Opposition sieht Gesetzeslücken beim Diskriminierungsschutz und fordert Reform des Kinderunterhaltsrechts

Gleichbehandlungsausschuss: Ergebnisse der Menstruationsstudie sollen Anfang nächsten Jahres vorliegen

Forderungen nach einer Ausweitung des Diskriminierungsschutzes sowie nach einer raschen Reform des Kinderunterhaltsrechts waren nur einige der Themen, die heute im Gleichbehandlungsausschuss behandelt wurden. Nicht nur dazu lagen oppositionelle Vorschläge vor, sondern etwa auch bezüglich einer Einrichtung einer niederschwelligen Meldestelle gegen LGBTIQ-feindliche Hassverbrechen, die von der SPÖ gefordert wurde. Im letzten Block standen Gesundheitsthemen im Mittelpunkt. Während sich die SPÖ für einen Aktionsplan gegen Endometriose einsetzte, verlangte die FPÖ den Ausbau der Ambulanzen für peripartale Psychiatrie. Die NEOS wiederum wollten die Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen (Social Egg Freezing) auch dann erlauben, wenn keine medizinische Indikation vorliegt, sowie die Folgen der Coronakrise aus der Perspektive der Frauen aufarbeiten. Alle Initiativen der Opposition wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

AUSWEITUNG DES DISKRIMINIERUNGSSCHUTZES AUSSERHALB DER ARBEITSWELT UND MASSNAHMEN GEGEN ALTERSDISKRIMINIERUNG

Bereits seit Langem wird sowohl in Österreich als auch auf EU-Ebene über eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeitswelt diskutiert. Die SPÖ hat dazu zuletzt im April 2021 einen Antrag eingebracht, der im Sozialausschuss liegt. Nun unternimmt sie einen neuen – erweiterten – Vorstoß (2412/A). Konkret geht es Abgeordneten Mario Lindner darum, dass Menschen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen nicht diskriminiert werden dürfen, und zwar nicht nur wie derzeit unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern auch unabhängig von ihrem Alter, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität, ihres Geschlechtsausdrucks oder ihrer Geschlechtsmerkmale. Das soll insbesondere auch den Zugang zu Wohnungen betreffen. Eine Erhebung der EU-Grundrechteagentur zeige deutlichen Handlungsbedarf, argumentiert Lindner. So hätten 35 % der befragten LGBTIQ-Personen in Österreich Diskriminierungen außerhalb der Arbeitswelt – 7 % bei der Wohnungssuche, 21 % in Bars oder Restaurants, 10 % in Geschäften – erfahren. Zudem ist der SPÖ auch eine Gleichbehandlung im Bereich des Sozialschutzes, bei sozialen Vergünstigungen und bei Bildung ein Anliegen.

Man müsste nur eine Gesetzeslücke schließen, argumentierte Lindner (SPÖ), er verstehe daher nicht, warum Fortschritte in diesem Bereich so lange dauern würden. Außerdem seien diese Fragen auf landesgesetzlicher Ebene schon geregelt. Dies führe zu der absurden Situation, dass man sich bei Diskriminierungen im Zusammenhang mit privaten Zimmervermietern auf diese Bestimmungen berufen könne, bei Vorfällen in Hotels – dafür ist der Bund zuständig – jedoch nicht.

Meri Disoski (Grüne) teilte den Standpunkt der SPÖ und sah einen dringenden Handlungsbedarf. Es sei zwar schon etwas Bewegung in die Sache gekommen, aber leider gehe es nicht so schnell, wie es sich die Grünen wünschten. Die Vertagung schmerze sie sehr, weil sie damit auch gegen ihre eigenen Interessen stimmen würde, räumte Disoski ein.

FPÖ-Vertreterin Rosa Ecker hielt eine gesetzliche Lösung für überschießend.

