Effektiver Kinderschutz braucht klare Abläufe und koordiniertes Vorgehen

Wieder erschüttert ein schwerer Kinderschutzfall Österreich. Damit steht die Frage im Raum, welche Maßnahmen notwendig sind, damit Kinder, die Gewalt erleben, wahrgenommen und gehört werden sowie entsprechende Maßnahmen zu ihrem Schutz eingeleitet werden.

_„Es ist leider kein Einzelfall, dass Kinder mehrmals von ihrer Not erzählen müssen, um ernst genommen zu werden. Leider kommt es auch bei der Weiterleitung von Wahrnehmungen von einer Stelle zur nächsten oftmals zu Informationsverlusten“,_ schildert Petra Birchbauer, Vorsitzende des Bundesverbandes Österreichischer Kinderschutzzentren.

Im Nachhinein, wenn alle Fakten am Tisch liegen und sich die Puzzlesteine zusammengefügt haben, wird klar, was noch getan hätte werden müssen. Im Prozess der Abklärung ergeben sich leider oft viele Hürden bzw. Unsicherheiten, die zum Nachteil von Kindern sind.

Analysen von schweren Kinderschutzfällen zeigen u.a., dass

* Kinder oftmals nicht gesehen und im Rahmen der Gefährdungseinschätzung zu wenig beteiligt werden
* Fachkräfte in diesen Fällen zu sehr auf die Bedürfnisse der Eltern fokussieren und dadurch das Wohl der betroffenen Kinder aus den Augen verlieren
* unterschiedliche Risikoeinschätzungen von Fachkräften/Institutionen, die mit dem Kind zu tun haben, zu wenig berücksichtigt werden
* sich die Abklärung der Gefährdung und die Unterstützung oftmals – einem traditionellen Rollenbild folgend – auf die Mutter konzentriert und die Väter/Lebensgefährten, vor allem wenn sie nicht im gleichen Haushalt leben, nicht in ausreichender Form eingebunden oder auch gehört werden
* Beobachtungen falsch interpretiert werden oder die Anzeichen für Gewalt oder Vernachlässigung nicht erkannt werden oder auch
* die Kooperationsbereitschaft von Eltern mit Veränderungsbereitschaft gleichgesetzt wird.

Der sensible Bereich der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung braucht gemeinsame, österreichweite Standards. Seit der „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe 2018 in Österreich ist das Prozedere der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung allerdings nicht mehr im Bundesgesetz geregelt, sondern jedes Bundesland hat ein eigenes Landesgesetz und eigene Erläuterungen, wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll.

_„Schwere Kinderschutzfälle mit problematischen Verläufen brauchen eine verpflichtende, transparente Aufarbeitung durch unabhängige Expert*innen auf Bundesebene. Nicht um Schuld zuzuweisen, sondern um aus Fehlern zu lernen und daraus abgeleitet bundesweit entsprechende Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten“_, fordert Petra Birchbauer. Ziel muss sein, die Interventionsketten bei Verdacht auf Gewalt sowie die Schnittstellen zwischen Personen, die Gefährdungen wahrnehmen, und dem behördlichen Kinderschutz weiter zu verbessern.

_„Kinderschutzkonzepte sollen für jede Institution, die mit Kindern arbeitet, verpflichtend sein und sind wirksam, wenn die Abstimmung mit anderen Einrichtungen funktioniert, alle gut zusammenarbeiten und rasches Handeln und Austausch möglich sind. Behördlicher und nicht-behördlicher Kinderschutz müssen Hand in Hand gehen“_, bemerkt Hedwig Wölfl, stellvertretende Vorsitzende im Bundesverband der Österreichischen Kinderschutzzentren.

_„Gleichzeitig ist aber auch notwendig, zum Schutz von Kindern, die Gewalt erfahren haben, eine gemeinsame Kinderschutz-Richtlinie mit Medien zu entwickeln, wie sensibel über Vorfälle berichtet werden kann, ohne dass diese Kinder über die Berichterstattung identifiziert oder durch die Schilderung von Details weiter belastet und beschämt werden“_, betont Petra Birchbauer.

_„Denn Kinder, die Gewalt erfahren haben, brauchen Ruhe und Zeit zur Stabilisierung sowie einen sicheren Ort und verlässliche und vertrauensvolle, zugewandte Bezugspersonen“_, ergänzt Hedwig Wölfl.

Der Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren fordert

* eine verpflichtende Aufarbeitung von schweren Fallverläufen im Kinderschutz im Rahmen einer permanenten Kinderschutz-Kommission
* die Rücknahme der „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe und damit einheitliche Standards im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe
* eine*n unabhängige*n Beauftragte*n für Gewalt an Kindern und Jugendlichen auf Bundesebene
* die Förderung eines bedarfsgerechten Ausbaus von Kinderschutzeinrichtungen sowie
* den bundesweiten Ausbau von Fachberatung in Kinderschutzzentren, als niederschwellige Unterstützung für Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und die mit einem Verdacht konfrontiert sind.

DIE ÖSTERREICHISCHEN KINDERSCHUTZZENTREN
Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren
Martina Wolf
Geschäftsführung
Mail: martina.wolf@oe-kinderschutzzentren.at
Tel: +43 (0)664 887 364 62

Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren
www.oe-kinderschutzzentren.at

Kontaktdaten aller Kinderschutzzentren in Österreich:
www.kinder-schuetzen.at

Über Kinderschutzkonzepte (Information & Unterstützung)
www.schutzkonzepte.at

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