Hauptausschuss befasst sich mit Berichten zur Förderung der Erinnerungskultur in Österreich

Berichte zu Zukunftsfonds, Nationalfonds, Entschädigungsfonds und Fonds zur Erhaltung jüdischer Friedhöfe

Wien (PK) – In seiner heutigen Sitzung widmete sich der Hauptausschuss den Berichten von Einrichtungen, die einen verantwortungsvollen Umgang mit der österreichischen Vergangenheit sicherstellen. Der Jahresbericht 2020 des Zukunftsfonds der Republik Österreich berichtet über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Projektförderungen des Fonds. Die Aktivitäten des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wurden anhand der Geschäftsberichte des Nationalfonds für 2019 und 2020 behandelt. Der Hauptausschuss befasste sich auch mit den Geschäftsberichten des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus für 2019 und 2020 sowie mit den Geschäftsberichten des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich für die Jahre 2019 und 2020. Alle Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

COVID-19 wirkte sich auch auf Arbeit des Zukunftsfonds aus

Zum Jahresbericht 2020 des Zukunftsfonds der Republik Österreich standen den Abgeordneten der Vorsitzende des Kuratoriums des Zukunftsfonds Herwig Hösele und die Generalsekretärin des Fonds Anita Dumfahrt als Auskunftspersonen zur Verfügung.

Wie Herwig Hösele berichtete, betraf im Jahr 2020 die Corona-Pandemie auch die Arbeit des Zukunftsfonds. Laut Jahresbericht ging die Zahl an genehmigten Projekten COVID 19-bedingt etwas zurück, im Vorjahr somit von 357 eingereichten Projekten 288 genehmigt, wobei acht genehmigte Anträge bereits aus 2019 stammten. Der Gesamtbetrag der 2020 genehmigten Projekte betrug 1.596.273 €, ausbezahlt wurden 1.529.163,69 €. Durch Rückflüsse an den Zukunftsfonds machten die Nettoausgaben allerdings nur 1.520.900,74 € aus, ist dem Bericht zu entnehmen. Seit 2018 erhält der Fonds jährlich Bundesmittel in der Höhe von 2 Mio. €. Bei seiner Gründung 2005 als verzehrender Fonds eingerichtet, reduzierte sich das Vermögen des Zukunftsfonds von 23,23 Mio. € (2006) auf 2,20 Mio. € (2020). Durch die jährlichen Bundeszuweisungen kann der Fonds keine Veranlagungen mehr tätigen, erklärt der Bericht den dargestellten Rückgang an Zinseinnahmen. (114/HA).

Michaela Steinacker (ÖVP) dankte dem Fonds für die wichtige Arbeit, die auch unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie fortgeführt werde. In diesem Zusammenhang wollte sie wissen, ob Projektanträge auch verlängert werden können. Sie erkundigte sich auch nach den aktuellen Schwerpunkten.

Generalsekretärin Dumfahrt erklärte, als Reaktion auf die Pandemie sei man teils auf neue Formate ausgewichen. Veranstaltungen wurden teilweise online abgehalten. Zudem führte die Schließung von Archiven sowie Bibliotheken dazu, dass bei zahlreichen Projekten um Fristverlängerung angesucht wurde. Großteils habe der Fonds derartige Ansuchen genehmigt. Schwerpunkte würden sich aus den Einreichungen für Projekte ergeben, die sich insbesondere an Gedenkjahren orientieren, führte Dumfahrt aus.

Eva Blimlinger (Grüne) regte an, die Höhe von Projektförderungen zu überdenken. So könnte es sinnvoll sein, weniger Projekte zu fördern, dafür aber mit größeren Beträgen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Hösele sagte, das Kuratorium stelle sich diesen Grundsatzfragen immer wieder. Er gebe aber zu bedenken, dass auch kleinere Projekte wichtige regionale Impulse des Gedenkens setzen können. Grundsätzlich sei die Finanzierung von Projekten bis Ende 2022 möglich. Er werde sich zeitgerecht bezüglich einer Verlängerung der Ausstattung des Fonds an die Abgeordneten werden, kündigte Hösele an.

Helmut Brandstätter (NEOS) meinte, es wäre wichtig, die Verbreitung der Ergebnisse der Projekte zu sichern, sowie neue Fragestellungen aufzugreifen. Als Beispiel nannte er das Auftauchen neuer Verschwörungstheorien, oft mit antisemitischer Richtung, während der COVID-19-Pandemie.

Gesetzlich festgelegte Aufgabe des Fonds ist es laut Hösele, neben dem Gedenken der Opfer des nationalsozialistischen Regimes auch an die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft zu erinnern und zur Förderung der Achtung der Menschenrechte beizutragen. Wissenschaftliche Arbeiten zu diesen Themen können mit Mitteln des Zukunftsfonds finanziert werden. In fünfzehn Jahren der Arbeit habe man rund 3.000 solcher Projekte gefördert. Der Fonds befasse sich auch mit Wegen der Vermittlung der Ergebnisse, etwa durch Buchpublikationen, Filme und einen digitalen Medienkoffer für Schulen. Zudem überlege man auch neue Wege der Vermittlung, unterstrich Hösele.