In einem weiteren Entschließungsantrag fordern die Freiheitlichen von der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration eine Erhebung ein, in welchen Bereichen es in Österreich zu Altersdiskriminierung komme. Umgehende Maßnahmen gegen diese Diskriminierungen sollten ebenfalls rasch präsentiert werden, um der zunehmenden Altersdiskriminierung entgegenzuwirken, führte die freiheitliche Mandatarin Rosa Ecker in ihrem Antrag aus. Laut österreichischer Gleichbehandlungsanwaltschaft steige die Altersdiskriminierung auch in der Arbeitswelt, die Arbeitssuche für Personen fortgeschrittenen Alters sei ebenso schwierig, wie auch für meist junge Berufseinsteiger. Benachteiligungen aufgrund der Annahme, dass Menschen aufgrund ihres Lebensalters bestimmte Fähigkeiten entweder noch nicht oder nicht mehr besitzen, führten zu vielen nicht nachvollziehbaren Einschränkungen für die Betroffenen (2688/A(E)) .

Auch wenn schon einiges getan wurde, würden noch viele Probleme bestehen, war Ecker überzeugt. So würden etwa bei der Abhebung von Bargeld am Bankschalter noch immer Gebühren verrechnet. Dies sei ungerecht gegenüber jenen älteren Personen, die vielleicht mit der Bedienung von Bankomaten nicht so gut zurechtkommen. Generell sollten ältere Menschen nicht wie Bittsteller behandelt werden.

Abgeordnete Maria Smodics-Neumann (ÖVP) verwies auf eine geplante EU-Richtlinie sowie auf bestehende Einrichtungen, an die sich Betroffene wenden könnten. Faika El-Nagashi (Grüne) sprach von legitimen Anliegen, wobei jedoch einige leichter und andere schwerer lösbar seien. Auch sie wollte die diesbezügliche EU-Richtlinie zunächst einmal abwarten.

SPÖ SIEHT NOTWENDIGKEIT FÜR EIGENE MELDESTELLE FÜR LGBTIQ-FEINDLICHE HASSVERBRECHEN

Die Forderung nach der Einrichtung einer niederschwelligen Meldestelle für LGBTIQ-feindliche Hassverbrechen kommt von Mario Lindner (SPÖ). In Österreich zeichne sich laut Entschließungsantrag ein stetiger Anstieg von Hate Crime-Delikten ab. Im Jahr 2021 seien insgesamt 6.619 Hassverbrechen erfasst worden, aufgrund der sexuellen Orientierung wurden 376 „Hate Crimes“ angezeigt, darunter 224 Gewaltdelikte. Eine Meldestelle könnte helfen, Opfer von potentiellen Hassverbrechen zu unterstützen, den Kontakt zu Behörden aufzunehmen und Programme wie die psychosoziale Prozessbegleitung zugänglicher zu machen (3493/A(E)). Viele hätten zudem Hemmschwellen, sich an die Polizeidienststellen zu wenden, vor allem im ländlichen Bereich, gaben sowohl Mario Lindner als auch seine Fraktionskollegin Katharina Kucharowits zu bedenken. Positiv sei aber, dass die Hassverbrechen seit 2020 in der Statistik erfasst würden.

Für sie stellten die Polizeidienststellen niederschwellige Anlaufstellen dar, meinte Rosa Ecker. Es sei auch für von Gewalt betroffene Frauen nicht einfach, sich an die Polizei zu wenden.

Seit 2020 gehe es in die richtige Richtung, bekräftigte Meri Disoski (Grüne), Hate Crime-Delikte werden nun gesondert in die Kriminalstatistik aufgenommen. Mittlerweile hätten auch schon über 20.000 Kriminalbeamt:innen spezielle Schulungen absolviert. Ähnliche Bestrebungen gebe es im Justizbereich, wo Richter:innen und Staatsanwält:innen noch mehr sensibilisiert werden sollen. Nico Marchetti (ÖVP) erinnerte an die konstruktiven Gespräche im Rahmen eines Round Tables mit Vertreter:innen des Innenressorts. Dieser Dialog müsse weitergeführt werden.

