Rumänien: Die „Republik von Ploiești“

Falsche Klientelpolitik kann Gesellschaften schwächen. Insbesondere, wenn dadurch Nutznießer zu Mittätern werden und die Korruptionsbekämpfung an Schlagkraft verliert.

Allerdings sehen österreichische Unternehmer Licht am Ende des Tunnels in Ploiești, der Ölstadt Rumäniens, 60 km nördlich von Bukarest.

2005 erhielt Sebastian Ghiţă den Titel „Ehrenbürger von Ploiești “ für sein Engagement für das lokale Basketball-Team. Insbesondere wurde damit seine Selbstlosigkeit und Hingabe, mit der er sich an der Entwicklung des Leistungssports in Ploiești beteiligte, gewürdigt. Das änderte sich allerdings wenige Jahre später.

Ghiţă, 1978 in Ploiești geboren, hatte immer das Zeug zum Entrepreneur. Er gilt als Inhaber des quotenstärksten rumänischen TV-Senders, einer IT-Firma und war vormals Abgeordneter im Bukarester Parlament. Ghiţă floh im Dezember 2016 vor der rumänischen Justiz und befindet sich heute in Serbien. Aktuell werden mehrere Strafverfahren vor rumänischen Gerichten und Staatsanwaltschaften gegen ihn geführt. Einige davon wurden bereits eingestellt. Die Aberkennung Ghițăs Ehrenbürgertitel beschäftigt seit Monaten das Stadtparlament. Dessen Mitglieder den Flüchtigen selbst in die Ölstadt bestellen wollten, um der Prozedur persönlich beizuwohnen.

Mit „eiserner Hand“ werde gegen Korruption gekämpft, meint Karl Leidenfrost, CEO der österreichischen Habau, einer Baufirma mit Hauptaugenmerk im Öl und Gasbereich in Rumänien: „Einige der einflussreichsten Geschäftsmänner sind nun nicht mehr in Ploiești anzutreffen und sofern sie ‚flüchten konnten’ denken sie auch nicht daran, nach Ploiești zurückzukehren“.

Nach 1989 war Ploiești mit seinen fast 250.000 Einwohnern Schauplatz zahlreicher Privatisierungen. Die Stadt erlebte ein schnelles Wachstum, wurde modernisiert aber auch zu einer Hochburg des Klientelismus. Wenn in Rumänien jemand plötzliche seine Einstellung ändert, wird oft pointiert gesagt: „Du verdrehst dich, wie in Ploiești“.

Die Stadt wurde auch jahrelang von der sogenannten „Mafia des Portocală” beherrscht. Der Name ist angelehnt an den Spitznamen eines ehemaligen lokalen Staatsanwalts, gegen den – wegen Amtsmissbrauchs und ungerechtfertigter Strafverfolgung – ermittelt wurde, behauptet die lokale Presse. Der Staatsanwalt wurde jedoch mittlerweile freigesprochen. Erst kürzlich forderte er Schadenersatz vor Gericht.

Um 1830 war Ploiești, die Stadt mit den vielen Wirtshäusern, eine Art „Babylon“, in dem die Einheimischen die Straßen, die Elendsviertel und das Stadtzentrum mit Schweinen teilten. Diese wurden damals von Züchtern freigelassen, behinderten den Verkehr und wühlten in den Gassen, auf den Märkten, bei den Verkaufsständen der Händler, auf den Friedhöfen und sogar neben den Kirchen herum. Erst 1910 wurde die Situation mit Hilfe der Feuerwehr, welche die Schweine schließlich jagen musste, endgültig bewältigt. 

DIE ÖLBARONE VON PLOIEȘTI

In Rumänien, dem ersten Land der Welt, das bereits vor dem Jahr 1900 Treibstoff exportierte, blickt der florierende Handel mit Erdölprodukten auf eine lange Tradition zurück. Im Jahr 1857 wurde in Ploiești die erste Ölraffinerie der Welt eröffnet.