Nationalfonds konnte 2020 große Projekte abschließen

Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus konnte im Jahr 2020 auf 25 Jahre umfangreiche Tätigkeit zurückblicken. Das Aufgabengebiet hat sich seit seiner Gründung 1995 stark ausgeweitet, worüber auch die Geschäftsberichte für 2019 (116/HA) und 2020 (119/HA) detaillierte Auskunft geben. Die Mitglieder des Hauptausschusses zollten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fonds Anerkennung für deren Leistungen. Beide Geschäftsberichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Generalsekretärin Hannah Lessing, die den Fonds seit dessen Einrichtung leitet, erläuterte, dass der Nationalfonds für die Zahlungen an Opfer des Nationalsozialismus verantwortlich ist. Zudem fördere er Projekte zur Unterstützung von Opfern des Nationalsozialismus sowie Projekte, die der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals seiner Opfer oder dem Erinnern und Gedenken dienen. Eine wichtige Aufgabe sei in den letzten Jahren neben der Unterstützung und Beratung von Opfern des Nationalsozialismus und ihren Angehörigen die Unterstützung beim Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft geworden, führte Lessing aus. Insgesamt gebe es bisher 17.000 Einreichungen für die Staatsbürgerschaft, berichte Lessing. Derzeit beschäftige sich der Nationalfonds mit einem Optimierungsplan für seine Tätigkeiten und der Frage, wie er sich für die Zukunft aufstellen müsse. Teil der Überlegungen sei es, mehr HistorikerInnen anzustellen, um neue Aufgabenstellungen bewältigen zu können.

Der Fonds trage auch zur Förderung und Verbreitung von Wissen um den Nationalsozialismus und seine Folgen bei. Wichtig sei die Erfassung und Bewahrung der von Nationalfonds und Allgemeinem Entschädigungsfonds erstellten Verfahrens- und Verfolgungsdokumentation. Ein zukunftsweisendes Projekt in diesem Zusammenhang ist die Digitalisierung der Aktenbestände beider Fonds. Lebensgeschichtliche Zeugnisse von Opfern des Nationalsozialismus werden gesammelt, wissenschaftlich erforscht und veröffentlicht. Der Nationalfonds habe sich durch seine Tätigkeit auch zu einer allgemeinen Auskunftsstelle entwickelt, an die sich zum einen AntragstellerInnen und Privatpersonen, aber auch wissenschaftlich Forschende und Institutionen regelmäßig wenden. Die Digitalisierung werde man, selbstverständlich unter Berücksichtigung des Datenschutzes, vorantreiben, versicherte Lessing Abgeordnete Blimlinger (Grüne).

Trotz der erschwerten Bedingungen sei es gelungen, die Koordinierung der Neugestaltung der österreichischen Dauerausstellung im ehemaligen Konzentrationslager und nunmehrigen Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau und die Gewährleistung ihres Betriebes durch den Nationalfonds sicherzustellen, betonte Generalsekretärin Lessing. Ebenso zeichne der Nationalfonds für die Verwaltung der Finanzen für die Errichtung einer Namensmauern Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich verantwortlich, ein Projekt, das nun weitgehend abgeschlossen sei. Zuletzt sei der Nationalfonds mit der Ausschreibung des mit 30.000 € dotierten Simon-Wiesenthal-Preises beauftragt worden, die sehr erfolgreich verlaufen sei, teilte Lessing mit. Die Frage der Vermittlung des Wissens über die Shoah sei dem Nationalfonds ein großes Anliegen, versicherte die Generalsekretärin des Fonds Abgeordnetem Brandstätter (NEOS). Dabei überlege man auch neue Formen, welche Jugendliche heute ansprechen können. Dazu arbeite man mit Schulen und mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen.

Dem Nationalfonds obliegt auch die Verwertung jener Objekte, deren EigentümerInnen nicht mehr festgestellt werden können. Die Erlöse kommen Opfern nationalsozialistischer Verfolgung zu Gute. Der Fonds überarbeite gerade seine Richtlinien, damit Einmalzahlungen auch weiterhin geleistet werden könne, teilte Lessing den Abgeordneten dazu mit. Weltweit gebe es noch rund 4.000, oft hochbetagte und in prekären Verhältnissen lebende Überlebende aus Österreich. Der Nationalfonds unterstütze sie mit Kosten für Altersheime und medizinische Versorgung, erfuhr Abgeordneter Martin Engelberg (ÖVP).

