Nachfrage nach Investitionskrediten weiterhin rückläufig

Österreich-Ergebnisse der euroraumweiten Umfrage über das Kreditgeschäft vom Juli 2023 (Bank Lending Survey)

Wien (OTS) – Im zweiten Quartal 2023 ist die Nachfrage nach Investitionskrediten neuerlich gesunken und somit schon seit Mitte 2022 rückläufig. Hintergrund ist die konjunkturelle Eintrübung infolge der globalen wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen sowie das höhere Zinsniveau. Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten stagnierte im zweiten Quartal 2023, nachdem sie in den drei Quartalen zuvor stark gefallen war. Die gestiegenen Zinsen und die unsichere Wirtschaftslage sind die wesentlichen Gründe für diese Entwicklung. Die Banken integrieren zunehmend Klima-Risiken bei der Kreditvergabe, was zu einer strengeren Kreditvergabe für Unternehmen bzw. Projekte, die in hohem Maße zum Klimawandel beitragen, führt. Das zeigen die Ergebnisse der vierteljährlichen Umfrage der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) über das Kreditgeschäft, in der führende Banken nach ihren Einschätzungen gefragt werden. Die aktuelle Umfrage wurde in der zweiten Junihälfte 2023 durchgeführt.

Kreditgeschäft mit Unternehmen: Nachfrage nach Investitionskrediten sinkt seit Mitte 2022

Nach einem leichten Rückgang im ersten Quartal meldeten die heimischen Banken für das zweite Quartal 2023 neuerlich eine insgesamt gesunkene Kreditnachfrage von Unternehmen. Bereits im vierten Quartal 2022 war ein über eineinhalb Jahre dauernder Trend einer steigenden Nachfrage zu einem Halt gekommen. Während der kurzfristige Finanzierungsbedarf für Lagerhaltung und Betriebsmittel bis zum vierten Quartal 2022 deutlich gestiegen ist und seither auf erhöhtem Niveau verharrt, sinkt die Nachfrage nach Investitionskrediten seit dem dritten Quartal 2022. Im Ausblick auf das dritte Quartal 2023 erwarten die an der Umfrage teilnehmenden Banken eine weiterhin rückläufige Gesamtnachfrage nach Unternehmenskrediten, deren Hauptgrund die derzeit schwache Investitionsdynamik ist.

Diese Entwicklungen sind eine Folge globaler politischer und wirtschaftlicher Verwerfungen wie beispielsweise der Krieg in der Ukraine, Lieferkettenprobleme, Preisschocks und die allgemeine Abkühlung der Weltkonjunktur sowie höhere Zinsniveaus. Die Lieferkettenprobleme haben einen vorsorglichen Aufbau der Lagerbestände erfordert; die Engpässe haben sich inzwischen aber weitgehend aufgelöst. Umfassende Preissteigerungen haben generell den Liquiditätsbedarf der Unternehmen erhöht. Die hohe Unsicherheit, die Abkühlung der globalen Konjunktur und steigende Zinsen wirken hingegen dämpfend auf die Nachfrage nach langfristigen Krediten, weil Investitionen zurückgenommen oder verschoben werden.

Die Banken haben ihre Angebotspolitik für Unternehmenskredite seit dem zweiten Quartal 2022 umfassend verschärft – hauptsächlich aufgrund einer ungünstigeren Risikoeinschätzung. Für das dritte Quartal 2023 werden weitere Verschärfungen erwartet.

Private Wohnbaukredite: Nachfrage stagnierte im zweiten Quartal 2023 nach starken Rückgängen zuvor

Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten stagnierte im zweiten Quartal 2023. In den drei Vorquartalen war sie stark rückläufig. Für das dritte Quartal 2023 gehen die befragten Banken von einer anhaltenden Stagnation aus. Mit dem Einbruch im zweiten Halbjahr 2022 ging eine lange Phase steigender Kreditnachfrage abrupt zu Ende. Als wesentliche Gründe für den Nachfragerückgang wurden die gestiegenen Zinsen und die unsichere Wirtschaftslage genannt. Kredite sind teurer und weniger leistbar geworden, insbesondere im derzeit schwierigen Umfeld mit hoher Inflation und schwacher Konjunktur.

Angebotsseitig blieben die bankinternen Richtlinien und die Margen für Wohnbaukredite im zweiten Quartal 2023 weitgehend unverändert. Die Richtlinien wurden zuletzt im dritten Quartal 2022 verschärft. Die Margen wurden seit 2021 kaum geändert.

Zunehmende Bedeutung des Klimawandels für das Kreditgeschäft mit Unternehmen

Die Banken berücksichtigen zunehmend die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit von Unternehmen auf das Klima in ihrer Angebotspolitik. Das führt zu einer strengeren Kreditvergabe (strengere Kreditrichtlinien, ungünstigere Kreditbedingungen) für Unternehmen bzw. Projekte, die in hohem Maße zum Klimawandel beitragen. Bei den Verschärfungen spielt die Risikosituation eine Rolle – der Klimawandel und seine Folgen verursachen unter anderem physische Risiken und beeinflussen die wirtschaftliche Lage bzw. die Kreditwürdigkeit der Unternehmen (z. B. verminderter Wert der Aktiva). Nachfrageseitig nimmt der Finanzierungsbedarf der Unternehmen für Investitionen und Umstrukturierungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu (z. B. Transition zu einer „grüneren“ Produktion oder Absicherung gegen physische Risiken des Klimawandels).

Die Zentralbanken des Euroraums – in Österreich die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) – führen gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Anfang 2003 viermal jährlich eine Umfrage über das Kreditgeschäft im Euroraum durch, um ihren Informationsstand über das Kreditvergabeverhalten der Banken, die Kreditnachfrage von Unternehmen und privaten Haushalten, sowie sonstige die Geldpolitik betreffende Themen zu verbessern. Dabei werden rund 160 führende Banken aus allen Ländern des Euroraums befragt, darunter acht Institute aus Österreich.
Ein ausführlicher Bericht über die Österreich-Ergebnisse wird in der Publikationsreihe „OeNB Reports“ veröffentlicht (https://bit.ly/3Yau0Mf). Weitere Informationen und Daten zur Umfrage finden sich auf der OeNB-Website unter https://bit.ly/3OtDRJR.
Die Resultate für den Euroraum werden von der EZB auf ihrer Website publiziert (https://bit.ly/3Hr0kCv).

Oesterreichische Nationalbank
Dr. Christian Gutlederer
Pressesprecher
(+43-1) 404 20-6900
christian.gutlederer@oenb.at
www.oenb.at

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