FPÖ DRÄNGT AUF RASCHE REFORM DES KINDERUNTERHALTSRECHTS

2018 gab es in Österreich 168.700 Alleinerziehende mit 246.200 zu versorgenden Kindern unter 25 Jahren, davon 90 % Frauen, streicht die FPÖ in einem Entschließungsantrag hervor (301/A(E)), der in den letzten Jahren schon sehr oft vertagt wurde. Eine zeitgemäße Kindesunterhalts- und Unterhaltsvorschussreform, die einen wichtigen Baustein zum Schutz vor Kinderarmut in getrennt lebenden Familien darstelle, sei aber noch immer ausständig, kritisierte Rosa Ecker. Sie forderte im Sinne der betroffenen Alleinerziehenden sowie ihrer Kinder daher von der Bundesregierung eine deutliche Beschleunigung sämtlicher Verfahren in Zusammenhang mit Kindesunterhalt. Geht es nach der FPÖ, sollten außerdem Unterhaltsvorschüsse unabhängig vom Alter des Unterhaltsempfangenden bis zum Ende der Ausbildung gewährt sowie laufende Unterhaltszahlungen bei Lohnpfändungen und Insolvenzverfahren zur Existenzsicherung in getrennt lebenden Familien vorrangig behandelt werden. Zudem sprechen sich die Freiheitlichen für eine generelle Erfassung von Daten zu Unterhalt und Unterhaltsvorschüssen samt statistischer Auswertung aus.

Eine Reform sei in der Tat schon lange fällig, betonte Katharina Kucharowits (SPÖ), die sich zudem einen konkreten Fahrplan für die Umsetzung der Forderungen wünschte.

Es handle sich dabei leider noch immer um ein sehr aktuelles Thema, konstatierte Sibylle Hamann (Grüne), bestehende Lücken im Kinderunterhaltsrecht und beim Unterhaltsvorschuss müssten geschlossen werden. Das Justizministerium arbeite schon seit geraumer Zeit an entsprechenden Gesetzesentwürfen, informierte sie, aufgrund der Komplexität nehme dies jedoch einige Zeit in Anspruch.

Eine ähnliche Bewertung nahm Bundesministerin Susanne Raab vor, die auf die vielen unterschiedlichen Problembereiche hinwies. Federführend bei dieser Materie sei aber das Justizressort.

SPÖ FÜR AKTIONSPLAN ENDOMETRIOSE UND FPÖ FÜR ÖSTERREICHWEITEN AUSBAU DER AMBULANZEN FÜR PERIPARTALE PSYCHIATRIE

Eva Maria Holzleitner (SPÖ) möchte Endometriose einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen. Dabei handle es sich um eine eher unbekannte und dennoch häufige gynäkologische Erkrankung mit schmerzhaften Wucherungen von Gewebe der Gebärmutterschleimhaut, von der ungefähr 10 % bis 15 % aller Frauen betroffen sind. Die Ursachen seien noch immer ungeklärt und Frauen würden im Stillen leiden, zeigte sich die Abgeordnete besorgt, weshalb sie die Ausarbeitung eines Aktionsplan zu Endometriose fordert, um die Betroffenen besser zu unterstützen und die Forschung voranzutreiben (2976/A(E)).

Rosa Ecker (FPÖ) forderte in einem weiteren Entschließungsantrag das Gesundheitsministerium sowie das Frauenministerium auf, das Angebot an Ambulanzen für peripartale Psychiatrie – also für Krisenfälle rund um die Schwangerschaft und die Geburt – auszubauen und künftig in jedem Bundesland ein derartiges Ambulanzangebot den betroffenen Frauen zur Verfügung zu stellen (2689/A(E)). Jede fünfte Frau stecke nach der Geburt ihres Kindes in einer psychischen Krise und diese Probleme würden aber nicht erkannt werden, begründete Ecker ihren Antrag. Die derzeit bundesweit einzige Ambulanz für peripartale Psychiatrie gäbe es in der Klinik Ottakring in Wien und das sei zu wenig.

Faika El-Nagashi (Grüne) machte darauf aufmerksam, dass  das Angebot an kassenfinanzierten Psychotherapieplätzen deutlich ausgebaut wurde. ÖVP-Abgeordneter Werner Saxinger sprach weiters die die sogenannten frühen Hilfen an, für die 15 Mio. € bereitgestellt wurden.

NEOS: ÄNDERUNG DES FORTPFLANZUNGSMEDIZINGESETZES, SOCIAL EGG FREEZING UND COVID-AUFARBEITUNGSPROZESS MIT FRAUEN-SCHWERPUNKT

Benachteiligungen von alleinstehenden Frauen bei der künstlichen Befruchtung (IVF) wollen die NEOS mit einem Initiativantrag zur Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes entgegenwirken. Das derzeitige Fortpflanzungsgesetz würde alleinstehenden Frauen keinen Zugang zu künstlichen Befruchtungen ermöglichen, zeigte Henrike Brandstötter (NEOS) die Problematik auf. Diese würden daher oft ins Ausland reisen, um Behandlungen durchführen zu lassen, was aber nicht nur hohe Kosten, sondern auch gesundheitliche Gefahren mit sich bringe. Damit Österreich hier nicht zum Nachzügler werde, müsse die Gesetzgebung an gesellschaftliche Wünsche angepasst werden und in Folge dessen die Bedingung einer Partnerschaft zur Nutzung von medizinisch unterstützter Befruchtung entfallen (2443/A)).

