Wirtschaftsausschuss: Kocher präsentiert EU-Vorhaben zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Diskussion über Lage der Klein-und Mittelbetriebe

Ein umfangreicher Bericht zu den EU-Vorhaben für das Jahr 2024 wurden mit Wirtschaftsminister Martin Kocher heute im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats diskutiert. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2024 stehe zum einen im Zeichen zahlreicher aktueller Herausforderungen und Krisen, aber auch zahlreicher Initiativen zur Förderung des Wirtschaftswachstums und der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Da sich das Ende der Legislaturperiode und die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 abzeichne, liege der Fokus auf der Intensivierung der Zusammenarbeit mit Rat und Europäischem Parlament im Sinne der Erzielung möglichst vieler Abschlüsse von noch offenen Dossiers. Zudem seien 15 neue Initiativen angekündigt, teilte der Wirtschaftsminister mit. Der Bericht wurde mehrheitlich, ohne die Stimmen der FPÖ, zur Kenntnis genommen.

Der Bericht “KMU im Fokus 2023” gibt Auskunft über die Situation und Entwicklung von Klein- und Mittelunternehmen (KMU) in der österreichischen Wirtschaft und stand heute auch auf der Agenda des Ausschusses. Der Bericht wurde mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen zur Kenntnis genommen. Auf Verlangen der NEOS wurde er im Ausschuss nicht enderledigt und wird daher auch im Plenum des Nationalrats debattiert werden.

Einstimmig zur Kenntnis genommen wurde ein weiterer Bericht des Wirtschaftsministeriums über die Auszahlungen zu Maßnahmen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds und aus dem Härtefallfonds für Dezember 2023 (III-1105 d.B.). Im Dezember 2023 sind demnach keine Auszahlungen mehr erfolgt, es wurden aber 3.000 € an Auszahlungen aus Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für Abwicklungskosten im Zusammenhang mit Haftungsübernahmen für Reiseveranstalter verbucht.

EU-VORHABEN IN DEN BEREICHEN ARBEIT, WIRTSCHAFT UND TOURISMUS FÜR 2024

Der Bericht des Wirtschaftsministers zu den EU-Vorhaben des Jahres 2024 (III-1111 d.B.) wurde von den Abgeordneten im Wirtschaftsausschuss allgemein für den umfassenden Überblick in komplexe Materien gelobt. Laurenz Pöttinger (ÖVP) befand, dass der Bericht die österreichischen Positionen sehr klar darstelle und den Mehrwert der Einbindung in die Diskussionen auf EU-Ebene für Österreich klar herausstreiche.

Nicht alle Vorhaben fanden jedoch die ungeteilte Zustimmung der Abgeordneten. So wertete Gerald Loacker (NEOS) die neuen Initiativen, die im Rahmen des belgischen Vorsitzes im ersten Halbjahr 2024 zu den Bereichen Beschäftigung und Soziales vorgelegt werden sollen, als Beispiel der “Weltfremdheit” vieler EU-Vorschläge. Er bezog sich etwa auf das Recht auf Abschalten und Telearbeit. Die Initiative der Europäischen Kommission zur Reduktion von Berichtspflichten um 25 Prozent wäre zweifellos eine wichtige Initiative zum Bürokratieabbau und zur Wettbewerbsfähigkeit, müsse aber konsequent verfolgt werden, so der Abgeordnete. Loacker wollte auch wissen, ob Österreich neben der Unterstützung des Critical-Raw-Materials-Act (CRMA) zur Rohstoffversorgungssicherheit auch Initiativen setze, um den Abschluss bilateraler Rohstoffpartnerschaften voranzutreiben, wie dies auch andere Länder tun würden. Auch seine Fraktionskollegin Karin Doppelbauer fragte nach dem Stand des CRMA.

Wirtschaftsminister Kocher hielt fest, dass Österreich an den Verhandlungen interessiert sei, die von der EU mit Kanada und Australien geführt würden. Die Gespräche mit Australien seien zwar insofern schwierig, da es Bedenken seitens der österreichischen Landwirtschaft gebe. Das seien aber übliche Bedenken, und Österreich nehme eine konstruktive Haltung ein.

Im Bereich des Tourismus stehe unter anderem eine Überarbeitung der Pauschalreise-Richtlinie an, hielt Elisabeth Götze (Grüne) fest. Sie wollte wissen, ob auch an Schritte gegen überhöhte Stornogebühren gedacht sei. Minister Kocher teilte ihr mit, dass ihm noch keine Details dazu bekannt seien.

Der europäische Net-Zero-Industry-Act (NZIA) für saubere Energietechnologien in bzw. aus Europa werde von österreichischer Seite als wichtige Antwort auf den Inflation-Reduction-Act (IRA) der USA gesehen, hielt Jakob Schwarz (Grüne) fest. Dabei müssten aber auch noch weitere Maßnahmen folgen, um die Wettbewerbsbedingungen für die EU zu verbessern.  

