Universität für angewandte Kunst Wien: Ein Denk-Mal von, für und mit Peter Weibel am Dr.-Karl-Lueger-Platz
Demokratie braucht Denken – Weibels Containertürme verweisen Lueger-Denkmal in zweite Reihe
„In Wien will ich zwei Containertürme für meine Bücher bauen“, verkündete Peter Weibel im Februar 2023 anlässlich seines bevorstehenden Ruhestandes vom ZKM Karslruhe und dem damit geplanten Umzug nach Wien. Zwischen den beiden Containertürmen wolle er einen Lift errichten, in dem er leben und lesen werde, so der Medienkünstler, Theoretiker, Kurator, Museumschef und Universitätsprofessor.
Peter Weibel verstarb wenig später, am 1. März 2023, viel zu früh und überraschend. Er hinterlässt einen beeindruckenden künstlerischen und theoretischen Werkkörper, 120.000 Bücher und eine verführerische Idee: ein Bücherturm in Wien. Dass diese Idee Realität wird, dafür setzt sich nun die Universität für angewandte Kunst Wien ein. Weibel war der Angewandten eng verbunden. Von 1976 bis 2012 lehrte und forschte er als ordentlicher Professor an der Universität, wo er Europas erstes Studium für Medienkunst etablierte. Bis zuletzt leitete er das Peter-Weibel-Forschungsinstitut für digitale Kulturen, das seit 2017 an der Angewandten eingerichtet ist.
Weibels Schlüsselsatz „Demokratie braucht Denken“ folgend, fordert die Universität für angewandte Kunst Wien nun die Realisierung des letzten großen Projekts von Peter Weibel in Wien am Dr.-Karl-Lueger-Platz. „Die Errichtung des Peter Weibel Bücherturms am Lueger-Platz bietet die einmalige Chance, das Lueger-Denkmal nicht nur sinnbildlich sondern tatsächlich durch einen öffentlich nutzbaren Ort des Denkens über Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft in den Hintergrund zu verweisen“ betont Rektor Gerald Bast. Wie die Visualisierung des Architekten Hannes Traupmann (Pichler & Traupmann Architekten / Universität für angewandten Kunst Wien) vorschlägt, erhält der Platz durch die Errichtung der Türme eine neue Hauptfigur, einen neuen Protagonisten. Die Statue Luegers bleibt sichtbar, tritt vom Ring her aber deutlich hinter den Büchern zurück und kann nur durch die Bücher hindurch betrachtet werden. Der vorliegende Entwurf bietet Platz für ca.60.000 bis 70.000 Bücher in einem breiten Spektrum von Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft Der Lift ermöglicht Besucher:innen den Zugang zu dem in den Büchern gespeicherten Wissen und bietet eine Perspektive, einen Weitblick über Statue und Stadt hinweg. Das Stubentor wird zum Büchertor.
Hintergrund: Die Universität für angewandte Kunst Wien führte bereits 2009 einen breit angelegten internationalen Wettbewerb zur künstlerischen Umgestaltung des Lueger-Denkmals unter Einbeziehung maßgeblicher Historiker:innen und Künstler:innen, Theoretiker:innen sowie Institutionen durch. Im Mai 2010 wählte eine Jury, zusammengesetzt aus Künstler:innen, Wissenschafter:innen und dem Rektor der Angewandten ein Siegerprojekt aus. Die Unterlagen des Wettbewerbes gingen im Mai 2010 an die Stadt Wien. Umgesetzt wurde davon nichts, außer einer kleinen Tafel, – mit dem Hinweis, dass das Thema angesichts der damals bevorstehenden Gemeinderatswahl im Oktober 2010 „sehr heikel“ sei. Zuletzt, im Frühsommer 2022, veranstaltete die Angewandte in Kooperation mit den Jüdischen Hochschüler:innen und der Künstler:innengruppe Schandwache wöchentliche Protestlesungen am Denkmal.
Peter Weibel, 1944 in Odessa/Ukraine geboren, studierte ab 1964 in Wien Medizin und wechselte schließlich zur Mathematik mit Schwerpunkt Logik. In seinen performativen Aktionen untersuchte er nicht nur die „Medien“ Sprache und Körper, sondern auch Film, Video, Tonband und interaktive elektronische Umgebungen. Neben Aktionen mit Vertreter:innen der Wiener Gruppe und des Wiener Aktionismus – dem er den Namen gab – arbeitete er ab 1966 mit Valie Export, Ernst Schmidt jr. und Hans Scheugl an einem „erweiterten Kino“, das die ideologischen und technischen Bedingungen filmischer Darstellung dekonstruiert. 1978 wendete sich Weibel der Musik zu. Er gründete zusammen mit Loys Egg die Band Hotel Morphila Orchester. Anfang der 1990er Jahre realisierte er erste interaktive computerbasierte Installationen, mit denen er wiederum das Verhältnis von Medien und Wirklichkeitskonstruktion thematisierte. In den letzten Jahren beschäftigte er sich in seinen Arbeiten verstärkt mit politischen und wirtschaftspolitischen Themen, jedoch immer mit allergrößter Leidenschaft der Verbindung von Wissenschaft und Kunst.
Fotodownload einer Visualisierung des Entwurfs von Pichler & Traupmann Architekten / Universität für angewandte Kunst Wien finden Sie auf dieangewandte.at/presse
Universität für angewandte Kunst Wien
Andrea Danmayr
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