Milchbranche: Kostengerechte Erzeugerpreise für Nachhaltigkeit entscheidend
„Leitfaden Milchwirtschaft 2030“ von LKÖ, ÖRV und VÖM zeigt Handlungsfelder auf
Wien (OTS) – Österreichs Milchbranche wirtschaftet auf höchstem Qualitäts- und Nachhaltigkeitsniveau, kämpft allerdings mit erheblichen Herausforderungen. Welche Maßnahmen daher für die Zukunft gesetzt werden müssen, beleuchteten Landwirtschaftskammer Österreich (LK)-Präsident Josef Moosbrugger, der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), Helmut Petschar, und Josef Plank, Agrarabteilungsleiter beim Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV), heute bei einem gemeinsamen Online-Pressegespräch. Anlässlich des Weltmilchtages am 1. Juni wurde auch der neue „Leitfaden Milchwirtschaft 2030“ thematisiert. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Orientierung, die in den letzten Monaten zusammen mit einer Expertenbefragung erarbeitet worden ist. Diese zeigt auf, dass insbesondere die Beibehaltung der Mehrwert- und Qualitätsstrategie sowie eine Honorierung über bessere Wertschöpfung und Preise wichtige Zukunftsfragen darstellen.
Moosbrugger: Positionierung am Markt und gegenüber Handel entscheidend
„Die standortangepasste Landwirtschaft, die sich Menschen weltweit wünschen, ist in Österreich gelebte Realität. Denn für all das in unseren wunderschönen Regionen anfallende Gras und Heu gibt es keine bessere Verwertungsform als Wiederkäuer. Und dazu zählen in wesentlichem Maße Kühe, deren Produkte daher auch viel umwelt- und klimafreundlicher entstehen als in anderen Ländern der Welt. Darüber hinaus stammen 100% der angelieferten Milch aus gentechnikfreier Fütterung, 92% zählen zur höchsten Güteklasse, 66% kommen aus dem Berggebiet, 19% sind Bio- und 17% Heumilch. Das ist eine Spitzenqualität, die man schmeckt“, betonte Moosbrugger.
„Gleichzeitig ist der Markt von enormen Herausforderungen geprägt, die nicht nur bäuerliche Existenzen, sondern auch vor- und nachgelagerte Bereiche samt Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, Landschaftspflege und Tourismus bedrohen. Zu diesen Herausforderungen zählt unter anderem die kaum mehr steigerbare Handelskonzentration, der eine vergleichsweise kleinstrukturierte Milch- und Molkereibranche gegenübersteht. Die Anforderungen an die Bauernhöfe steigen durch zunehmende Auflagen und Standards, während die Abgeltungen hinterherhinken. Da unsere enorme Produktdifferenzierung zwar eine besondere Stärke, aber kein Allheilmittel ist, habe ich im März 2020 die Erarbeitung einer Milchwirtschaftsstrategie angestoßen. Danke an alle Mitwirkenden, insbesondere an den ÖRV“, hob der LKÖ-Präsident hervor.
„Die Expertenbefragung zeigt ganz klar: Wir sollten uns als Milchbranche gemeinsam am Markt und gegenüber dem Handel besser positionieren. Mithilfe einer effizienten Ombudsstelle müssen unfaire Geschäftspraktiken und mit einem Österreich-Pakt Dumpingaktionen -insbesondere mit Billigimportware, die nicht unseren hohen Standards entspricht – eingefangen werden. Darüber hinaus gilt es, die verpflichtende Herkunftskennzeichnung gemäß Regierungsprogramm endlich umzusetzen. Ziel sind kosten- und aufwandsgerechte Erzeugerpreise, damit nicht noch mehr Betriebe ihre Stalltüren für immer schließen. Die harte und nachhaltige bäuerliche Arbeit muss sich wieder lohnen“, forderte Moosbrugger.
