Bundesrat: FPÖ wirft Verkehrsministerin Gewessler „Autofahrerbashing“ vor

Dringliche Anfrage zu Evaluierung von Straßenbauprojekten, Strafen für Raser und Klimaschutz-Maßnahmen

Wien (PK) – Die von Verkehrsministerin Leonore Gewessler beauftragte Evaluierung aller großen Straßenbauprojekte beschäftigte heute auch den Bundesrat. Die FPÖ warf Gewessler in einer Dringlichen Anfrage vor, „Autofahrerbashing“ zu betreiben, wobei sie nicht nur den vorläufigen Stopp einzelner Bauvorhaben, sondern auch die vergangenen Dezember beschlossene Anhebung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) und das „Raserpaket“ ins Visier nahm. Durch die „exorbitanten Steuererhöhungen“ und die teilweise Verdoppelung der Strafen bei deutlich überhöhter Geschwindigkeit würden die AutofahrerInnen „abgezockt“, kritisierten FPÖ-Bundesrat Josef Ofner und seine ParteikollegInnen. Auch wer nur „zufällig“ einmal zu schnell unterwegs sei, müsse enorme Strafen zahlen. Auch am Erstentwurf für ein Klimaschutzgesetz lässt die FPÖ kein gutes Haar: Damit würde die „Corona-Diktatur“ durch eine „Klimadiktatur“ abgelöst, befürchtet sie.

Gewessler hielt der FPÖ entgegen, dass es notwendig sei, große Straßenbauvorhaben noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Schließlich würden die heutigen Bauprojekte enorme Auswirkungen auf die Zukunft haben, auch was den Klimaschutz betrifft. Nichts werde der Bevölkerung so teuer zu stehen kommen wie unüberlegte Entscheidungen, mahnte sie. Abgeschlossen sein wird die Evaluierung ihr zufolge im Herbst dieses Jahres.

FPÖ warnt vor „Klimadiktatur“

Begründet wurde die Dringliche Anfrage von Josef Ofner (FPÖ/K). Er warf der Bundesregierung vor, Österreich von der „Corona-Diktatur“ geradewegs in eine „Klimadiktatur“ zu führen. Hinter Umweltministerin Gewessler verberge sich „eine unbarmherzige Klimaaktivistin“ mit „realitätsfernen“ Ansichten, die die notwendige Ganzheitlichkeit außer Acht lasse, meinte er und warnte vor unverhältnismäßigen Regulierungen und hohen Kosten für Unternehmen und die Bevölkerung durch das geplante Klimaschutzgesetz. Zudem hat Ofner die Befürchtung, dass die Natur der „Klimahysterie“ zum Opfer fallen werde, wobei er sich konkret gegen neue Windräder auf Almen und Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen wandte.

Massive Kritik übte Ofner auch an der von Gewessler beauftragten Evaluierung aller großen Straßenbauprojekte. Mit dem Baustopp von 36 Projekten würden nicht nur wichtige Vorhaben wie der Lobautunnel blockiert, machte er geltend. Vielmehr sei die Vorgangsweise auch in Bezug auf die Verkehrssicherheit mehr als unverantwortlich. Seiner Meinung nach ist Gewessler damit persönlich für etwaige Todesopfer auf betroffenen Straßenstrecken verantwortlich. In ihrer Kritik bestärkt sieht sich die FPÖ durch Aussagen der Landeshauptleute von Vorarlberg und Wien, Markus Wallner und Michael Ludwig, sowie des niederösterreichischen Verkehrslandesrats Ludwig Schleritzko.

In Zusammenhang mit der NoVA-Erhöhung und dem „Raserpaket“ warf Ofner Gewessler vor, die von ihr offenbar „ungeliebten Autofahrer“ weiter zu drangsalieren und zur Kasse zu bitten. Durch die NoVA-Erhöhung würden „die fleißigen österreichischen Steuerzahler“ belastet, die ein Familienauto benötigten. Zudem könne es vorkommen, dass man einmal um 30 km/h zu schnell fahre, meinte Ofner. Versäumnisse ortet der Kärntner Bundesrat dagegen beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs und bei einheitlichen Öffi-Tarifen.

Bekräftigt wurde die Kritik Ofners von Markus Leinfellner (FPÖ/St) und Michael Bernard (FPÖ/NÖ). Es sei absurd, den Ausbau der S36 sowie den Ausbau der A9 bei Wildon noch weiter zu verzögern, sagte Leinfellner. Er bezweifelte außerdem die Umweltfreundlichkeit von Windkraftanlagen. Ein von Bernard eingebrachter Entschließungsantrag zielte darauf ab, die NoVA-Erhöhung rückgängig zu machen, dieser fand bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit. Je 30 BundesrätInnen stimmten für und gegen die Initiative.

