Gedenktag des Genozids von 1915 an den Armeniern

Völkermorde gehören nicht ins Museum. Sie gehören in die Geschichtsbücher und in unser kollektives Gedächtnis. Völkermorde sind nicht einfach so – leider – passiert und das wär`s dann gewesen. Für die Armenier und für eine aufgeklärte europäische Gesellschaft ist der Genozid des Jahres 1915 mit seinem Davor und Danach immer noch spürbar: Als Wunde, als Zäsur, als Trauma über Generationen, das noch immer nicht die völlige Anerkennung gefunden hat. 

Das umso mehr, weil von Seiten der Täter von damals _und_ heute dieses zivilisierte Geschichtsbewusstsein fehlt und _heute_, in der Gegenwart, mit derselben Mentalität das fortgesetzt wird, was seinerzeit zynisch “die Endlösung der armenischen Frage” geheißen hat. Vom historischen Armenien, den prosperierenden Städten und Kommunen etwa im sogenannten Ostanatolien ist nichts geblieben. Und heute müssen die Armenier in Karabach/Artsach eine ähnliche Bedrohung spüren, die seit Jahrzehnten von Aserbeidschan mit türkischer Rückendeckung ausgeht.

Mit der Hungerblockade gegen Artsach, durch die Schließung des Latchin – Korridors, der einzigen Landverbindung und damit Lebensader zwischen dem armenischen Mutterland, ist eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Dieses von Aserbeidschan inszenierte zynische Szenario dauert nun schon weit über 100 Tage. All dem sind zwei sinnlose Kriege in Nagorny Karabach vorausgegangen. Heutzutage, im Schatten des Ukraine-Krieges, schwindet die Aufmerksamkeit, das Interesse der Öffentlichkeit an dieser humanitären Katastrophe für 120.000 Menschen, verbunden mit einem Bruch des Völkerrechts. 

Gibt es eine Lösung, wo ist der Way Out? Pantürkischer Chauvenismus hat derzeit die Oberhand. In der südkaukasischen Region sind es aber letztlich die Armenier, die als Garanten für eine zivilisierte, demokratische Ordnung in der Region stehen. Auch damals 1915, waren es armenische Intellektuelle, die bis zum Massaker, das ja der Beginn des großen Mordens war, für europäische Werte eingetreten sind. Deshalb muss die Weltgemeinschaft immer wieder aufgerüttelt werden. Der erste Schritt ist ein Ende der Hungerblockade.

Es ist tragisch, dass wir heute nicht über einen Fortschritt der Völkerverständigung sprechen können, es ist traurig, dass keinerlei Versöhnung angesichts dieses unsäglichen Völkermordes stattgefunden hat, es ist dramatisch, dass wir heute – so wie damals Franz Werfel – mit Protest und Stolz für die Erhaltung der Menschenwürde unsere Stimme erheben müssen. Im Rückblick auf das Österreich der Zwischenkriegszeit angesichts von Austro- und Klerikofaschismus hieß das „Wehret den Anfängen“. Armenien ist damals 1915 wie heute 2023 mit einer solchen Bedrohung konfrontiert. Wir mahnen angesichts und eingedenk des „Mets Jrern“ zur Vernunft, zu Toleranz und Einsicht, zu einer Kultur der politischen Intelligenz und tun das im republikanischen Bewusstsein, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.  

Armenisch-Apostolische Kirchengemeinde Österreich
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