„kulturMontag“: Nitsch-Neufassung in Prinzendorf, Schnitzlers „Reigen“ neu in Salzburg, Hollywoodkomponist Elfman als Rockstar

Danach: Doku „Denkende Hände. Die Kunst der Familie Hoke“ – am 1. August ab 22.30 Uhr in ORF 2

Wien (OTS) – Exzessiv, erotisch, exaltiert: Der von Peter Schneeberger präsentierte „kulturMontag“ am 1. August 2022 um 22.30 Uhr in ORF 2 bietet eine breite Themenpalette: So berichtet die Sendung u. a. über die Wiederaufnahme von Hermann Nitschs Orgien-Mysterien-Theater, das nach dem Tod des Meisters der Aktionskunst in Prinzendorf fortgeführt wird. Weiters steht die Neudeutung von Arthur Schnitzlers einstigem Skandalstück „Reigen“ bei den Salzburger Festspielen im Mittelpunkt, das von zehn zeitgenössischen Autorinnen und Autoren überschrieben wurde. Außerdem steht ein Porträt von Hollywoods Starkomponisten Danny Elfman auf dem Programm, der nach vielen Jahren der Komposition von Filmmusik nun wieder als Rockmusiker von sich Hören macht und ein furioses neues Album vorlegt. Anschließend setzt sich die vom ORF-Landesstudio Kärnten produzierte Dokumentation „Denkende Hände. Die Kunst der Familie Hoke“ (23.20 Uhr) mit dem Leben und Werk von Giselbert Hoke, einem der bedeutendsten heimischen Künstler der Nachkriegszeit, und seinen ebenso künstlerisch tätigen Nachkommen auseinander.

Letzter Wille – Neufassung von Hermann Nitschs Orgien-Mysterien-Theaters in Prinzendorf

Vulkanische Farbschüttungen, orgiastische Tänze mit Tierkadavern und dionysische Klänge – Zeit seines Lebens hat der im April verstorbene Hermann Nitsch, Aktionskünstler von Weltrang, mit seinem Orgien-Mysterien-Theater und seinen exzessiven Schüttbildern die Kunstwelt in Atem gehalten. Für seine provokanten Arbeiten landete er in den 1960er Jahren sogar im Gefängnis. 1998 löste der „Dionysos der Kunst“ mit seinem legendären „Sechstagespiel“, das auf seinem Schloss im niederösterreichischen Prinzendorf stattfand, heftige Kontroversen und Anfeindungen zwischen Gotteslästerung und Tierquälerei aus. Dabei wollte er mit seinem Orgien-Mysterien-Theater, das er als zeitgenössische Fortsetzung der Erlösungsidee der Menschen verstand, nie provozieren. Für Nitsch war es ein Lebensfest, in dem er Tod und Auferstehung feierte. Nun wird 24 Jahre nach der Erstinszenierung des „Sechstagespiels“ sein letzter Wille einer Neufassung realisiert. Ende Juli werden die ersten zwei Tage in Schloss Prinzendorf opulent in Szene gesetzt. Ein Fest für alle Sinne und eine Hommage an den herausragenden Aktionskünstler.

Verborgenes Begehren – Schnitzlers „Reigen“ bei den Salzburger Festspielen

Was man immer schon über Sex, Intimität und Begehren wissen wollte, hat Arthur Schnitzler in seinem gesellschaftskritischen zehnteiligen Episodenwerk „Reigen“ im Fin de Siècle festgehalten: Ein Karussell der Libido, ein Jahrmarkt der Emotionen und des Machthungers, am Rande des Abgrunds, kurz vor der Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Damit verstieß Schnitzler gegen die Konventionen des zeitgemäßen Salontheaters, in dem das Überschreiten der Grenze zwischen Erotik und Sexualität ein Tabubruch war. Die Uraufführung des Stoffes, der zunächst gar nicht für die Bühne gedacht war, brachte im Jahr 1920 klerikale und nationale Kreise auf die Barrikaden. Das Ensemble musste sich gar wegen Unzucht und Erregung öffentlichen Ärgernisses vor Gericht verantworten. Für die Salzburger Festspiele hat Schauspielchefin Bettina Hering zehn zeitgenössische Autorinnen und Autoren mit einer Überschreibung der einzelnen Szenen beauftragt. Die lettisch-amerikanische Regisseurin Yana Ross untersucht in ihrer Neudeutung die Beziehung zum Original und wie die heutigen brisanten und gesellschaftsrelevanten Fragen um das Begehren nachhallen.

