AK-Umfrage zeigt systematische Umgehung des Arbeitszeitrechts

Sozialpolitik-Leiterin Pirklbauer: „Verrechnen von ,Minusstunden‘ meist illegal“

Wien (OTS) – Eine Online-Umfrage der AK Wien zeigt großflächige Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz. Sybille Pirklbauer, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik stellt fest: „Für viele Menschen ist die Arbeitszeit völlig unberechenbar. In gewissen Branchen wissen drei Viertel der Befragten nur ein bis zwei Tage vorher, manchmal sogar erst am selben Tag, ob und wie lange sie arbeiten müssen.“ Umgekehrt kommt es bei fast der Hälfte der Beschäftigten vor, dass sie während der Arbeitszeit nach Hause geschickt werden, weil der Arbeitgeber gerade keinen Bedarf hat. Häufig werden ihnen dann „Minusstunden“ verrechnet. Zwei Drittel der Betroffenen wissen nicht, dass diese Vorgangsweise unzulässig ist.

Unberechenbare Arbeitszeiten sind mit enormem Stress für die Beschäftigen verbunden. „Ihre verbleibende Freizeit wird völlig entwertet. Verabredungen mit Freunden, einem Hobby nachzugehen oder einfach nur gemeinsame Zeit mit der Familie zu planen, ist so fast unmöglich“, erklärt Pirklbauer die Situation der Betroffenen. Eine besondere Belastung ist es, wenn dann auch noch Kinderbetreuung oder die Pflege eines Angehörigen organisiert werden muss.

Dass die kaum planbaren Arbeitszeiten und Minusstunden kein seltenes Pränomen sind, zeigt eine Online-Umfrage der AK Wien, an der 2.515 Personen teilgenommen haben Die Umfrage ist nicht repräsentativ, zeigt aber, wo das Problem besonders groß ist. Frauen sind offenbar besonders betroffen – sie waren mit 71% der Befragten deutlich überrepräsentiert gegenüber 48% an den Gesamtbeschäftigten. Der Grund dafür ist, dass unplanbare Arbeitszeiten sehr oft ein Problem für Teilzeitbeschäftigte- zumeist Frauen – ist.

Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) berichteten, dass es zumindest einige Male pro Jahr vorkommt, dass sie während der vereinbarten Arbeitszeit nicht eingesetzt wer-den. Bei mehr als einem Fünftel (21 Prozent) kommt es fast jeden Monat vor, dass sie heimgeschickt werden, wenn nichts zu tun ist. Bei Beschäftigten mit typischen Teilzeiten (12 bis 24 Stunden/Woche) sind es sogar mehr als ein Viertel (27 Prozent).

„Insbesondere Teilzeitkräfte und damit überwiegend Frauen werden in vielen Fällen auch noch um ihr Mehrarbeits- oder sogar Überstundenentgelt geprellt“, sagt Pirklbauer. „Wenn im Betrieb nichts los ist, werden Arbeitnehmer:innen nach Hause geschickt und es werden ihnen illegalerweise ,Minusstunden‘ verrechnet, die sie später wieder einarbeiten sollen.“

Von den von Arbeitsausfällen Betroffenen gaben 52 Prozent an, dass sie diese Stunden später wieder einarbeiten mussten, obwohl sie vom Chef heimgeschickt worden waren. Bei Teilzeitkräften mit 12 bis 24 Stunden/Woche waren es sogar 66 Prozent. Im Handel waren es 59 Prozent.

Rund ein Viertel der von Arbeitsausfällen betroffenen Arbeitnehmer:innen musste im halben Jahr vor der Befragung 50 und mehr Stunden einarbeiten – also mehr als eine Urlaubswoche. 5% der von Minusstunden Betroffenen mussten sogar 100 Stunden oder noch mehr einarbeiten.

Pirklbauer: „Die Umfrage hat gezeigt, dass zwei Drittel der Beschäftigten nicht wissen, dass das unzulässig ist. ,Minusstunden‘ gibt es außer in einigen Ausnahmenfällen nicht. Wenn der Vorgesetzte einen heimschickt, ist das eine Dienstfreistellung. Werden die ,Minusstunden‘ später wieder eingearbeitet, führt das im Regelfall zu Mehr-, und manchmal sogar zu Überstunden, die mit entsprechenden Zuschlägen zu entlohnen sind. Diese Zuschläge werden den Betroffenen durch die Behauptung von Minusstunden letztlich unterschlagen!“

Was die generelle Planbarkeit der Arbeitszeit betrifft, zeigt die Umfrage ein erschüttern-des Bild. Die Hälfte der Befragten wusste maximal in den Eckpunkten, wie ihre Arbeitszeiten in den nächsten 4 Wochen ausschauen würden, ein Fünftel hatte gar keine Ahnung, was sie erwartet. Insbesondere Beschäftigte in den Branchen Gastronomie und Tourismus, Handel sowie der Gesundheits- und Sozialbereich sind mit unplanbaren Arbeitszeiten konfrontiert.

Besonders problematisch: die gesetzliche Frist, dass Dienstpläne im Regelfall 14 Tage im Voraus bekannt gegeben werden müssen, wird nur bei 7% der Befragten eingehalten! Besonders kurzfristig werden die Arbeitszeiten in der Gastronomie und Tourismus, im Handel und im Gesundheits- und Sozialbereich festgelegt: rund drei Viertel der Befrag-ten aus diesen Branchen geben an, dass sie ihre konkreten Arbeitszeiten 1-2 Tage vor-her oder sogar erst am selben Tag erfahren.

AK Sozialpolitik-Leiterin Pirklbauer: „Hier geht es nicht um unvorhersehbare Ereignisse, die vorkommen können und die auch der Arbeitgeber nicht einkalkulieren kann. Vielmehr ist der Gesetzesverstoß Teil der Personalplanung. Wir brauchen hier dringend eine Handhabe, damit die Beschäftigten hier zu ihrem Recht auf planbare Arbeits- und Lebenszeiten kommen.“

AK SERVICE

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Ihre Arbeiterkammer oder Fachgewerkschaft informiert Sie über Ihre Rechte und unter-stützt Sie bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche!

Ihr Chef schickt Sie früher heim und Sie sollen diese ,Minusstunden‘ später wieder einarbeiten?
Das ist ungesetzlich! Erklären Sie sich arbeitsbereit und arbeitswillig, wenn Ihr Chef Sie heimschicken will. Wenn Sie diese Zeit später einarbeiten sollen, sind das in vielen Fällen Mehr- oder sogar Überstunden. Ihre AK oder Fachgewerkschaft hilft Ihnen dabei, Ihr Entgelt dafür einzufordern.

AK FORDERUNG
• Es braucht wirksame Sanktionen, wenn die 14 Tage-Frist bei der Vorankündigung der Dienstpläne nicht eingehalten wird.

• Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitkräfte von 50 Prozent ab der ersten Stunde! Der Zeitraum für Zeitausgleich von drei Monaten hat den bestehenden Zuschlag nutzlos gemacht und muss abgeschafft werden.

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