„kulturMontag“ am 9. November: Spaltpilz Islamismus, politische Kultur der US-Demokratie, Otto-Kernberg-Porträt

Außerdem: Dokumentation „… der Karikatur ihre Freiheit!“ und Filmessay „Antschel“ über Dichter Paul Celan

Wien (OTS) – Der von Martin Traxl präsentierte „kulturMontag“ am 9. November 2020 um 22.30 Uhr in ORF 2 befasst sich aus aktuellem Anlass mit der zunehmenden Spaltung unserer Gesellschaft und ihrer Kulturen durch Hass und Terrorismus. Die – ebenfalls spaltende – politische Kultur der US-Demokratie ist anlässlich der noch nicht entschiedenen Präsidentschaftswahl ein weiteres Thema der Sendung. Dazu passend im Porträt: der austro-amerikanische Psychotherapeut und Psychoanalytiker Otto Kernberg, renommierter Spezialist zum Thema Persönlichkeitsstörungen.

Anschließend an das Magazin stehen die Dokumentation „… der Karikatur ihre Freiheit!“ von Wolfgang Peschl (23.30 Uhr) sowie der von Susanne Ayoub gestalte filmische Essay „Antschel“ anlässlich des 100. Geburtstags des als Paul Antschel geborenen Dichters Paul Celan auf dem Programm.

„Je suis Charlie“ oder „Schleich di, du Oaschloch!“ – Spaltpilz Islamismus

Der Terroranschlag vom vergangenen Montag in Wien und die dschihadistische Kriegserklärung gegen eine heterogene Gesellschaft der Freiheit erregen bei vielen Menschen den spontanen, emotionalen Wunsch, ein starkes Zeichen der Gegenwehr und der Solidarität zu setzen. Vor fünf Jahren gelang mit „#JeSuisCharlie“ nach dem Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo eine Bekundung der Gemeinschaft, die um die Welt ging. In Wien geht jetzt das Motto „#SchleichDiDuOaschloch“ viral. Die typisch wienerische Äußerung wurde als stolze Trotzreaktion im Internet zum Symbol für den Zusammenhalt einer Stadt. Die österreichische Künstlerschaft, von Stefanie Sargnagel bis Ferdinand Schmalz, von Menerva Hammad bis zu Maschek zeigt sich solidarisch und plädiert dafür, als Einheit gegen jegliche Form von Hass und Terrorismus anzukämpfen, die die Gesellschaft spalten.
Österreich steht nun vor der schwierigen Aufgabe, dieser Spaltung entgegenzuwirken. Doch schaut man über die Grenzen hinaus, scheint sich die Situation immer mehr zuzuspitzen – nicht zuletzt durch das Konfliktthema Mohammed-Karikaturen, das erneut grausame Anschläge in Frankreich zur Folge hatte und seither hohe weltpolitische Wellen schlägt. Doch bedeutet eine solche Verhärtung der Positionen nicht genau die Spaltung, die sich die IS-Ideologen wünschen? Und blendet eine Reduzierung dieses Konfliktherds auf einen „Kulturkampf“ nicht die diversen weltweiten innen- wie außenpolitischen Interessen aus? Mit welchen gesellschaftspolitischen Mitteln lassen sich demokratische Grundwerte wie Pluralität, Toleranz, Meinungs- und Religionsfreiheit erhalten?
Im „kulturMontag“ zu Wort kommen dazu Nahostexpertin Tyma Kraitt, Extremismusforscher Rami Ali, die Leiterin der neugegründeten Dokumentationsstelle für den politischen Islam, Lisa Fellhofer, Kulturjournalistin Sebnem Kirmaci aus Istanbul und der islamische Rechtsgelehrte Ali Usama Abu der renommierten Universität Al-Azhar.

Good Night, and Good Luck – Die politische Kultur der amerikanischen Demokratie

Vier Jahre lang hat US-Präsident Donald Trump mit seinem Motto „America first“ die Weltordnung durcheinandergewirbelt. Nun, in der Endphase der Wahlstimmenauszählung, deutet alles auf eine Ablöse durch seinen demokratischen Konkurrenten Joe Biden hin. Viele Verbündete erhoffen sich von dem 77-Jährigen einen Kurswechsel: eine US-Außenpolitik, die wieder auf internationale Verträge setzt und auf Zusammenarbeit statt Twitter-Tiraden, wirtschaftlichen Druck und Sanktionen. Doch die Hängepartie um das Weiße Haus und die Aussicht auf ein dauerhaft gespaltenes Land sind ein Weckruf. Ein spannendes Kopf-an-Kopf Rennen ist nach wie vor im Gange. Die unklare Lage verschärft die ohnehin angespannte Stimmung in dem tief gespaltenen Land. Sollte Trump die Wahl verlieren, will er juristisch vorgehen. Die Republikaner wollen die Auszählung der Briefwahlstimmen anfechten und deklarieren die Vereinigten Staaten als Republik und nicht als Demokratie. Der Kulturkampf zwischen Links und Rechts, zwischen der weißen Elite, Afroamerikanern und Latinos spitzt sich zu. Live im Studio analysiert der US-amerikanische Historiker Mitchell Ash die politische Kultur seiner Heimat, erklärt das anachronistische Wahlsystem und die Besonderheiten der Verfassung.

