„kulturMontag“: Wien als Welthauptstadt des Raunzens, Holleins Fest-Schau im MAK, Jelineks Klima-Monolog in Zürich

Danach: Neue Ausgaben „Orte der Kindheit“ und „Aus dem Archiv“, weiters „Der Unfisch“ zum 75. Geburtstag von Robert Dornhelm

Wien (OTS) – Der von Clarissa Stadler präsentierte „kulturMontag“ am 12. Dezember 2022 um 22.30 Uhr in ORF 2 widmet sich u. a. dem widersprüchlichen Image Wiens, das zwar in punkto Lebensqualität weltweit führend ist, jedoch Schlusslicht bei der Freundlichkeit seiner Bevölkerung, wie ein aktuelles „Expat City Ranking“ zeigt. Weitere Themen sind u. a. eine neue opulente Schau des Wiener MAK zur Kulturgeschichte des Feierns sowie das neue Buch von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek zum Klimawandel, das im Schauspielhaus Zürich auf die Bühne gebracht wird.
Anschließend an das Kulturmagazin würdigt ORF 2 Filmemacher Robert Dornhelm, der am 17. Dezember seinen 75. Geburtstag feiert, mit neuen Ausgaben der Porträtreihe „Orte der Kindheit“ (23.30 Uhr) und der Gesprächsreihe „Aus dem Archiv“ (0.00 Uhr). Weiters steht danach seine Verfilmung der Novelle „Der Unfisch“ (1.00 Uhr) von Michael Köhlmeier auf dem Programm.

Mehr zum „kulturMontag“:

Grantler, Raunzer, Zwiedawurzn – Wien als wandelnder Widerspruch

„Wie schön wäre Wien ohne Wiener!“, darüber sinnierte der grandiose Georg Kreisler schon Anfang der 1960er Jahre in einer seiner legendären Hymnen des schwarzen Humors. „Wien ist eine einzige stumpfsinnige Niederträchtigkeit“, polemisierte und provozierte Dichterfürst Thomas Bernhard in seinem Skandalstück „Heldenplatz“. Und Helmut Qualtinger stellte trefflich fest, dass „die anzige Art der Zufriedenheit, die’s in Wien gibt der Tod is“. Bei der jüngsten Umfrage des „Expat City Ranking“ der Organisation Internations ist die Hauptstadt der Alpenrepublik in Sachen Lebensqualität zwar unter den ersten zehn, was die Freundlichkeit der Menschen betrifft jedoch Schlusslicht. Bereits in den Jahren zuvor kostete Wien die übel gelaunte Bevölkerung ein gutes Gesamtergebnis. Wien ist somit Welthauptstadt des Grantelns und Raunzens, Moserns und Matschkerns, Lamentierens und Nörgelns. Der „kulturMontag“ hat sich unter den Expats, also bei Personen, die ohne Einbürgerung in einem ihnen fremden Land oder einer ihnen fremden Kultur leben, umgehört. Über ihr ambivalentes Verhältnis zu Wien und seiner Bevölkerung erzählen der deutsche Schauspieler und frisch gebackene Nestroy-Preisträger Elias Eilinghoff, der US-amerikanische Tausendsassa der Tuba Jon Sass und die serbisch-österreichische Kabarettistin Malarina im Interview.

