Wettbewerbsbehörde setzte 2022 Prioritäten bei Untersuchung der Preisentwicklungen bei Energie und Lebensmitteln
Lebhafte Debatten im Wirtschaftsausschuss über Berichte des Wirtschaftsministeriums zum Härtefallfonds und Anträge der Opposition
Mit der Tätigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) im Jahr 2022 befasste sich der Wirtschaftsausschuss in seiner heutigen Sitzung. Im Berichtsjahr setzte die BWB nach Auskunft der interimistischen Leiterin der Behörde Natalie Harsdorf-Borsch Schwerpunkte vor allem bei der Untersuchung der starken Preisentwicklungen auf den Energiemärkten und bei Lebensmitteln. Umfangreiche Aufgaben nahm sie auch im Bereich des Kartellrechts wahr.
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt wurden, nach teilweise lebhafter Debatte, eine Reihe von Anträgen der Opposition. Die NEOS drängen auf Reformen der Wirtschaftskammer und eine Änderung der österreichischen Position zum Mercosur-Freihandelsabkommen. Für die SPÖ ist es wichtig, dass es zu keinem Ausverkauf österreichischer Rohstoffe an ausländische Konzerne kommt, weshalb sie einen Initiativantrag für eine gesetzliche Regelung vorgelegt haben. Die Freiheitlichen wollen mit einer Studie erheben lassen, welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen die Aktionen von so genannten „Klimakleber:innen“ bisher hatten.
Mehrheitlich, ohne die Stimmen der NEOS, zur Kenntnis genommen wurden zwei Berichte des Wirtschaftsministeriums über Zahlungen des COVID-19-Härtefallfonds für Selbstständige in den Monaten März und April dieses Jahres. Demnach sind die Unterstützungsmaßnahmen weitgehend abgeschlossen.
BUNDESWETTBEWERBSBEHÖRDE LEGT TÄTIGKEITSBERICHT FÜR 2022 VOR
Die auf der Grundlage des Wettbewerbsgesetzes eingerichtete Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bestehe nun seit zwanzig Jahren und verstehe sich im öffentlichen Interesse als Hüterin eines funktionierenden Wettbewerbs zwischen Unternehmen. Sie leiste damit einen wesentlichen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsentwicklung Österreichs, führte Natalie Harsdorf-Borsch, interimistische Generaldirektorin der BWB, aus. Sie stand den Abgeordneten für Auskünfte zum Tätigkeitsbericht der Behörde für das Jahr 2022 (III-962 d.B.) zur Verfügung.
Der Behörde stehe ein schlagkräftiges Instrumentarium zur Verfügung, da sie unter anderem Hausdurchsuchungen und Branchenuntersuchungen durchführen könne. Sie nehme auch Kronzeugenanträge entgegen und bearbeite Whistleblower-Meldungen. In den 20 Jahren ihres Bestehens seien auf Antrag der BWB 348,97 Mio. € an Geldbußen durch das Kartellgericht über Unternehmen verhängt worden, die Verstöße gegen das österreichische oder europäische Wettbewerbsrecht begangen hätten. Das entspreche in etwa dem Sechsfachen der vom Bund für die BWB bislang insgesamt aufgebrachten Budgetmittel, rechnete Harsdorf-Borsch vor. Allein für das Jahr 2022 seien mehr als 90 Mio. € an Bußgeldern angefallen.
Umfangreiche Aufgabe habe die Behörde im Bereich der Unternehmenszusammenschlüsse. Seit 2002 habe sie mehr als 7.500 nationale Zusammenschlüsse geprüft, davon 340 im Jahr 2022. Insgesamt flossen dem Bund damit rund 15 Mio. € durch Anmeldegebühren zu. Erfolgreiche Ermittlungen der BWB deckten Kartelle unter anderem bei Aufzügen, im Lebensmittelhandel, bei Spediteursleistungen, aber auch im Markt für Roboter-Staubsauger und im Onlinehandel auf. Zudem sei die erfolgreiche Aufarbeitung des größten Kartells der Zweiten Republik in der Bauwirtschaft gelungen.
