Volkshilfe & Ärztekammer: Bereits Kleinkinder stark gesundheitlich betroffen von Armut
Umfrage unter Ärzt*innen mit alarmierenden Ergebnissen – Einführung einer Kindergrundsicherung in Österreich gefordert.
Wien (OTS) – 85 Prozent der österreichischen Ärzt*innen beobachten, dass armutsbetroffene Kinder und Jugendliche häufiger krank sind. Das ist nur eines von vielen alarmierenden Ergebnissen einer aktuellen Umfrage der Ärztekammern in Wien, Niederösterreich, Burgenland, Salzburg, Vorarlberg und Kärnten in Zusammenarbeit mit der Volkshilfe Österreich. ****
Bereits zum zweiten Mal baten Ärztekammer und Volkshilfe Ärzt*innen um ihre professionelle Einschätzung des Zusammenhangs von Kinderarmut und Kindergesundheit in Österreich. Nach der ersten Umfrage aus dem Jahr 2019 wurde diesmal auch der Einfluss von Corona miteinbezogen. Auch der Frage, wie stark bereits Säuglinge und Kleinkinder gesundheitlich betroffen sind, wurde in der Umfrage nachgegangen. Teilgenommen haben rund 450 Ärzt*innen aus sechs Bundesländern.
Thomas Szekeres, Präsident der Wiener und Österreichischen Ärztekammer, betont, dass die Corona-Pandemie die Situation von armutsbetroffenen Kindern weiter verschärft hat: „Die Zahl von psychisch bedingten Erkrankungen, insbesonders bei Kindern und Jugendlichen, ist in die Höhe geschnellt, das Betreuungsangebot im Gegenzug aber nicht. Es ist höchste Zeit, hier effektiv gegenzusteuern.“, so Szekeres im Vorfeld der Veröffentlichung der Umfrage.
Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, ergänzend dazu: „Ein Leben in Armut schädigt die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Das ist wissenschaftlich vielfach bestätigt und keine Neuigkeit. In unserer gemeinsamen Umfrage wollten wir daher genauer beleuchten, wie vielfältig diese Schädigungen sein können und wie früh sie beginnen können. Die Ergebnisse sind alarmierend und zeigen großen Handlungsbedarf.“
Ursachen für gesundheitliche Ungleichheit vor allem strukturell
82 Prozent der befragten Ärzt*innen sagen, Kinder sind aufgrund der psychosomatischen Folgen der Armutslage – etwa schlechte Wohnverhältnisse, wie Schimmel oder Kälte, aber auch Mobbing und Stress – häufiger krank. Bei den Kinderärzt*innen nennen gar 89 Prozent diese Ursache. Der permanente existentielle Stress, den armutsbetroffene Kinder und Jugendliche tagtäglich erleben, schädigt also nach Einschätzung der Befragten massiv die Gesundheit der Kinder.
90 Prozent der Kinderärzt*innen sehen vermehrt psychosomatische Belastungen
Die Frage, ob bei Kindern aus armutsgefährdeten Familien vermehrt psychosomatische Belastungen beobachtet werden, bejahen drei Viertel der Befragten. Die Gruppe der Kinderärzt*innen, die an der Umfrage teilnahm, bestätigt dies mit 90 Prozent noch einmal deutlich stärker.
Die Corona-Krise als besondere Belastung
85 Prozent der befragten Mediziner*innen gaben an, dass armutsbetroffene Kinder in ihrer Wahrnehmung in der Corona-Krise stärker psychisch belastet wurden als Kinder aus finanziell gut abgesicherten Familien. Bei Kinderärzt*innen sowie Kinder- und Jugendpsychiater*innen sind es sogar 91 Prozent, die diese Einschätzung teilen. Es verwundert daher nicht, dass Ärzt*innen unter anderem einen Ausbau an Psychotherapieplätzen fordern.
Kleinkinder sind bereits stark betroffen
Sechs von zehn Befragten bemerken in ihrer beruflichen Praxis bei Armutsbetroffenen zudem einen schlechteren Gesundheitszustand schon im Säuglings- und Kleinkindalter. 83 Prozent der befragten Kinderärzt*innen liegen bei dieser Einschätzung. Genannt werden unter anderem Entwicklungsverzögerungen im sprachlichen und motorischen Bereich. Die Volkshilfe fordert in diesem Zusammenhang den massiven Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen für alle Altersgruppen und den Ausbau an niederschwelligen, kostenfreien Angeboten für Eltern und Kleinkinder.
Ärzt*innen fordern starke finanzielle Absicherung von Kindern
76 Prozent der Befragten sagen auch, dass es eine starke finanzielle Absicherung von Kindern und Jugendlichen braucht, um gesundheitliche Ungleichheit auszugleichen.
„Wir wissen aus unserer Forschung, dass eine Kindergrundsicherung wirkt und die gesundheitlichen Belastungen und Symptome der Kinder durch die nachhaltige finanzielle Sicherung deutlich abnehmen. Dass auch die Mehrheit der befragten Ärzt*innen eine starke finanzielle Absicherung fordert, bestätigt unseren Weg im Kampf gegen Kinderarmut und für die Einführung einer Kindergrundsicherung in Österreich.“, so Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger abschließend.
Volkshilfe Österreich
Ruth Schink
+43 676 83 402 222
ruth.schink@volkshilfe.at
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