Petschar: Standort Österreich absichern und faire Wertschöpfungsverteilung schaffen
„Die hohen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards machen österreichische Milchprodukte zu besonderen, im In- und Ausland höchst beliebten Lebensmitteln. Die Corona-Krise hat darüber hinaus bewiesen, dass unsere Branche eine verlässliche Säule der heimischen Ernährungssicherheit darstellt. Zentraler strategischer Ansatz muss es daher sein, die vielfältigen Leistungen der heimischen Milchwirtschaft abzusichern, leistungsgerechte Erzeugerpreise zu erzielen und Österreich mit geeigneten Maßnahmen als Verarbeitungsstandort weiterzuentwickeln“, erklärte Petschar.
„Eine funktionierende Lebensmittelkette mit einer fairen Wertschöpfungsverteilung ist die Grundvoraussetzung, um auch für vor-und nachgelagerte Wirtschaft, Umwelt, Tierwohl und Ernährungssicherheit positive Effekte zu erzielen. Unsere Milchwirtschaft ist darüber hinaus die agrarische Schlüsselbranche für die Berggebiete, denn sie sichert Wertschöpfung und eine attraktive Landschaft als Basis für den Tourismus. Neben besseren, leistungsgerechten Preisen ist daher die Unterstützung dieser Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstrategie in der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik von enormer Bedeutung“, betonte Petschar.
„Außerdem ist Milch aufgrund ihrer natürlichen und ausgewogenen Zusammensetzung ein sehr hochwertiges Lebensmittel und wichtiger Lieferant von Eiweiß, Mineralien und Vitaminen. Unlauteren Versuchen, dieses zu Recht sehr positive Image von Milch und Milchprodukten und deren geschützte Bezeichnungen für Imitate zu verwenden, muss auch in Zukunft mit einem strengen Bezeichnungsschutz entgegengetreten werden. Ebenso sollte es den Konsumenten mittels verpflichtender Herkunftskennzeichnung ermöglicht werden, gezielt zu unserer höheren Qualität zu greifen“, so der VÖM-Präsident im Vorfeld des Weltmilchtages.
Plank: Kühe als sinnvolle Grünlandverwerter kommunizieren
„57 detaillierte Einzelinterviews waren für die Expertengruppe eine wertvolle Hilfestellung für die Ausarbeitung unserer ‚Leitlinie Milchwirtschaft 2030‘. Ein zentrales Ergebnis ist, dass wir auf unsere Stärken bauen müssen, wozu insbesondere die hohe Nachhaltigkeit zählt. Dabei reicht es allerdings nicht, nur die ökologischen Zielsetzungen in den Mittelpunkt zu stellen, denn zu echter Nachhaltigkeit gehört mehr. Die ökonomischen und sozioökonomischen Themen sind ebenso entscheidend für einen zukunftsfähigen Weg der Milchbranche und eine hochwertige Lebensmittelversorgung. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu verbessern, müssen wir den Kostendruck durch überbordende Abgaben, Auflagen und bürokratischen Aufwand verringern“, unterstrich Plank als Leiter der ÖRV-Abteilung für Wirtschafts-, Agrar- und EU-Fragen und der Expertengruppe zur Erstellung der Leitlinien.
„Die Stärken der Nutzung von Grünland für die menschliche Ernährung über Wiederkäuer müssen herausgearbeitet und kommuniziert werden. Das stark zellulosehaltige Material ist nur so für die menschliche Ernährung nutzbar und keinesfalls ein Haupttreiber für die globale Erwärmung. Wir brauchen eine kompakte, fachübergreifende wissenschaftliche Aufarbeitung und Gesamtbilanzierung dieses Themas“, forderte Plank. „Ganz entscheidend bleibt, dass die Milchbauern und -verarbeiter nicht immer weniger von dem bekommen, was die Konsumenten bezahlen. Es gilt daher, gemeinsam die Chancen zu nutzen und die Stärken weiterzuentwickeln“, betonte der Agrarexperte, der den „Leitfaden Milchwirtschaft 2030“ nicht als Schlusspunkt, sondern vielmehr als Auftakt eines Zukunftsprozesses wertet. Alle drei Branchenvertreter sprachen sich dafür aus, die Weiterentwicklung der Milchbranche im Rahmen der Expertengruppe fortzusetzen. (Schluss)
Landwirtschaftskammer (LK) Österreich
Mag. Claudia Jung-Leithner
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