TU Linz? Plädoyer für bildungspolitische Vernunft

Wir fordern den Übergang zu einer stabilen Phase der vernunftorientierten Analyse, der Planung und des sorgsamen Umgangs mit Steuergeldern

Wien (OTS) – Die Stellungnahmen zum Ministerialentwurf zur Gründung einer TU Linz sind auf Basis differenzierter Begründungen aus dem universitären Bereich fast ausnahmslos negativ ausgefallen. Bemerkenswert, dass sogar das Rektorat der JKU (Johannes Kepler-Universität Linz) die fachliche Frage kritisch aufwirft, wie die neue TU dem namensgebenden Querschnittsthema „Digitalisierung und digitale Transformation” ohne Herausbildung von Disziplinen gerecht werden soll, falls diese nicht an der TU in Linz ein zweites Mal aufgebaut werden sollten.

Angesichts solch fundamentaler Kritik macht die unbeholfene Reaktion des Ministers mit Hinweis auf typisch österreichischen Nebochantismus allem Neuen gegenüber doch einigermaßen fassungslos. In akademischen Kreisen würde man eigentlich eine sachliche Diskussion wünschen und erwarten. Der oberösterreichische Landeshauptmann assistiert sogar mit dem Ex-Google IT-Sicherheitschef als internationalen Experten zum Beleg für die riesige Chance für die gesamte Republik. Ein kühnes Argument, doch bleibt keine Zeit mehr, es im Stadium der Begutachtung eines Ministerialentwurfs zu verifizieren.

Sehr wohl verifizieren lässt sich der Vorwurf der Finanzierung der TU Linz in der Gründungsphase durch die „Ministerreserve”, denn das sei – so Minister Polaschek – gemessen an den weitaus höheren eingemeldeten Mehrkosten durch die Inflation relativ betrachtet OK. Mit diesem Eingeständnis wird ein veritables politisches Abstimmungsthema bei der Beschlussfassung des Nationalrats insofern vorliegen, als über die Frage der Zulässigkeit der Finanzierung einer neuen Universität sui generis entgegen den Buchstaben des für öffentliche Universitäten geschaffenen Universitätsgesetzes abzustimmen sein wird.

Im Übrigen wird sich der Nationalrat auch die fundamentale Frage zu stellen haben, inwieweit partizipative Mitwirkungsrechte im Begutachtungsverfahren dadurch konterkariert werden dürfen, dass der zuständige Ressortminister den geplanten Gesetzesbeschluss mit dem politische Beschluss, eine solche Universität zu schaffen, präjudizieren will. Nun erfolgte dieser Beschluss vom sachlich unzuständigen, damaligen Bundeskanzler ohne jede Grundlage einer fachlichen Expertise. Ganz offensichtlich niemand in der gesamtösterreichischen Universitätslandschaft würde sich jedoch über das Geschenk einer Universität in dieser Form freuen.

Man sollte es dabei belassen, dass der Trick zum damaligen Zeitpunkt funktioniert hat und das eigentliche, dahinterstehende föderale Wahlziel erreicht wurde. Wir könnten uns die Geschenkübergabe im wahrsten Sinne des Wortes sparen und statt dessen mit kluger, solider Vorarbeit und Evaluierung überlegen, wo und wie zwischen welchen universitären Disziplinen auf dem Fundament der österreichischen Universitätslandschaft so etwas wie interdisziplinäre Durchdringung der Digitalisierung und digitalen Transformation verstärkt werden kann – wohlgemerkt „verstärkt”, denn längst gibt es das und bevor es verändert oder erweitert wird, sollte das „Wie” durch vorangehende Evaluationen herausgearbeitet werden.

Bescheidener Hinweis: Vielleicht kommt dem Minister das Instrument der Leistungsvereinbarung in den Sinn, das er ab sofort von der gegenüberliegenden Seite aus bedienen kann. Dieses Instrument ließe sich so bespielen, dass mit den jeweiligen Universitäten Ziele vereinbart und finanziert werden, ohne den Verfassungsbogen der Universitäten verlassen zu müssen. Die pompöse Neugründung einer Universität kann ruhigen Gewissens verworfen werden und Budgetmittel für unerwartete Folgen der letzten Pandemiejahre und solche der Inflationsentwicklung freigehalten werden. Die Idee der TU Linz wurde in einer Phase des Übermuts im Machtrausch geboren. Es ist höchste Zeit, den Übergang in eine stabile Phase der vernunftorientierten Analyse, Planung und des sorgsamen Umgangs mit Steuergeldern einzuleiten.

Dr. Stefan Schön
Pressesprecher des ULV (Verband des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der österreichischen Universitäten)
schoen@mdw.ac.at
+4369911240984

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