Tag der Volksgruppen im Parlament rückt sprachliche Vielfalt Österreichs in den Vordergrund

Vielfältiges Kulturprogramm und Dialoge zu Spracherhalt, Rolle der Jugend sowie Demokratiebildung

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsidentin Claudia Arpa luden heute zum Tag der Volksgruppen ins Hohe Haus, um die Bedeutung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt für Österreich ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Die Volksgruppenbeiräte der sechs in Österreich anerkannten autochthonen Volksgruppen brachten ihre jeweiligen Anliegen rund um das Thema Spracherhalt vor.

Emma Lantschner von der Universität Graz sprach über den “Volksgruppenschutz als kontinuierliche Aufgabe” und schlug Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung über die gesellschaftlichen Bedürfnisse der Volksgruppenangehörigen vor.

Die Volksgruppenbeiräte erörterten im Rahmen einer Diskussionsrunde ihre Schwerpunkte. Integrationsministerin Susanne Raab unterstrich, dass Veranstaltungen wie heute im Parlament ein Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung der Volksgruppen als fester und integraler Bestandteil der österreichischen Identität seien.

Seitens aller im Parlament vertretenen Parteien gaben die Bereichssprecher:innen für Volksgruppen ihre Statements zu den Inhalten und Schwerpunkten ab. Ein weiterer Teil der Veranstaltung widmete sich dem Thema Jugend und Zukunft sowie künftigen Perspektiven und Visionen.

SOBOTKA UND ARPA BETONEN BEDEUTUNG DER KULTURELLEN VIELFALT

Am heutigen Tag der Volksgruppen soll die sprachliche und kulturelle Vielfalt Österreichs einmal mehr unter Beweis gestellt werden, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei seiner Begrüßung. Der Dialog – der als Kennzeichen der Demokratie im Plenarsaal des Parlaments gut aufgehoben sei – stünde für das Respektieren unterschiedlicher Meinungen und das Finden von Kompromissen, verwies er auf die im Parlament eingerichtete Dialogplattform und auf den Bedarf, “Gemeinsames vor Trennendes zu stellen”. Sobotka hob dabei insbesondere die Rolle der jugendlichen Volksgruppenangehörigen hervor. Sie würden sich mehr Anerkennung von der Mehrheitsgesellschaft wünschen.

Bundesratspräsidentin Claudia Arpa sprach von einem “Tag der Vielfalt, der Wertschätzung und des Bekennens”, an dem die Sprache in der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen gewürdigt werde. Sprache schaffe Wirklichkeit und sei so für die gesellschaftliche Debatte unumgänglich, meinte sie. Um die Kultur der Vielfalt zu stärken, gelte es also, das Wissen über die Volksgruppen in der österreichischen Gesellschaft gesamtheitlich zu stärken und so Vorurteilen entgegenzuwirken. Österreich sei ein vielfältiges Land, betonte die Präsidentin der Länderkammer.

WISSEN ÜBER VOLKSGRUPPEN WICHTIG FÜR INTERKULTURELLEN DIALOG

Der Minderheitenschutz in Europa befinde sich in einer Phase der Stagnation, meinte Sozialwissenschaftlerin Emma Lantschner von der Universität Graz in ihrer Rede. In Österreich hätte es in den letzten Jahren aber eine positive Entwicklung gegeben, etwa durch die Verdoppelung der Volksgruppenförderung oder die neuen Lehrpläne an Schulen, welche Sprache, Kultur und Geschichte der Volksgruppen behandeln. Das Wissen über die Vielfalt der österreichischen Gesellschaft sei wesentlich, um den interkulturellen Dialog und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Auch das Gesetzespaket gegen Hass im Netz hob Lantschner als wichtige bewusstseinsbildende Maßnahme hervor.

Luft nach oben sieht die Expertin bei zweisprachigen Angeboten in der Elementarpädagogik und im Bereich des schulischen Minderheitensprachunterrichts für ein Niveau der Sprachbeherrschung, das eine Weitergabe an die nächste Generation ermöglicht. Außerdem schlug sie die Verwendung der Minderheitensprachen im Kontakt mit Verwaltungsbehörden, die Rekrutierung von zweisprachigem Personal im öffentlichen Dienst sowie die Förderung zweisprachiger Topographie vor, um mehr Sichtbarkeit für nationale Minderheiten zu schaffen.

