrang vor den Freiheiten der RaucherInnen.

Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“

Europaweite Solidarität bei der Flüchtlingsbetreuung hat das von 135.087 Personen unterstützte Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“ zum Ziel. Initiator und Bevollmächtigter Marcus Hohenecker sieht Österreich als Netto-Beitragszahler und „humanitären Leistungsträger“ im Rahmen der derzeitigen EU-Asylpolitik benachteiligt. Aufgrund der mangelnden Solidarität mehrerer EU-Länder hätte die gerechte örtliche Verteilung von Flüchtlingen bislang nicht funktioniert, außerdem würde Österreich als kleines Land seit Jahren einen hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand bei der Administration des Asylwesens stemmen, wird das Anliegen begründet.

Gefordert wird daher ein „Asyl-Finanzausgleich“ sowie ein funktionierendes Management der EU-Außengrenzen, womit sich die UnterstützerInnen indirekt an die EU-Kommission wenden. Damit Österreich keinen überproportionalen finanziellen Aufwand trägt, wird vorgeschlagen, dass jene Asyl-Kosten, die über den EU-Anteil hinausgehen, von den laufenden EU-Beitragszahlungen zweckgebunden abgezogen werden dürfen, bis ein EU-weit solidarisches Asylwesen eingerichtet ist. Das Volksbegehren sei zwar keinesfalls gegen Flüchtlinge gerichtet, aus unsolidarischem Verhalten sollte jedoch keinem Land ein Vorteil entstehen, heißt es darin.

Österreich soll aus EURATOM-Vertrag aussteigen

Mit 100.482 Unterschriften nur knapp die 100.000er-Hürde übersprungen hat ein Volksbegehren, das auf einen Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag abzielt. Mit seiner Mitgliedschaft finanziere Österreich die Europäische Atomgemeinschaft aus Steuergeldern mit, kritisieren die InitiatorInnen. Atomenergie sei aber nicht sicher und daher abzulehnen.

Konkret wird etwa auf drohende katastrophale Auswirkungen von Atomunfällen auf Umwelt und Gesundheit sowie das Problem der Atommülllagerung hingewiesen. Eine Mitgliedschaft bei EURATOM mache für Österreich als Land ohne Atomkraftwerk zudem keinen Sinn, machen die UnterzeichnerInnen geltend. Sinnvoller wäre es ihrer Meinung nach, die aktuell zu leistenden Zahlungen für Forschung in alternative Energiegewinnung oder die Förderung von E-Autos, E-Bikes und Gebäudedämmung zu verwenden.

Hauptinitiator des Volksbegehrens ist Robert Marschall, der mit der EU-Austrittspartei und ähnlichen Listen bereits mehrfach bei Wahlen kandidiert hat. Ein Anti-EURATOM-Volksbegehren lag bereits 2011 zur Unterzeichnung auf, damals scheitere es mit 98.698 Unterschriften nur knapp, wie in der Begründung der nunmehrigen Initiative festgehalten wird.

Das Klimavolksbegehren und das EURATOM-Volksbegehren sollen gemäß einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen nach der Ersten Lesung dem Umweltausschuss zur Vorberatung zugewiesen werden. Mit der „Smoke-Nein“-Initiative wird sich voraussichtlich der Gesundheitsausschuss befassen. Das Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“ soll im Innenausschuss behandelt werden.

Misstrauensantrag gegen Verteidigungsministerin Tanner

Wenig Chancen auf Erfolg hat ein von der Opposition bereits im Juli eingebrachter Misstrauensantrag gegen Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Es ist schon der dritte, der sich gegen die seit rund neun Monaten im Amt befindliche türkis-grüne Regierung bzw. eines ihrer Mitglieder richtet. Anlass für den gemeinsamen Vorstoß von SPÖ, FPÖ und NEOS waren die damals vorgestellten Pläne für eine Bundesheerreform. Die Ministerin beabsichtige, die Landesverteidigung auf ein Minimum zu reduzieren und das Heer nur noch auf Cyberabwehr und Katastrophenschutz auszurichten, kritisieren die Wehrsprecher der drei Parteien. Für sie bedeutet dies de facto die Abschaffung der militärischen Landesverteidigung und einen Bruch der Bundesverfassung. Auch die aktive Luftraumüberwachung Österreichs sieht die Opposition gefährdet.

Der Antrag fand im Landesverteidigungsausschuss allerdings keine Mehrheit. ÖVP und Grüne sehen keinen Grund, Tanner das Vertrauen zu entziehen und sprachen von politischem Aktionismus. Eine Abschaffung der militärischen Landesverteidigung stehe nicht im Raum, versicherte die ÖVP.

