OeNB-Prognose: Kerninflation sinkt ab 2024, bleibt jedoch hoch
Aktuelle Aussprache im Finanzausschuss mit OeNB-Chefs Holzmann und Haber
Die aktuellen wirtschaftlichen und finanzmarktrelevanten Entwicklungen analysierten heute die Abgeordneten im Finanzausschuss in einer Aussprache mit den Chefs der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) Robert Holzmann und Gottfried Haber. Die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) soll gemäß OeNB-Prognose in Österreich im Jahr 2023 auf 7,4 % steigen (2022: 5,1 %). In den Jahren 2024 und 2025 soll sie demnach auf 4,9 % bzw. 3,4 % sinken und damit im gesamten Prognosezeitraum über dem langfristigen Durchschnitt liegen. Vergleichsweise liegt die Prognose von September 2023 für den Euroraum für 2023 bei 5,1 %, für 2024 bei 2,9 % und 2025 bei 2,2 %.
Die Kerninflation liege damit über dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) bzw. der „Hauptinflation“, was Holzmann etwa darauf zurückführt, dass die in der Kerninflation nicht berücksichtigten Energiepreise wieder zurückgehen würden. Zu Unterschieden in den Inflationsprognosen, die Gerald Loacker (NEOS) etwa zwischen OeNB und WIFO erkennt, räumte Holzmann ein, dass die Differenz nicht sehr groß bzw. auf die jeweiligen Modelle und Einschätzungen zurückzuführen sei. Im Unterschied zum Rest von Europa sei für die Inflationsentwicklung im Bereich Dienstleistungen der Tourismus von starker Bedeutung in Österreich, meinte Holzmann auf Fragen von Kai Jan Krainer (SPÖ) und Loacker; auch das Thema Löhne spiele eine Rolle.
EZB-LEITZINSEN SEIT MITTE 2022 IN MEHREREN SCHRITTEN ERHÖHT
Die bisherigen Zinserhöhungen des EZB-Rats schlagen stark auf die Finanzierungsbedingungen im Euroraum durch, erläuterte Holzmann. Der EZB-Rat vertrete die Auffassung, dass sich die Leitzinsen auf einem Niveau befinden, das – wenn es lange genug aufrechterhalten wird – einen erheblichen Beitrag zur Erreichung des Preisstabilitätsziels leisten werde. Etwa die Finanzierung von Immobilien gerate durch die Zinserhöhungen mehr unter Druck, meinte Haber.
Was die Finanzstabilität in Österreich betrifft, liege der Gewinn des Bankensektors auf einem Rekordhoch, so Haber. Dies erhöhe seine Resilienz, da die Kapitalisierung durch einbehaltene Gewinne steige. Es gebe aber auch Risiken, da sich etwa das Kreditwachstum bereits merklich abschwäche, variabel verzinste Kredite wieder vermehrt vergeben würden und sich die Zinsmarge der Banken ihrem Höhepunkt annähere. Den Zenit an hohen Gewinnen bei den Banken schätze er als vorerst erreicht ein, ging Haber gegenüber Kai Jan Krainer (SPÖ) von einer Normalisierung der Ertragslage bei den Banken aus. Betreffend Stärkung des Eigenkapitals der Banken laute die Empfehlung auf zurückhaltende Gewinnverwendung, führte er auf Fragen von Gerald Loacker (NEOS) aus. In Richtung von Hubert Fuchs (FPÖ) meinte Haber, dass die Geschäftsmodelle und Risikosituationen der österreichischen Banken als solide und resilient wahrgenommen werden. Ein hoher Ergebnisbeitrag der österreichischen Tochterbanken sei weiterhin in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE) zu verzeichnen. Ein Viertel des CESEE-Geschäfts betreffe allerdings Russland und sei damit eine Sondersituation, so Haber.
Was das Risiko für Individuen durch variable Zinsen betrifft, stellte Holzmann die Überlegung in den Raum, ob es weiteren Schutz brauche, um etwaige Probleme zu vermindern. Er werde das Thema auch mit den Banken erörtern, ob das Risiko für Haushalte verringert werden könne. Auf Fragen von Kai Jan Krainer (SPÖ) erklärte Haber, dass der Anstieg an Krediten mit variabler Verzinsung mit dem allgemeinen Anstieg der Zinsen begonnen habe.