Zwischen Rausch und Ekstase – Neue Wiener-MAK-Schau „The Fest“

Ob Party, Ritual, Kult, Versammlung oder Künstlerfest – das Feiern ist so alt und so vielfältig wie die Menschheit selbst. Das zeigt die erste Themen-Ausstellung im Wiener MAK, Museum für angewandte Kunst, die Neo-Direktorin Lilli Hollein als Generaldirektorin geplant hat. Die vielseitige Ausstellung unter dem Titel „THE FEST. Zwischen Repräsentation und Aufruhr“ führt quer durch die Kulturgeschichte des Feierns: von fürstlichen Hochzeiten im 16. Jahrhundert über politische Massenveranstaltungen im endenden 19. Jahrhundert bis hin zu subversiven Künstler/innen-Festen der Gegenwart. So zählen zu den mehr als 650 Objekten Schaustücke der exzessiven Bacchanalien des antiken Rom ebenso wie Fotografien und Videoanimationen politischer Feierversammlungen wie der Arbeiterbewegungen am 1. Mai oder dem berühmten Protest-Rave im georgischen Tiflis von 2018 bis zu historischen Ereignissen wie dem legendären „Bal Oriental“ des mexikanischen Silberminenerben Charles de Besteguy 1951 in Venedig, wo alter europäischer Adel auf Hollywood-Stars und junge Luxus-Schneider wie Christian Dior und Pierre Cardin traf. Auch Künstlerfeste wie jene der Wiener Werkstätten oder die Spektakelfeste der Wiener Secession in den 1950er Jahren sind Thema. Die Ausstellungsräume mit unterschiedlichen Feststimmungen spiegeln Alltagskunst ebenso wider wie Dekadenz und Glamour. Der „kulturMontag“ gibt einen Überblick über die opulente Schau und bittet die neue Generaldirektorin Lilli Hollein und Gast-Kuratorin Brigitte Felderer zum Interview.

Die sanftwütige Unbequeme – Elfriede Jelinek mit einem Text zum Klimawandel

Wunderkind, Skandalautorin, Vaterlandsverräterin, Feministin, Fashionista, Kommunistin, Sprachterroristin, Rebellin, Enfant terrible, Nestbeschmutzerin, genial, verletzliche Künstlerin: Mit all diesen Attributen versieht die deutsche Filmemacherin Claudia Müller Elfriede Jelinek in ihrem hochgelobten Porträt der Nobelpreisträgerin. „Angabe der Person“ heißt ihr neues, autobiografisches Buch. Es ist eine Art Lebensbilanz der 76-jährigen Autorin, die seit Jahren zwischen Wien und München pendelt. Eine Geschichte über Schuld und Schulden. Mit wortmächtigen Salven meldet sich die umtriebige Schriftstellerin auch am Theater seit Jahren konsequent zur politischen Weltlage zu Wort. Jetzt hat sie einen Text zum Klimawandel geschrieben und liest uns dabei gehörig die Leviten. In „Sonne, los jetzt!“ betrachtet sie das Irren und Wirren des Menschen in seiner Umwelt mit gehörigem Abstand, indem sie ihre Stimme der Sonne leiht. In einem fulminanten Monolog wirft sie ihr Licht auf die griechische Mythologie, auf Wittgenstein – und auf den Strand. Dort lebt der Mensch auf einem Küstenstreifen, einer dünnen Linie zwischen sengender Glut und verschlingender Flut. Wenn es nach der Sonne gehen würde: auflodern und dann verschwinden lassen. Doch vielleicht trocknet ihre Wärme am Ende nur ein paar Tränen und der Untergang bleibt vorerst aus. Ihr langjähriger Wegbegleiter Nicolas Steman inszeniert „Sonne, los jetzt!“ für das Schauspielhaus Zürich und stellt sich neuerlich als energischer Verdichter der Jelinek’schen Wortgewalt unter Beweis.

„Orte der Kindheit – Robert Dornhelm“ (23.30 Uhr)