Die gesellschaftlichen Bedürfnisse der Volksgruppen würden sich ändern, daher sei es wichtig, im Austausch und Dialog mit den Volksgruppen zu bleiben, insbesondere mit der Jugend, meinte Lantschner. Dabei sollte auch die Diversität innerhalb der Volksgruppen Berücksichtigung finden. Sie seien genauswenig homogen wie die Mehrheitsbevölkerung. Veranstaltungen wie die heutige würden aktiv zur Sichtbarkeit der Volksgruppen in Österreich beitragen, sagte sie.

VOLKSGRUPPENBEIRÄTE LEGEN IHRE ANLIEGEN DAR

Die Volksgruppenbeiräte der Volksgruppen brachten ihre Blickpunkte zu den Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit im Rahmen einer Paneldiskussion ein und konkretisierten ihre Anliegen zum Thema Bildung und Sprache. So ist die Absicherung der Wiener Komenský-Schule für die tschechische Volksgruppe von wesentlicher Bedeutung. Die slowakische Volksgruppe möchte die Mobilität der jungen Menschen fördern, seitens der Volksgruppe der Roma werden Maßnahmen gegen Diskriminierung und der zweisprachige Ausbau der Elementarpädagogik gefordert. Auch die slowenische Volksgruppe sieht die zweisprachige Elementarpädagogik als zentrales Element des Spracherhalts. Für die ungarische Volksgruppe ist die Möglichkeit zweisprachiger Bildung in der Bundeshauptstadt von Bedeutung, das Hauptanliegen der kroatischen Volksgruppe ist die Erweiterung der Bildungsstandorte. Infostände ermöglichten am Tag der Volksgruppen im Parlament den direkten Dialog mit den Vertreter:innen der einzelnen Volksgruppen.

RAAB: VOLKSGRUPPEN FESTER UND INTEGRALER BESTANDTEIL DER ÖSTERREICHISCHEN IDENTITÄT

Auf die Schwerpunkte der Volksgruppenbeiräte gingen Integrationsministerin Susanne Raab, Sprachwissenschaftlerin Brigitta Busch sowie die Sektionschefin im Bildungsministerium Margareta Scheuringer ein. Busch griff aus den zuvor angesprochenen Themen etwa den Erhalt und die Vitalisierung der Volksgruppensprachen auf, wonach ein öffentliches Bekenntnis zur mehrsprachigen Konstitution des Landes von zentraler Bedeutung sei. Lösungen gelte es auch in Bildungsbelangen zu finden. Darüber hinaus brauche es gesetzliche Maßnahmen, um hinsichtlich der Volksgruppen auch die Mobilität der Jungen zu berücksichtigen. Auch nach wie vor bestehende Diskriminierungen und rassistische Anfeindungen seien ein Thema, so die Wissenschaftlerin.

Als fester und integraler Bestandteil der österreichischen Identität gehe es für die Volksgruppen um Sichtbarkeit, politische Anerkennung und Wertschätzung, bekräftigte Integrationsministerin Susanne Raab. Daran sei in den letzten Jahren seitens der Bundesregierung intensiv gearbeitet worden, strich sie etwa die Verdopplung der Volksgruppenförderung oder die Schaffung eines Leitmediums für jede Volksgruppe hervor. Darüber hinaus erwähnte Raab eine neu geschaffene Bund-Länder-Vereinbarung zur Elementarpädagogik und die dabei explizit angeführten Volksgruppen. Im Rahmen der jüngsten ORF-Novelle sei zudem dafür gesorgt worden, den Volksgruppen mehr Sichtbarkeit zu geben.

Margareta Scheuringer, Sektionschefin im Bildungsministerium, legte in Vertretung von Bildungsminister Martin Polaschek dar, dass in den letzten Jahren die Volksgruppen in allen Lehrplänen zum Thema gemacht worden seien. Die Lehrpläne der Minderheitenschulen seien komplett überarbeitet worden, so Scheuringer. Einen wichtigen Pfeiler stelle außerdem dar, dass Schulen wie etwa das Oberwarter Gymnasium aus dem Schulversuch in den Regelmodus übergeleitet worden seien. Wenn man im Bereich der zweisprachigen Bildung ein zusätzliches Angebot schaffen wolle, brauche es eine Änderung des Minderheitenschulgesetzes, aber auch die entsprechenden Fachkräfte dazu, meinte sie.