Bereits im Mai wollte die Opposition die Entlassung von Finanzminister Gernot Blümel wegen unrealistischer Budgetzahlen erzwingen. Zuletzt brachte die FPÖ einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung in Zusammenhang mit den COVID-19-Maßnahmen ein, blieb bei der Abstimmung aber alleine.

Evaluierung der Mobilmachung der Miliz aufgrund der Corona-Pandemie

Einstimmig sprechen sich die Parteien dafür aus, den Milizeinsatz des Bundesheeres im Zuge der Corona-Pandemie zu evaluieren. Ein entsprechender Entschließungsantrag der NEOS fand im Verteidigungsausschuss in leicht abgeänderter Form einhellige Zustimmung. Demnach soll Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bis Ende März 2021 einen Bericht vorlegen, der den Zeitraum von der Mobilmachung bis zur Abrüstung umfassen soll. Beschlossen wurde die Teilmobilmachung im März dieses Jahres, im Mai sind die einberufenen Milizsoldaten dann eingerückt.

Tanner betonte im Ausschuss, dass es ihr selbst ein großes Anliegen sei, die erste Mobilisierung der Miliz in der Zweiten Republik einer Evaluierung zu unterziehen. Es hätten sich, nicht zuletzt aufgrund nicht mehr zeitgemäßer gesetzlicher Grundlagen, einige Probleme gezeigt, wie etwa eine uneinheitliche Bezahlung für den Milizeinsatz.

Petitionen und Bürgerinitiativen

In einem Sammelbericht informiert der Petitionsausschuss das Plenum über den Abschluss der Beratungen zu insgesamt 12 Bürgerinitiativen und Petitionen. Die Palette der Forderungen ist breit gestreut und reicht von einem mautfreien Autobahnabschnitt auf der A9 zwischen Wildon und Graz über einen einfacheren Zugang zu mit öffentlichen Forschungsgeldern entwickelten Medikamenten und Impfstoffen bis hin zur Beendigung der Strafverfolgung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Auch verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte im Bereich Klima und Energie, die verfassungsrechtliche Absicherung des gesetzlichen Pensionssystems, die Modernisierung der Polizeiinspektion Zirl und die Abschaffung des Pensionssicherungsbeitrags für pensionierte BeamtInnen gehören zu den an das Parlament herangetragenen Anliegen. Ausdrücklich in einer Petition abgelehnt wird die Abschaffung der Notstandshilfe.

Über zwei Bürgerinitiativen wird der Sozialausschuss weiter beraten. Zum einen geht es dabei um die Einstufung von arbeitswilligen Menschen mit Behinderung als „arbeitsunfähig“, was vielfältige Konsequenzen nach sich zieht. Zum anderen wird eine Gleichstellung aller ArbeitnehmerInnen, die in Pflegeeinrichtungen Nachtarbeit verrichten, in Bezug auf Gutstunden gefordert. Auch eine Initiative, die sich gegen die Einhebung von Bankomatgebühren in Österreich wendet, bleibt in parlamentarischer Behandlung, sie wurde dem Konsumentenschutzausschuss zugewiesen.

Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft Wien

Beraten werden die Abgeordneten voraussichtlich auch über ein Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft Wien, die um Zustimmung zu Ermittlungen gegen Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) ersucht. Es geht um den Verdacht der Verhetzung und der Herabwürdigung religiöser Lehren in Zusammenhang mit Ausführungen Hofers über den Koran. Der Immunitätsausschuss wird sich Mittwochfrüh mit dem Ersuchen befassen.

Erste Lesungen zu ergänzenden Bestimmungen für U-Ausschuss-Verfahren

Schließlich wird es noch zwei Erste Lesungen zu Anliegen der NEOS und der FPÖ in Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen geben. Zum einen treten die NEOS dafür ein, Video-Aufzeichnungen von Befragungen aktiver und ehemaliger Regierungsmitglieder in U-Ausschüssen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gleiches gilt für die Befragung anderer Oberster Organe des Bundes und der Länder. Ohnehin vorhandene Ton- und Bildaufzeichnungen sollen demnach „unverzüglich“ sowohl den Medien als auch den Fraktionen zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt werden. Die Öffentlichkeit solle sich so ein besseres Bild von den Befragungen machen können, argumentieren die NEOS.

Zum anderen sollen Untersuchungsausschüsse nach Meinung der FPÖ künftig die Möglichkeit haben, Auskunftspersonen per Video zu befragen, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Ausschuss kommen können. Die Regelung soll befristet bis Ende 2021 gelten. Mehrere Auskunftspersonen hätten Ladungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht Folge geleistet, sie sollen dennoch befragt werden können, wird die Initiative begründet.

Beide Anträge werden nach der Ersten Lesung dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen. (Schluss) gs/keg/mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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