„Republik von Ploiești ” – so nennen die Rumänen abschätzig ein gescheitertes Unterfangen, eine Farce. Die Bezeichnung beruht auf dem Missverhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel eines Vorhabens. 1870 fand – ebenfalls in Ploiești – eine versuchte Revolution statt, die nur einen Tag anhielt und den Sturz des 1866 auf den Thron der rumänischen Fürstentümer eingesetzten deutschen Prinzen „Carol“ zum Ziel hatte. Die Drahtzieher wurden später wieder freigelassen, sehr zum Ärger des zukünftigen Königs.

Ploiești, dank der reichen Ölfelder auch die „Hauptstadt des schwarzen Goldes” genannt, war zwischen den beiden Weltkriegen ein Ort des Wohlstands, des dekadenten Luxuslebens, der viele Ausländer anlockte. Für das bis Mitte 1944 mit Rumänien verbündete NS-Regime war die Region während des Russland-Feldzugs als wichtige Ölquelle von höchster Bedeutung.

Nicht wenige Rumänen sind stolz auf die frivole Geschichte von Ploiești. In der Stadt wurde es zum Brauch, dass sich die Einwohner mit _„Was magst du trinken?“_ begrüßten. Kein Wunder, kam doch auf zweihundert Einwohner eine Bar. Im Jahr 1877, im russisch-türkischen Krieg, beherbergte die Stadt für einige Monate den Zaren Alexander II. und seinen gesamten kaiserlichen Hofstaat. Nach 1989 kamen Russen als Geschäftsführer der Lukoil-Raffinerie wieder nach Ploiești. Überrascht mussten sie allerdings über den Zaun beobachten, wie das Einweihungsband bei der feierlichen Inbetriebnahme des benachbarten JetFly – Umschlagterminals vom US-Botschafter in Rumänien durchschnitten wurde.

Nachdem JetFly die entsprechenden Ausschreibungen gewonnen hatte, kaufte die rumänische Luftwaffe von nun an den Treibstoff vom JetFly – Hub. Kerosin wäre gepanscht und damit wurden die rumänischen Militärflugzeuge, größtenteils alte UdSSR – MIG21, beschädigt, war die Behauptung der Staatsanwaltschaft in Ploiești, die rasch ein Strafverfahren einleitete und die mutmaßlichen Täter festnahm. Diese wurden später in Rekordzeit aus Mangel an Beweisen freigelassen. Eine Entscheidung, die vom Obersten Gerichtshof in Bukarest bestätigt wurde.

Mittlerweile sind die MiG21-Jagdflieger Geschichte, geblieben ist aber das Strafverfahren. „Es gibt keine Beweise oder vernünftige Anhaltspunkte. Die Strafverfolgung begann bereits im November 2020 und dauert heute noch an“ so Dan Berendel, rumänischer Unternehmer und Inhaber des JetFly-Terminals. 

UNENDLICHE ERMITTLUNGEN

Diese „unvollendete“ Korruptionsbekämpfung, dauert lange und endet sehr spät mit einem Gerichtsbeschluss. Aufgrund der mit den Verfahren verbundenen Verdächtigungen, wird eine falsche gesellschaftliche Norm widergespiegelt. Auch wenn die rumänischen Richter heutzutage nicht mehr von den Staatsanwälten bevormundet werden, stellt sich die Frage, ob die „Republik von Ploiești “ wieder erwacht. 

Viele dieser Probleme, die wir immer noch in Rumänien antreffen gibt es in Ploiești nicht mehr. Die gesunde Entwicklung der Stadt scheint heute Vorrang gegenüber anderen Interessen zu haben. „Für unseren Firmensitz“, so Leidenfrost, „war somit von Anfang an klar: nur Ploiești kann es sein! Dies aufgrund der Nähe zum Öl und Gasgeschäft, dem Sitz vieler österreichischer Unternehmen und schlussendlich aufgrund der gut qualifizierten Mitarbeiter, die dort zu finden sind. Es gibt nicht viele Städte mit einer eigenen Öl – und Gasuniversität“.

Dr. Alex Todericiu
Österreichischer Unternehmensberater und Auslandskorrespondent für rumänische Medien in Wien.
Tel: +43 (676) 9400091, email: alex@todericiu.com

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender

Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.