In der jüngsten Ausgabe der von Ute Gebhardt gestalteten Dokureihe begleitet ORF-Kulturjournalist Peter Schneeberger Regisseur Robert Dornhelm an die „Orte seiner Kindheit“ ins rumänische Timișoara und nach Wien.
Robert Dornhelm kam 1947 auf die Welt. Es hätte eine glückliche Nachkriegskindheit werden sollen: Ein talentierter Bub aus gutem Hause, eine wohlsituierte Familie und endlich Frieden. Doch Robert Dornhelms Familie war deutschsprachig, jüdisch und besaß eine Textilfabrik. Vater und Großvater kamen aus politischen Gründen ins Gefängnis, die Mutter musste als Sekretärin im Krankenhaus für den Lebensunterhalt aufkommen. Doch die Berufstätigkeit der Mutter bedeutete für den jungen Robert vor allem eines: Freiheit! Als Kind trieb er sich viel in der Stadt herum, vor allem auf den Märkten, oder aber auch in den Vierteln der Roma, die ihn faszinierten. Und er begann die Welt durch die Linse seiner Fotokamera zu sehen und zu beobachten und durfte die Dunkelkammer des Krankenhauses nutzen, um seine Filme zu entwickeln.
Seiner Leidenschaft Menschen zu beobachten konnte er auch in den beiden Palais der Familie nachgehen, in denen verschiedene Menschen zwangsweise einquartiert wurden: Da war der serbische Dirigent oder die Ballerina, die ihr Schamhaar mit Ammoniak bleichte (wie er durchs Schlüsselloch erspähte), und der Arbeiter, der im Kloschacht ein Huhn hielt.
Die Bedrohung durch das System erreichte ihn zunächst nicht, doch dann bekam auch er Repressalien zu spüren: Er gewann bei einer Schwimm-Meisterschaft eine Medaille, die ihm, ob seiner „unerwünschten“ Herkunft, aberkannt wurde. Eine nie vergessene Kränkung.
Die goldenen Zeiten der Familie waren in den 1950er Jahren längst Geschichte und schließlich wurden die Dornhelms enteignet. Die Ankunft im „goldenen Westen“ in Wien 1961 war ernüchternd. Unfreundlich und kalt begrüßte ihn das vermeintlich gelobte Land. Der 13-Jährige reagierte zornig: Er wurde ein widerborstiger Schüler, der mehrfach die Bildungseinrichtungen wechseln musste. Erst mit der Aufnahme an der Wiener Filmhochschule fand er seinen Weg als begabter Geschichtenerzähler der Gegenwart.

„Aus dem Archiv – Robert Dornhelm“ (0.00 Uhr)

„Aus dem Archiv“ goes Hollywood: Mit Robert Dornhelm ist ein international bekannter Regisseur zu Gast bei Christian Reichhold und Regina Nassiri. Seine erste Oscar-Nominierung gelang ihm Mitte der 1970er Jahre mit dem Ballettfilm „Kinder der Theaterstraße“, für den er niemand Geringeren als Monacos Landesfürstin Gracia Patricia alias Grace Kelly als Kommentatorin gewinnen konnte. Österreichische Fernsehgeschichte hat er u. a. mit dem opulenten Historien-Zweiteiler „Kronprinz Rudolf“ geschrieben – oder auch mit seiner Verfilmung der „La Bohème“ in der Starbesetzung mit Anna Netrebko und Rolando Villazón. Als Wegbegleiter bringt er mit Michael Köhlmeier einen der erfolgreichsten, meistgelesenen und produktivsten Autoren des Landes ins ORF RadioKulturhaus mit, dessen Novelle „Der Unfisch“ er 1996 verfilmt hat.

„Der Unfisch“ (1.00 Uhr)

„Der Unfisch“ ist ein skurril-erotisches Märchen nach dem Drehbuch des Vorarlberger Bestsellerautors Michael Köhlmeier, das Robert Dornhelm nach rund zehnjähriger Vorbereitungszeit 1996 mit u. a. Maria Schrader, Karl Merkatz, Bibiana Zeller, Eva Herzig, Andreas Lust, George Kern sowie August Schmölzer, Beatrice Frey, Rainer Egger u. v. a. verfilmte. Der vom ORF im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens kofnanzierte Film erzählt die Geschichte der schönen Sophie Moor (Schrader), Nichte eines verstorbenen Schaustellers, die in einem Tiroler Bergdorf einen alten, präparierten Wal erbt. Im Bauch dieses „Unfischs“ geschehen merkwürdige Dinge: Sobald ein Mann mit der sanften Sophie schläft, erfüllt sich für ihn ein Wunsch. Doch was als Wunder beginnt, nimmt im Dorf bald einen unglücklichen Lauf. Egoismus und Maßlosigkeit steigern zunächst den Reichtum im Dorf, zerstören aber schließlich die Dorfgemeinschaft.

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