Allgemeiner Entschädigungsfonds hat 2020 seine Arbeit abgeschlossen

Der Hauptausschuss befasste sich auch mit den Geschäftsberichten des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus für das Jahr 2019 (117/HA) und das Jahr 2020 (120/HA). Dem Nationalfonds fiel die Aufgabe zu, den Allgemeinen Entschädigungsfonds in administrativer Hinsicht zu unterstützen, wobei ein Großteil der Aufgaben des Allgemeinen Entschädigungsfonds mit Ende 2019 beendet wurde. 2020 sei die Abwicklung von Restagenden durchgeführt worden, berichte Generalsekretärin Lessing. Im Jahr 2020 seien keine Entschädigungen mehr erfolgt, es gebe auch kein Personal mehr.

Auf die Frage von Abgeordnetem Brandstätter (NEOS), ob der Nationalfonds noch längerfristige Agenden übernommen habe, erläuterte Lessing, dass sich Teile der Aufgaben des Fonds mit dem Nationalfonds überschneiden. Aus der Zuständigkeit für Kunstrestitution habe sich ergeben, dass der Nationalfonds weiterhin Anfragen zu entzogenen Kulturgütern beantworte. Im Allgemeinen gehe es hier allerdings nicht um Kunstschätze mit hohem materiellen Wert, sondern um Objekte der Erinnerung. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Restitution bestehe für Privatpersonen zwar nicht. Allerdings komme es vor, dass ErbInnen von sich aus bereit sind, Objekte mit fragwürdiger Herkunft, etwa Bilder, an Nachkommen von Opfern zu restituieren. Hier unterstütze der Nationalfonds mit Bewusstseinsbildung und Recherche.

Der Allgemeine Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus wurde 2001 zur umfassenden Lösung offener Fragen der Entschädigung von NS-Opfern für Verluste und Schäden eingerichtet, die als Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich entstanden waren. Der Fonds hatte die Aufgabe, jene Verluste, die von früheren Rückstellungs- oder Entschädigungsmaßnahmen nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden waren, zu entschädigen. Ein Großteil der Aufgaben des Allgemeinen Entschädigungsfonds wurde mit Ende des Jahres 2020 beendet. Bis 31. August 2020 konnten Anträge auf Wiederaufnahme von Verfahren vor der beim Allgemeinen Entschädigungsfonds eingerichteten Schiedsinstanz für Naturalrestitution gestellt werden. Laut Bericht wurden jedoch keine diesbezüglichen Anträge eingebracht.

Rund 25.000 NS-Opfer oder deren Erben und Erbinnen erhielten Entschädigungszahlungen. Wie der Geschäftsbericht 2020 des Fonds festhält, hat das Antragskomitee insgesamt über 151.949 Entschädigungsforderungen von NS-Opfern entschieden, wobei Forderungen für 94.335 Verluste gestellt wurden. Insgesamt wurden Forderungen in Höhe von rund 1,6 Mrd. US-Dollar vom Antragskomitee anerkannt. Der Schlussbericht des unabhängigen international besetzten Antragskomitees des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus ist im April 2020 erschienen. In Fragen der Naturalrestitution wurden insgesamt 1.582 Entscheidungen über 2.703 Anträge ausgesprochen. Der Gesamtwert des bis zum 31. Dezember 2020 zur Naturalrestitution empfohlenen Liegenschaftsvermögens belief sich auf geschätzte 48,2 Mio. €, davon wurden 9,8 Mio. € im Wege eines vergleichbaren Vermögenswerts zur Auszahlung empfohlen.

Geschäftsberichte des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich für die Jahr 2019 und 2020

Der Fonds zur Instandsetzung jüdischer Friedhöfe wurde im Jahr 2010 gesetzlich eingerichtet und stellt auch einen Teil der Verpflichtungen dar, die Österreich im Jahr 2001 im Rahmen des Abkommens mit den USA (Washingtoner Abkommen) eingegangen ist. Die Administration des Fonds obliege dem Nationalfonds der Republik Österreich, erläuterte dessen Generalsekretärin Hannah Lessing.

2019 hat die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) laut Geschäftsbericht des Fonds (118/HA) Förderanträge zu Folgeprojekten betreffend die jüdischen Friedhöfe Mistelbach, Zentralfriedhof Tor 1 und Tor 4 und den jüdischen Friedhof Währing eingebracht. Bei letzterem bestand „Gefahr in Verzug“, wie der Bericht vermerkt. Insgesamt wurden für das Jahr 2019 Fördermittel in der Höhe von 823.308 € genehmigt. Laut dem Geschäftsbericht zu 2020 (121/HA) wurden im Berichtsjahr von der IKG-Wien Förderanträge über Teilprojekte betreffend die jüdischen Friedhöfe Baden, Klosterneuburg, Linz und Graz sowie Waidhofen an der Thaya und Oberstockstall vorgelegt. Die genehmigten Fördermittel betrugen 529.353 €. Die bisher aufgewendeten Fördermittel belaufen sich für die Jahre 2011 bis 2020 auf insgesamt rund 7.300.924 €. Damit verbleibt eine Summe von rund 3.705.357 €. (Schluss) sox

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