Der unermüdliche Seelenforscher – Otto Kernberg im Porträt

Er wohnt nur wenige hundert Meter vom Trump-Tower entfernt. Mit seiner Pionierarbeit auf dem Gebiet der Persönlichkeitsstörungen, insbesondere zur Borderline-Störung und dem pathologischen Narzissmus, ist der Austro-Amerikaner Otto Kernberg weltberühmt geworden. Als vor rund zehn Jahren das beachtete Buch „Irre… eine heitere Seelenkunde“ des deutschen Psychiaters Manfred Lütz erschien, waren die darin erwähnten Beispiele für nichtkranke verrückte Menschen aus der Vergangenheit: Hitler, Stalin, Mao Tse-tung. Doch heute könne man in unser aller Gegenwart mit Protagonisten wie Donald Trump, Jair Bolsonaro oder Kim Jong-un geradezu aus dem Vollen schöpfen, wie der noch praktizierende 92-jährige Psychiater und Psychoanalytiker Otto Kernberg meint und Manfred Lütz in einer Neuauflage seines Erfolgswerks attestiert. Woran das liegt und was man dagegen tun kann? Kernberg sprach dazu vor einigen Monaten mit Lütz, der daraus das erst kürzlich erschienene Interviewbuch „Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?“ gemacht hat. Kernberg, der gebürtige Wiener und Sohn jüdischer Eltern, der durch die Flucht vor dem NS-Terror noch knapp mit dem Leben davonkam, hat sich sein Quäntchen schwarzen Humors auch nach mehr als 65 Berufsjahren und trotz seiner abenteuerlichen Biografie bewahrt.

Dokumentation „… der Karikatur ihre Freiheit!“ (23.30 Uhr)

Künstlerische Freiheit im Rahmen der Kunstform Karikatur ist Thema des 2016, anlässlich des ersten Jahrestags des Anschlags auf das Satriemagazin Charlie Hebdo entstandenen Films von Wolfgang Peschl. Wie weit darf die Freiheit des einen gehen, bevor sie den Andersdenkenden beleidigt? Wo sind ihre Grenzen, wie verwundbar ist sie und wie schnell kann künstlerische Freiheit zur Gefahr für den Einzelnen werden? Die Doku setzt sich eingehend mit diesen Fragen auseinander. Der Preis, den Karikaturisten für die Ausübung ihres Berufes bezahlen, ist angesichts der Gefahr, der sie sich aussetzen, ein sehr hoher, wie die Geschehnisse von Paris zeigen. Der Film erklärt, warum die Karikatur überhaupt existiert, ihre Eigenschaften und vielfältigen Formen, ihre Entwicklung und wo sie heute steht. Ausgehend vom Karikaturmuseum Krems, der größten Sammlung des Genres in Österreich, beantworten Karikaturisten und Experten, warum es gerade heute so wichtig ist, dass diese Kunstform frei ist.a

Dokumentation „Antschel“ (0.00 Uhr)

Verfolgt, unverstanden, geschmäht – geliebt verehrt, betrauert: Paul Celan, 1920 als Paul Antschel geboren, verbrachte seine Jugend in Czernowitz. 1941 besetzten die Nationalsozialisten die Stadt, Celans Eltern wurden von den Nazis deportiert und ermordet, er konnte als Zwangsarbeiter überleben. Anfangs hatte er es als Dichter schwer, galt als zu pathetisch, entsprach nicht den Normen der Lyrik der Nachkriegszeit. Heute gilt er als einer der wichtigsten deutschsprachigen Vertreter seiner Kunst. Autorin und Regisseurin Susanne Ayoub gestaltete einen filmischen Essay über den eigenwilligen Dichter. Sein Freund und Wegbegleiter, der Lyriker Klaus Demus, führt durch den Film, der von der Heimat in der Sprache handelt, die für Celan den einzigen Zufluchtsort bedeutete.

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