Was den Internationalen Währungsfonds (IWF) betrifft, führte Holzmann aus, dass derzeit eine Erhöhung der Quoten der IWF-Mitgliedstaaten in Höhe von 50 % in proportionaler Form vorgeschlagen werde. Nach einer etwaigen IWF-Beschlussfassung wäre zur Übermittlung der österreichischen Zustimmung ein neues Bundesgesetz erforderlich.
BARGELD- UND ZAHLUNGSVERKEHR: DIGITALER EURO IN VORBEREITUNGSPHASE
Bei den täglichen Banknotenauslieferungen bis Mitte November verzeichne die OeNB 2023 nach vielen Jahren mit Sondereffekten wie durch Corona oder die Ukraine-Krise das erste „Normaljahr“. Höhere Banknoteneinlieferungen als im Vorjahr habe es bis zum Sommer 2023 gegeben, danach etwa durch die EZB-Zinserhöhungen ein niedrigeres Niveau.
Für den Digitalen Euro sei die Vorbereitungsphase gestartet, die den Weg für eine mögliche zukünftige Entscheidung über die Ausgabe eines digitalen Euro ebne, so Holzmann. Mit einer Umsetzung, wenn der politische Prozess dementsprechend abgeschlossen würde, rechne er frühestens 2028. Wesentliche Fragen, die zum Digitalen Euro ihm zufolge noch diskutiert und entschieden werden müssen, betreffen etwa das Regelwerk und ein Bestandslimit für Endnutzer:innen, eine Auswahl der internen und externen Service Provider sowie den rechtlichen Rahmen. Aus seiner Sicht würde der Digitale Euro geldpolitische und Zahlungsverkehrsautonomie garantieren und eine Weiterentwicklung des Bargelds als Schiene für die digitale Welt darstellen. Der politische Prozess beginne jetzt und liege beim Europäischen Parlament und bei den nationalen Regierungen. Auf Anmerkungen von Peter Haubner (ÖVP) und Gerald Loacker (NEOS) meinte Holzmann, dass der Digitale Euro vielmehr eine Lösung für Banken darstellen würde und kein Problem. Für die Bargeldversorgung durch die regionalen Banken sollten aus seiner Sicht gegebenenfalls auch die Länder und Gemeinden Strukturen mitfinanzieren.
OENB MIT NEGATIVER BILANZVORSCHAU 2023
Zur Rolle der OeNB als nationale Behörde bei Finanzsanktionen für Banken stellte Haber Überlegungen in den Raum, etwaig für dieses Thema Kompetenzen mit Agenden der Geldwäschebehörde FMA zusammenzuführen, da sich bei Prüfungen erhebliche Synergien ergeben würden. Holzmann berichtete darüber hinaus zur OeNB-Bilanz, dass dieses Jahr die Geldpolitik das Ergebnis der Gewinn-und-Verlust-Rechnung unter Druck bringe und heuer wohl nicht mit einer „schwarzen Null“ abgeschlossen werde können. Es werde ein negatives geschäftliches Ergebnis 2023 von rund 2 Mrd. € erwartet. Holzmann zufolge seien voraussichtlich mehrere Jahre keine Gewinnausschüttungen an den Bund zu erwarten.
HABER: SIGNA-INSOLVENZ SOLL FINANZMARKTSTABILITÄT NICHT GEFÄHRDEN
Zur angemeldeten Insolvenz der Signa Holding, die etwa Nina Tomaselli (Grüne) thematisierte, erörterte Haber, dass das diesbezügliche Wissen der OeNB aus rechtlichen Gründen und faktischen Schranken bei der Schnittstelle zu den Banken ende. Was mögliche Ausfälle auf diesem Sektor betrifft, sei keine wesentliche Gefährdung der Finanzmarktstabilität insgesamt zu erwarten, so Haber. Auch für die OeNB sei derzeit nichts an unmittelbaren Betroffenheiten aus dieser Angelegenheit bekannt, sagte er gegenüber Kai Jan Krainer (SPÖ). (Fortsetzung Finanzausschuss) mbu
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