20. ÖGB-Bundeskongress/Katzian: Starke Gewerkschaften für ein gutes Leben: ÖGB stellt Arbeitsprogramm vor

Delegierte diskutieren Leitantrag: Im Fokus Strafbarkeit für Verhinderung von Betriebsratswahlen, Familienarbeitszeitmodell und Rückkehr der Sozialversicherung in Arbeitnehmer:innenhände

„Das ist kein Arbeitsprogramm, das auf Knopfdruck umgesetzt werden kann. In neun Kapiteln hat der ÖGB gemeinsam mit den Gewerkschaften Lösungsvorschläge und Forderungen erarbeitet. Ihre Umsetzung braucht einen langen Atem, den haben wir“, leitete ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian heute, am zweiten Tag des 20. ÖGB-Bundeskongresses, die Diskussion zum Arbeitsprogramm 2023 bis 2028 ein. In den neun Kapiteln geht es um die Bewältigung der dringendsten Herausforderungen der kommenden Jahre: Ein gutes Leben für alle, Wohlstand, Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Sicherheit, Freiheit und Frieden stehen im Zentrum – und dafür braucht es starke Gewerkschaften. Abgestimmt wird über das gesamte Programm (bundeskongress.at) am 22. Juni. +++  

VER- ODER BEHINDERUNG VON BETRIEBSRATSWAHLEN STRAFEN

„Die Mitglieder von Betriebsräten setzen sich tagtäglich für gute Arbeitsbedingungen ihrer Kolleginnen und Kollegen ein – und auch für die Unternehmen“, sagt Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB am 20. ÖGB-Bundeskongress. Ihr Engagement sei von unschätzbarem Wert für das Gelingen von guter Arbeit und mehr Demokratie im Betrieb, aber auch für den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg, wie Studien beweisen. „Dennoch kommt es in Österreich immer wieder zu Verhinderungen von Betriebsratswahlen – und das ist leider keine Seltenheit, wie bekannte Beispiele aus der Vergangenheit zeigen“, so Reischl: „Etwa durch Kündigung von Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern, die sich für die kollektiven Interessen der Belegschaft einsetzen, oder durch Einschüchterung der Belegschaft, überhaupt einen Betriebsrat gründen zu wollen.“

Es brauche notwendige Anpassungen im Bereich der Betriebsverfassung, damit Betriebsräte auch weiterhin die Interessen der Belegschaft bestmöglich vertreten können. Im ÖGB-Programm wird daher in Kapitel 9 die „Gerichtliche Strafbarkeit der Ver- oder Behinderung von Betriebsratswahlen bzw. Personalvertretung (PV), Jugendvertrauensrat (JVR) und Behindertenvertrauensperson (BVP)“ gefordert.

SOZIALVERSICHERUNG ZURÜCK IN DIE HÄNDE DER ARBEITNEHMER:INNEN  

Großes Thema am Bundeskongress ist auch die 2018 beschlossene Sozialversicherungsreform, die Reischl als „einen der größten Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeitnehmer:innen-Bewegung“ sieht. „Leere Versprechen wie eine Patientenmilliarde oder Leistungsharmonisierung dienten nur dazu, die Entscheidungsbefugnisse über die Selbstverwaltung in die Hände der Arbeitgeber zu verschieben. Das muss rückgängig gemacht werden, die Arbeitnehmer:innen müssen selbst darüber entscheiden können, was mit ihren Versicherungsbeiträgen passiert!”, verweist die Leitende Sekretärin auf die Forderung in Kapitel 2 des Programms: „Die Wiederherstellung der Mehrheiten für die Arbeitnehmer:innen in allen Selbstverwaltungsgremien der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).” Dies sei unabdingbar, weil „man spüre, dass die aktuelle Struktur nicht optimal ist. Es fehlen handlungsfähige, regionale Ansprechpartner:innen, die für die notwendige Versichertennähe sorgen“, so Reischl.

FAMILIENARBEITSZEITMODELL

Um künftig den Gender Pay Gap und den Gender Pension Gap zu schließen, rückt der ÖGB auch ein eigens ausgearbeitetes Modell in den Fokus. „Teilzeit wird meist wegen der Kinderbetreuung hauptsächlich von Frauen in Anspruch genommen und hat enorme Nachteile für Einkommen und Berufschancen bis zur Pension”, kritisiert die Leitende Sekretärin: „Das ÖGB/AK-Modell zur Familienarbeitszeit, das am Bundeskongress beschlossen werden soll, kann hier gegensteuern.” Es kann genutzt werden, wenn beide Elternteile ihre Arbeitszeit nach der Karenz auf 28 bis 32 Stunden pro Woche reduzieren und die Teilzeit mindestens vier Monate dauert. Als Pauschale erhält jeder Elternteil 250 Euro pro Monat steuerfrei, maximal bis zum 4. Geburtstag des Kindes.

„Anders als bei der bisherigen Aufteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit, die sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt ist, würden beide Eltern von diesem Modell profitieren. Väter hätten mehr Zeit für ihre Kinder und Mütter würden mehr verdienen”, so Reischl.

FREIE GEWERKSCHAFTEN, FUNKTIONIERENDER SOZIALER DIALOG UND KOLLEKTIVVERTRAGSVERHANDLUNGEN MÜSSEN EU-BEITRITTSKRITERIEN SEIN

Da Gewerkschaftsarbeit nicht an den Grenzen Österreichs endet und sich der ÖGB auch darüber hinaus für die Rechte und Interessen der Beschäftigten einsetzt, ist klar, dass gute Arbeitsbedingungen in der gesamten EU ein weiterer Schwerpunkt am ÖGB-Kongress sind. „Der seit der EU-Erweiterung 2004 angeheizte Wettlauf um die niedrigsten Standards geht zulasten der Arbeitnehmer:innen in allen EU-Ländern”, steht für ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian außer Frage. Um den Missstand zu bereinigen und die Lohnschere zwischen den Staaten zu schließen, sind verbindliche, einheitliche Mindeststandards bei Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsschutz, Arbeitslosenversicherung und Löhnen notwendig. Die EU soll in der Folge auch als Vorbild für andere Weltregionen dienen.
„Starke Gewerkschaften, ein starker Sozialstaat und funktionierender Sozialer Dialog müssen die wesentlichen Merkmale der EU sein”, fasst Katzian die dem Bundeskongress vorgelegte Forderung zusammen. „Der Schutz dieser globalen Werte muss Grundlage aller EU-Handelsverträge sein und über die weltweiten Lieferketten kontrolliert und bei Verstößen sanktioniert werden“, so der ÖGB-Präsident.

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