Das Jahr 2022 sei stark von steigenden Preisen, Lieferengpässen und Wachstumseinbrüchen geprägt gewesen, berichtete die Leiterin der BWB. Eine Prioritätensetzung habe 2022 daher bei Marktuntersuchungen auf die Energiemärkte (Treibstoffe, E-Mobilität) und Lebensmittel stattgefunden. Im Rahmen der vielseitigen Tätigkeiten seien Ermittlungen aufgrund konkreter Verdachtsmomente, unter anderem in den Bereichen Schultaschen, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäudetechniksysteme, Abfallwirtschaft, Submetering oder bei Möbeltischlereiarbeiten erfolgreich vorangetrieben bzw. abgeschlossen worden.
In weiterer Folge ging die Leiterin der BWB auf zahlreiche Detailfragen der Abgeordneten ein. Zur Frage an E-Tankstellen, die von den Abgeordneten Christoph Matznetter (SPÖ) und Andreas Ottenschläger (ÖVP) angesprochen wurde, teilte sie mit, dass die Preistransparenz ein wichtiger Faktor sei. Ihre Behörde habe daher die bestehenden Empfehlungen dazu aktualisiert. Derzeit bestehe aber hier ein nicht regulierter Bereich, sagte Harsdorf-Borsch.
Die Strukturen des Lebensmittelhandels in Österreich mir ihrer Konzentration auf wenige Unternehmen habe die Behörde bei ihrer Gründung diese Verhältnisse bereits weitgehend vorgefunden, sagte die Leiterin der BWB in Richtung des Abgeordneten Axel Kassegger (FPÖ). Daher könne sie wenig Einfluss darauf nehmen. Aktuell sehe sich die Behörde an, ob der Wettbewerb hier noch funktioniere. Die Lebensmittelpreise würden derzeit aufgrund eines definierten Warenkorbes untersucht, erfuhr Abgeordnete Elisabeth Götze (Grüne). Die Kooperation der Unternehmen sei dabei sehr gut, sie erwarte einen Bericht bis Ende Oktober. Grundlegend liege Österreich bei Kartellverfahren im internationalen Vergleich sehr gut, versicherte sie der Abgeordneten der Grünen. Mit mehr Personal würde man hier zweifellos noch mehr erreichen können.
Zur Untersuchung der Entwicklung der Energiepreise sei demnächst eine Energieplattform geplant, teilte Harsdorf-Borsch Abgeordneter Karin Doppelbauer (NEOS) mit.
Wirtschaftsminister Martin Kocher berichtete, das die Bundesregierung beschlossen habe, die Behörde, die eine wichtige Rolle für das Funktionieren der Marktwirtschaft habe, weiter zu stärken. Den Abgeordneten Matznetter (SPÖ) und Doppelbauer (NEOS) versicherte der Wirtschaftsminister, dass er sehr daran interessiert sei, dass rasch eine dauerhafte Nachbesetzung der Leitung der BWB erfolge. Sein Ressort habe die Ausschreibung durchgeführt, die endgültige Entscheidung liege aber nicht in seiner Ingerenz.
AUSZAHLUNGEN DES HÄRTEFALLFONDS FÜR SELBSTSTÄNDIGE WEITGEHEND BEENDET
Von den regelmäßigen Berichten des Wirtschaftsministeriums über die Auszahlungen zu Maßnahmen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds und aus dem Härtefallfonds lagen dem Wirtschaftsausschuss heute die Monatsberichte für März (III-940 d.B.) und April 2023 (III-958 d.B.) vor. Demnach sind für den Härtefallfonds für Selbstständige seit Beginn der Maßnahmen bis zum Berichtsstichtag 31. März 2023 insgesamt 2.362.484 Anträge eingelangt. Davon wurden 2.057.453 positiv erledigt, mit Auszahlungen an Fördernehmer:innen von rund 2,42 Mrd. €. Im März 2023 erfolgten noch Auszahlungen, im April jedoch keine mehr.