Damit es Frauen ermöglicht wird, Eizellen zum Zwecke einer späteren Befruchtung auch ohne medizinische Indikation – auf eigene Kosten – zu entnehmen und aufzubewahren, fordern die NEOS mittels Entschließungsantrag eine Reform des Fortpflanzungsmedizingesetzes (3279/A(E)). Derzeit sei dies nur möglich, wenn medizinische Gründe gegen eine natürliche Befruchtung sprechen. Diese Einschränkung sei ein Hindernis, weil oft erst durch das Warten auf Diagnosen Gründe gefunden werden, die zur notwendigen Nutzung von Fortpflanzungsmedizin führen, so die Argumentation für den Vorstoß. Außerdem steige das Erstgeburts-Alter  immer weiter an. Auch die stagnierenden Geburtenraten würden für eine Änderung der politischen Rahmenbedingungen sprechen, um Frauen im späteren Alter einen Kinderwunsch erfüllen zu können, führte Henrike Brandstötter (NEOS) ins Treffen.

Von Seiten der Grünen wurde der Handlungsbedarf gesehen, aber gleichzeitig auf die hohe Komplexität der damit verbundenen Fragen aufmerksam gemacht. Es werde jedenfalls an einem Gesetzesentwurf gearbeitet. Ein ähnliche Beurteilung nahm Eva Maria Holzleitner (SPÖ) vor. Sie unterstütze die Intention der Anträge, warnte aber zugleich davor, dass es nicht zu einer Kommerzialisierung kommen dürfe. Überdies brauche es strenge rechtliche Regelungen, damit kein Druck auf die Arbeitnehmerinnen ausgeübt werde.

Für sie seien „Kinder kein Lifestyle-Produkt“, bezog Rosa Ecker Stellung. Außerdem gebe es bereits Ausnahmeregelungen, etwa für krebskranke Frauen. Für Werner Saxinger (ÖVP) handelte es sich um ein komplexes und konträres Thema, das „uns noch länger begleiten“ werde.

Meri Disoski (Grüne) teilte mit, dass die von den Vertreter:innen der Oppositionsparteien angesprochene Menstruationsstudie im Jänner 2024 vorliegen soll. Endometriose sei ein sehr wichtiges Thema, von der über 300.000 Frauen betroffen seien. Was das Social Egg Freezing betrifft, so habe sich die Bioethikkommission bereits mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass es in den angesprochenen Fällen erlaubt sein soll. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag wurde bereits an die ÖVP weitergeleitet.

NEOS-Mandatarin Henrike Brandstötter forderte dazu auf, die Auswirkungen und Folgen der Pandemie auf Frauen aufzuarbeiten und im Rahmen des von der Bundesregierung angekündigten COVID-Aufarbeitungsprozesses wissenschaftlich zu analysieren (3391/A(E)). In ihrem Entschließungsantrag wird etwa auf die Zunahme der häuslichen Gewalt und die Kinderbetreuungspflichten im Zusammenhang mit dem Home-Schooling Bezug genommen, aber auch auf Einkommensverluste und psycho-soziale sowie gesundheitliche Konsequenzen. Die Mehrfachbelastung der Frauen gelte es zu beleuchten, damit es nie wieder zu einer Krise komme, die Frauen zurück in tradierte Rollenbilder zwinge, meinte sie.

Unterstützung kam von Meri Disoski (Grüne), die eine Frauen-fokussierte Aufarbeitung der Coronakrise befürwortete. Teilweise fand dieser Ansatz schon seinen Niederschlag im Frauengesundheitsbericht, wo die psychischen Folgen von COVID-19 bei Frauen und Mädchen näher beleuchtet wurden. (Fortsetzung Gleichbehandlungsausschuss) sue

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