Gewessler: Kampf gegen die Klimakrise ist herausfordernd

Umweltministerin Gewessler wies im Rahmen der Beantwortung der Dringlichen Anfrage auf die Bedeutung der Klimaschutzpolitik hin. Österreich stehe im Kampf gegen die Klimakrise vor enormen Herausforderungen, bekräftigte sie. Man müsse nicht in die Ferne blicken, um zu sehen, was auf die Bevölkerung zukomme. Hitzewellen, Tornados und Hagelunwetter seien nur ein Vorgeschmack auf „die größte Krise unserer Zeit“. Gewessler hält die Politik dafür verantwortlich, diese Entwicklungen zu stoppen. Dass Österreich am richtigen Kurs ist, sieht sie durch das „Fit for 55“-Paket der Europäischen Kommission bestätigt.

Die Evaluierung des Straßenbauprogramms wurde laut Gewessler bereits im vergangenen Jahr mit der ASFINAG vereinbart. Schließlich komme der Infrastruktur bei der Erreichung der Klimaziele eine besondere Bedeutung zu. Es sei für den Klimaschutz eine bedeutende Frage, wie sich die Bevölkerung in Zukunft bewege. Selbstverständlich würden aber auch andere Kriterien wie die Verkehrssicherheit oder die Lärmbelastung der Bevölkerung in die Evaluierung einfließen, versicherte sie. Nicht in Frage kommt es für Gewessler, die noch bis Herbst laufende Evaluierung zu stoppen: Nichts werde der Bevölkerung so teuer zu stehen kommen, wie unüberlegte Entscheidungen, ist sie überzeugt.

Auf laufende Genehmigungsverfahren, die zum Teil in der Kompetenz der Länder liegen, hat die Evaluierung laut Gewessler keine Auswirkungen. Ebenso würden bereits laufende Bautätigkeiten fortgeführt. Den Vorwurf, dass der Kampf gegen die Klimakrise auf dem Rücken sozial schwacher Gruppen geführt wird, ließ die Ministerin nicht gelten. Sie verwies etwa auf die Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Einkommensteuer und die gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte bei Sanierungsmaßnahmen.

In Beantwortung der einzelnen Fragen führte Gewessler unter anderem aus, dass die höheren Strafen für SchnellfahrerInnen der Erhöhung der Verkehrssicherheit dienen. Zu keinem Zeitpunkt in Diskussion gestanden sei es, für den privaten Autokauf gesetzlich einen Rechtfertigungsgrund zu verankern. Was Geschwindigkeitsbegrenzungen betrifft, verwies sie auf die teilweise Zuständigkeit von Ländern und Gemeinden. Das Klimaschutzgesetz werde nach der Abstimmung innerhalb der Regierung in Begutachtung geschickt.

Straßenbauprojekte: ÖVP verweist auf Verunsicherung in den Bundesländern

Hinter die Klimapolitik der Regierung stellte sich auch Adi Gross (Grüne/V). Österreich dürfe nicht so weitermachen wie bisher, bekräftigte er. Das gelte insbesonders auch für den Verkehr. Die Debatte, ob geplante Straßenprojekte noch zeitgemäß seien, müsse jetzt geführt werden.

Demgegenüber meinte der niederösterreichische ÖVP-Bundesrat Karl Bader, es sei kein Geheimnis, dass die Koalitionsparteien nicht in allen Fragen einer Meinung seien. Er verstehe, dass es in manchen Bundesländern wegen der Evaluierung aller großen Straßenbauprojekte Verunsicherung gebe, erklärte er. Schließlich warte die Bevölkerung vielerorts schon „sehnsüchtig“ auf eine Verkehrsentlastung. Es brauche auch niemand zu glauben, dass Staus umweltfreundlicher seien als Straßenbauten, hielt Bader fest. Zudem gehe es um Verkehrssicherheit und tausende Arbeitsplätze.

Bader hob zudem den Aspekt der Planungssicherheit hervor. Wenn Entscheidungen getroffen wurden, müsse man sich auf die Politik verlassen können, sagte er. Ausdrücklich bedankte sich der Bundesrat bei Gewessler für die Klarstellung, dass laufende Verfahren und schon laufende Projekte weitergeführt würden. Kein Verständnis hat Bader für die Kritik der FPÖ am „Raserpaket“: Es müsse „ordentliche Strafen“ für massive Geschwindigkeitsübertretungen geben.

SPÖ kritisiert NoVA-Erhöhung

Seitens der SPÖ übten Horst Schachner und David Egger Kritik an der im Dezember beschlossenen NoVA-Erhöhung. Diese sei kein Ruhmesblatt für Türkis-Grün gewesen, sagte Schachner. Einen schlechteren Zeitpunkg für Steuererhöhungen hätte es nicht geben können, zumal vor allem Klein- und Mittelbetriebe sowie Familien betroffen seien. Schachner bezweifelt außerdem, dass die NoVA-Erhöhung positive Klimaeffekte bringt. Mehr Tempo fordert die SPÖ beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs und bei der Umsetzung des 1-2-3-Tickets. Egger appellierte außerdem an Umweltministerin Gewessler, sich für den Ausbau der Murtalbahn einzusetzen. (Fortsetzung Bundesrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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