Die Abwicklung des Härtefallfonds erfolgt im Auftrag des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Um eine ordnungsgemäße Abwicklung und Abrechnung des Härtefallfonds zu gewährleisten, ist die Buchhaltungsagentur des Bundes (BHAG) mit der systemischen Prüfung der Abwicklung des Härtefallfonds durch die WKO beauftragt. In den Berichtsmonaten März und April 2023 erfolgten keine weiteren Auszahlungen für Prüfungen.
Die nachträglichen Prüfungen der Auszahlungen würden insbesondere für kleinere Unternehmen einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedeuten, zeigten sich die Abgeordneten der Opposition einig. Christoph Matznetter (SPÖ) meinte, es zeige sich einmal mehr, dass das Förderprogramm unnötig kompliziert gestaltet worden sei. Die Prüfungen würden oft bedeuten, dass mehr Kosten für Steuerberater:innen anfallen, als die Unternehmen je an COVID-19-Förderungen erhalten hätten. Gleichzeitig weigere sich die Bundesregierung, Geld von großen Unternehmen, die ganz klar überfördert wurden oder die Förderrichtlinien nicht erfüllten, zurückzuholen. Karin Doppelbauer (NEOS) sah eine Weiterführung der Intransparenz, die bereits bei den COVID-19-Förderungen begonnen habe, sich nun bei den Prüfungen fortzusetzen. Axel Kassegger (FPÖ) erinnerte daran, dass die Freiheitlichen sich von Anfang an kritisch zur Förderabwicklung des Härtefallfonds geäußert hätten. Nun bestätige sich einmal mehr, dass hier ein „Bürokratiemonster“ geschaffen wurde. Die Prüfungen seien im Grunde eine Förderung für Steuerberatungen, meinte der Abgeordnete.
ÖVP-Abgeordneter Christoph Stark sagte, er könne den Unmut über Prüfungen teilweise nachvollziehen. Allerdings seien es gerade die Oppositionsparteien gewesen, die darauf gedrängt hätten, dass rasch Hilfsmaßnahmen erfolgen. Das habe die Bundesregierung auch umgesetzt. Allerdings sei dabei immer klar gewesen, dass es nachträgliche Kontrollen geben müsse. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Ziele der Hilfen, eine Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit zu vermeiden, erreicht wurden.
Jakob Schwarz (Grüne) meinte ebenfalls, der Zweck des Härtefallfonds sei erreicht worden, nämlich in der Pandemie zügig Hilfe für alle Unternehmen bereitzustellen, die sie brauchten. Die Kritik an der Abwicklung könne er nur teilweise nachvollziehen. Bei Überforderungen gebe es immer die Möglichkeit, diese im Rahmen von Betriebsprüfungen zu erkennen und Rückforderungen zu stellen.
Auf die Frage von Elisabeth Götze (Grüne), wie lange die Berichte weitergeführt würden, erklärte Wirtschaftsminister Kocher, dass es eine gesetzliche Berichtspflicht gebe, solange noch Auszahlungen und Kontrollen erfolgen. Das sei derzeit noch der Fall.
NEOS DRÄNGEN AUF REFORM DES WAHLSYSTEMS DER WIRTSCHAFTSKAMMER
Mit Hinweis auf eine rechtskräftige Verurteilung eines Kandidaten des ÖVP-Wirtschaftsbundes wegen Fälschung von Stimmzetteln bei der Wirtschaftskammerwahl 2020 verlangen die NEOS grundlegende Reformen des Wahlsystems der Wirtschaftskammer. Dieses müsste einfach, transparent und demokratischer werden (2198/A(E)). Die Bundesregierung solle dazu in Gespräche mit Vertreter:nnen der Kammer eintreten, damit Konsequenzen aus den Vorfällen gezogen werden, meinte NEOS-Abgeordneter Johannes Margreiter.
ÖVP-Abgeordneter Laurenz Pöttinger sprach sich für die Vertagung des Antrags aus, den er als unsachlich und parteipolitisch motiviert bewertete. Das Wahlsystem der Wirtschaftskammer sorge dafür, dass auch kleine Branchen eine Stimme erhalten. Christoph Matznetter (SPÖ) hielt ihm entgegen, dass diese Vertretung zwar wertvoll sei, dass aber grundsätzlich das Wahlsystem reformiert werden müsse. Die Durchführung der Wahlen sei unnötig kompliziert, was dazu führe, dass die Wahlbeteiligung niedrig und wichtige Berufsgruppen nicht repräsentiert seien.