DIALOG ÜBER JUGEND UND ZUKUNFT, PERSPEKTIVEN UND VISIONEN

Den Themenbereich Jugend und Zukunft, Perspektiven und Visionen leitete Parlamentsdirektor Harald Dossi ein. Das Motto der heutigen Veranstaltung laute “Dialog verbindet”, so Dossi. Dieser Auftrag werde insgesamt im Parlament sehr ernst genommen. Er erwähnte dazu etwa die Gründung einer Dialogplattform, aber auch inhaltliche Beiträge im neuen Besucher:innenzentrum, die die Volksgruppen betreffen, sowie Themenschwerpunkte bei Führungen und insgesamt die Demokratievermittlung, bei der die Volksgruppen ein wesentlicher Bestandteil seien. Der Leiter der Abteilung Demokratiebildung in der Parlamentsdirektion, Leopold Lugmayr, bekräftigte, dass die Volksgruppenthematik etwa auch in der Demokratiewerkstatt des Parlaments eine stetig wachsende Rolle einnehme. So sei ein Format entwickelt worden, bei dem Zeitzeug:innen aus den Volksgruppen zu Workshops mit Jugendlichen eingeladen werden. Zwei Schüler:innen vom Bundesgymnasium Oberwart, die an einem Workshop teilgenommen hatten, berichteten von ihren Erfahrungen daraus und bekräftigten, dass ihnen die Bedeutung von Demokratie dadurch bewusster geworden sei.

Anschließend tauschten auch eine Runde von Expert:innen aus dem Medienumfeld sowie ein Schüler des Bundesgymnasiums Oberwart ihre Gedanken im Zusammenhang mit Volksgruppenthematiken aus. Ähnlich wie ORF-Redakteur Mario Czory, der sich unter anderem dafür aussprach, die Volksgruppenthemen in den “Mainstream” zu bringen, meinte Film- und Contentproduzent Thomas Kamenar, es brauche “Werbung und Sichtbarkeit”. Vielfalt sollte insgesamt ein Mehrheitsthema und ein “Must-have” sein, hob etwa auch Marko Londa, Geschäftsführer von Moonshot Pirates, hervor.

Melanie Juriga, Medienbeauftragte im Schulverein Komenský und ehemalige ORF-Volksgruppenredakteurin, schloss sich dem an und hob etwa die Mehrsprachigkeit als wichtiges Basiselement auch für die Wirtschaft hervor. Aus Sicht von ORF-Redakteurin Lina Verdel brauche es für die Selbstverständlichkeit der Mehrsprachigkeit auch verstärkt digitale Formate, um Jugendliche zu erreichen. Konstantin Vlasich, Autor und Chefredakteur der Zeitschrift Novi Glas, plädierte etwa für “Mehrsprachigkeit als Selbstverständlichkeit” sowie für mehr Mut der Politik, sich mit den Volksgruppen zu befassen. István Mihály Zsótér, ein Schüler des Bundesgymnasiums Oberwart, würde viel mehr junge Menschen in Führungspositionen mitwirken lassen wollen, etwa auch bei den Volksgruppenbeiräten, wie er sagte.

STATEMENTS DER BEREICHSSPRECHER:INNEN FÜR VOLKSGRUPPEN

Aus der Runde der Bereichssprecher:innen für Volksgruppen der Parlamentsfraktionen betonte Nikolaus Berlakovich (ÖVP) etwa die Wichtigkeit, dass die Volksgruppensprachen auch im öffentlichen Raum verwendet werden. Österreich werde auch über die Volksgruppen hinaus durch Zuwanderung sprachlich bunter und vielfältiger, hob Harald Troch (SPÖ) unter anderem hervor. Wer sich für kulturelle Identität einsetze, müsse das für alle tun, meinte Isabella Theuermann (FPÖ) etwa im Hinblick auf “Landsleute” in Südtirol, denen die Anerkennung als Volksgruppe verweigert werde. Olga Voglauer (Grüne) wünscht sich betreffend die Volksgruppen auch für künftige politische Verhandlungen, deren Rechte zu stärken und auszubauen. Für eine Volksgruppenpolitik mit Lösungen für die Gegenwart und für die Zukunft sprach sich Michael Bernhard (NEOS) aus, etwa indem auch in der Verwaltung Volksgruppensprachen etabliert werden.

Am frühen Nachmittag standen eine Vielfalt an Kulturbeiträgen der Volksgruppen auf dem Programm des Volksgruppentags im Parlament.

Österreich bekennt sich in der Bundesverfassung zur Achtung und Förderung der in Österreich ansässigen Volksgruppen, die durch völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Bestimmungen geschützt sind. Das Parlament verfolgt einen verstärkten Dialogprozess mit den Volksgruppen und versteht ihre sprachliche und kulturelle Vielfalt als identitätsstiftendes Merkmal der Republik. Heute wird die Ausstellung “Das österreichische ROMANES. 30 Jahre Anerkennung – 600 Jahre in Österreich” eröffnet. (Fortsetzung Tag der Volksgruppen) fan/mbu

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments .

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