Doppeltes Spiel – Der Komponist und Rockstar Danny Elfman

Er komponierte die Musik für Superhelden wie Batman und Spiderman und untermalte Blockbuster wie „Planet der Affen“ oder „Big Fish“. Der US-Amerikaner Danny Elfman hat mit seinen Soundtracks Hollywoodgeschichte geschrieben. Mit Regisseur Tim Burton verbindet ihn eine langjährige, intensive Zusammenarbeit. Mit dem für ihn typisch verspielten Stil untermalte Elfman Burtons morbide Märchen mit groß orchestrierten Partituren unter zusätzlicher Verwendung von Orgel, Xylophon, Glockenspiel und charakteristischem Knabenchor. Untrennbar ist Burtons Erfolg auch durch seinen kongenialen Partner Elfman gekrönt. Dabei startete dieser seine Karriere als Rockmusiker und wollte Burtons Anfrage 1985 für „Pee-Wees irre Abenteuer“ eigentlich ablehnen, da er als Filmkomponist noch keinerlei Erfahrung hatte. Unzählige Ohrwürmer, etwa die legendäre Titelmelodie der Serie „Die Simpsons“, hat er seither produziert. Viermal wurde er für den Oscar nominiert – für die beste Filmmusik von „Good Will Hunting“, „Men in Black“ oder „Milk“. Nun kehrt Hollywoods Starkomponist zu seinen Wurzeln zurück und legt mit „Big Mess“ ein furioses Rockalbum vor.

Dokumentation „Denkende Hände. Die Kunst der Familie Hoke“ (23.20 Uhr)

Im Englischen gibt es den Begriff „helping hand“, die hilfreich zupackende Hand, wenn Not am Mann oder an der Frau ist. Der Künstler Giselbert Hoke hatte gleich mehrere dieser helfenden – und denkenden – Hände zur Seite: Seine Kinder Karma Eder, Armin Guerino, Clemens, Edmund und Tomas Hoke, die heute alle in künstlerischen oder kreativen Berufen tätig sind – ein familiäres Kunstkollektiv. Nötig war dies, weil Hoke im Zweiten Weltkrieg seinen rechten Arm verlor. Blutjung gewann er den Wettbewerb zur Ausgestaltung der Klagenfurter Bahnhofshalle mit großformatigen Fresken, die bei ihrer Enthüllung für einen veritablen Skandal sorgten. 1961 erwarb er das schwer baufällige Schloss Saager im kärntnerischen Grafenstein, in dem er Wohnsitz, Atelier und Werkstätte einrichtete. Bei der Restaurierung lehrte er seine Kinder, wie Kunst und Handwerk ineinandergreifen. Für ihren Film hat Regisseurin Barbara Frank Archivschätze gehoben und die Hoke-Kinder befragt, wie sie mit dem künstlerischen Erbe ihres Vaters umgehen. Zudem erzählt sie die Geschichte eines Mannes, der sich nicht einfach mit einem Defizit abgefunden hatte, sondern dieses mehrfach kompensierte.

Als junger Künstler erhält Giselbert Hoke im Wettbewerb um die künstlerische Ausgestaltung des Klagenfurter Hauptbahnhofs den Zuschlag. Während der Arbeit lässt er keine neugierigen Blicke zu, ändert grundlegend das eingereichte Konzept, bei dem er sich an der Formensprache von Pablo Picasso orientiert. Wiederkehrendes Symbol der Macht in seinen Fresken ist das Kriegspferd, das Menschen zertrampelt. Auf amtliche Weisung muss er das Projekt einstellen, erst durch die Fürsprache von Stararchitekt Clemens Holzmeister kann er die Arbeit fortsetzen. 1956, bei der Enthüllung der Fresken, kommt es zum Eklat. Ein Lesebrief-Schreiber fordert die Bombardierung des Bahnhofs, die Eisenbahner-Gewerkschaft verlangt deren Demontage. „Wir sind als Kinder für Vaters Arbeit verspottet worden“, schildert Hokes Tochter, die Restauratorin Karma Eder. Heute ist die Arbeit denkmalgeschützt. In seinem Umgang mit Kunst verzichtete Giselbert Hoke auf jede Pose, war vollkommen unprätentiös. „Denkende Hände. Die Kunst der Familie Hoke“ ist ein Film über einen Homo Faber – einen Menschen mit der Fähigkeit, benötigte Werkzeuge selbst herzustellen. Ein Zugang, der sich bei seinen Nachkommen in unterschiedlichster Ausprägung zeigt.

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