NEOS FORDERN ENDE DER ÖSTERREICHISCHEN BLOCKADEHALTUNG ZUM MERCOSUR-ABKOMMEN
Die österreichische Ablehnung zum Mercosur-Abkommen basiere auf drei Entschlüssen aus den Jahren 2019 und 2021 und sei damit überholt, argumentieren die NEOS. Eine Ablehnung a priori könne nicht im nationalen Interesse sein, argumentierte NEOS-Abgeordneter Johannes Margreiter. Ein Handelsabkommen öffne nicht nur Märkte und schaffe Arbeitsplätze, es könne auch Umweltschutz-, Produktions-, und Menschenrechtsstandards positiv beeinflussen, argumentierte der Abgeordnete. Seine Fraktion fordere daher, Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen nicht bereits vor deren Abschluss durch Vetodrohungen zu blockieren (3278/A(E)).
Elisabeth Götze (Grüne) betonte, Handelsabkommen dürften nicht nur zu mehr „Free Trade“ führen, sondern müssten mehr „Fair Trade“ bewirken. Da hierzu keine Veränderungen erkennbar seien, ändere sich an der Haltung Österreichs nicht, weshalb der Antrag vertagt werden sollte. Andreas Ottenschläger (ÖVP) wies darauf hin, dass auch unter den beteiligten südamerikanischen Staaten keine Einigkeit bestehe, was das Abkommen betreffe, weshalb sich hier keine weitere Bewegung ergeben habe. Christoph Matznetter (SPÖ) sah aufgrund neuer politischer Entwicklungen die Chance für ein faires Abkommen, dass auch die Interessen von Natur und Menschen berücksichtigt.
SPÖ FÜRCHTET „AUSVERKAUF“ ÖSTERREICHISCHER ROHSTOFFE
Mit dem Hinweis auf Medienberichte, wonach die Republik Österreich einem Unternehmen im wirtschaftlichen Eigentum eines australischen Konzerns die Rechte des „Aufsuchens“ von bundeseigenen mineralischen Rohstoffen überlassen habe, fordert die SPÖ eine Änderung des Bundesgesetzes über mineralische Rohstoffe (3106/A). Um Transparenz zu schaffen und einem möglichen „Ausverkauf“ österreichischer Rohstoffe entgegenzuwirken, solle künftig zu solchen Rechtsgeschäften mit ausländischen Unternehmen die Zustimmung im Hauptausschuss des Nationalrates erforderlich werden, erläuterte SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits.
Andreas Ottenschläger (ÖVP) meinte, die Intention des Antrags sei zwar durchaus nachvollziehbar. Er halte aber eine Abgrenzung, welche Unternehmen von der Regelung erfasst werden sollten, für eher schwierig. Daher spreche er sich für die Vertagung des Antrags aus.
FPÖ WILL VOLKSWIRTSCHAFTLICHE AUSWIRKUNGEN DER „KLIMAKLEBER-AKTIONEN“ IN ÖSTERREICH ERHEBEN LASSEN
Seit einiger Zeit komme es in Österreich immer wieder zu massiven Störaktionen und Protesten von sogenannten „Klimaklebern“, etwa durch Verkehrsblockaden, Drohungen und Sachbeschädigungen, stellt FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger fest. Die FPÖ fordere daher die Erstellung einer Studie über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der „Klimakleber-Aktionen“ in Österreich (3457/A(E)).
Es sei evident, dass die Aktionen zu enormen negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen führen, etwa durch Staus, meinte Kassegger im Ausschuss. Deshalb sollten die Folgen der Aktionen erhoben werden. Jakob Schwarz (Grüne) hielt ihm entgegen, dass man allenfalls nicht nur die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einbeziehen müsste, sondern auch die Folgen ausbleibender Klimaschutzmaßnahmen. Da diese schwer festzulegen seien, spreche er sich für die Vertagung aus. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) sox
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