Kocher verwies auf die Anstrengungen zur Modernisierung des EU-Wettbewerbsrechts, eine Richtlinie zur Vermeidung von Greenwashing, die bis Anfang 2026 in nationales Recht umzusetzen sei, sowie ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit. Hand in Hand mit dem Net-Zero-Industry-Act gehe der bereits in Kraft getretene EU-Chips-Act für die Halbleiterproduktion sowie eine Reform des Strommarktdesigns. Weitere wichtige Themen sind für Kocher in diesem Zusammenhang die Überarbeitung des EU-Beihilfenrechts sowie die damit verbundenen Schwerpunktsetzungen auf zukunftsweisende Bereiche wie Klima, Energie, Digitalisierung, Forschung und Entwicklung sowie die Bereitstellung von Risikofinanzierungen. Im Bereich der Unternehmensfinanzierung soll laut Kocher das InvestEU-Programm im Zeitraum 2021-2027 einen neuen Investitionsschub von bis zu 372 Mrd. € an zusätzlichen Mitteln durch eine EU-Haushaltsgarantie auslösen und damit weitere Impulse für Investitionen, Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa geben.

Die Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit ist für Christoph Matznetter (SPÖ) ein wichtiger Schritt, da sich hier eine wichtige Entwicklung abzeichne, die man nicht versäumen dürfe. Man müsse rechtzeitig Mindestregeln einführen, um Fehlentwicklungen zu verhindern. Wirtschaftsminister Kocher teilte dem Abgeordneten mit, dass er die Ergebnisse des EU-Rats zur Plattformarbeits-Richtlinie erwarte. Österreich habe die bisherigen Vorschläge aber immer unterstützt.

Elisabeth Götze (Grüne) bedauerte, dass keine Einigung über das EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) erzielt werden konnte. Maximilian Linder (FPÖ) sah hingegen keinen Mehrwert in einer solchen Regelung auf europäischer Ebene, da sie nur mehr Bürokratie bringen würde, vor allem für die österreichischen KMU. Laurenz Pöttinger (ÖVP) befürchtete ebenfalls, dass das EU-Lieferkettengesetz in der derzeit vorgeschlagenen Fassung vor allem für kleine Unternehmen eine Belastung darstellen würde. Christoph Matznetter (SPÖ) nannte das ins Treffen geführte Argument, das Lieferkettengesetz würde vor allem den Mittelstand belasten, “absurd”. Gerade die KMU würden durch die unfairen Produktionsbedingungen in anderen Ländern am meisten belastet. Ausschussobmann Peter Haubner (ÖVP) betonte, dass Österreich das Anliegen der Richtlinie grundsätzlich unterstütze. Allerdings hätte die bisher vorliegende Fassung tatsächlich zu überbordender Bürokratie geführt.

Aus Sicht des Wirtschaftsministers ist beim Lieferkettengesetz die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und Praktikabilität der Regelungen wesentlich, um Rechtssicherheit für Betroffene und Unternehmen zu schaffen. Die bisherigen Vorschläge hätten viel bürokratischen Aufwand bedeutet, ohne dass die Zielerreichung gesichert gewesen wäre. Vielmehr wäre die Gefahr gegeben, dass gerade Unternehmen des Globalen Südens, die man eigentlich unterstützen wolle, vor unlösbare Aufgaben gestellt würden und sie aus den Lieferketten fallen könnten, ohne dass ein Fehlverhalten im Sinne von unethischen Praktiken vorliegt. Aufgrund der divergierenden Ansichten innerhalb der österreichischen Bundesregierung habe sich Österreich sowohl zur allgemeinen Ausrichtung als auch im Rahmen der Änderung des Verhandlungsmandates des Rates daher für den Weg der “konstruktiven Enthaltung” entschieden. Nun werde weiter verhandelt.

KMU-BERICHT ZEIGT HOHE INNOVATIONSFREUDE KLEINER UND MITTLERER UNTERNEHMEN

Wirtschaftsminister Kocher hat dem Nationalrat den Bericht “KMU im Fokus 2023” zur Lage der Klein- und Mittelunternehmen vorgelegt (III-1123 d.B.). Die Abgeordneten hatten im Wirtschaftsausschuss Gelegenheit, Detailfragen an den Leiter des Instituts “KMU Forschung Austria” und Verfasser des Berichts Thomas Oberholzner zu stellen.

Oberholzner präsentierte eine Reihe von Zahlen, die die Bedeutung der KMU unterstreichen. Im Jahr 2022 habe es in Österreich rund 601.300 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gegeben, was einem Anteil von 99,8 % aller Unternehmen der marktorientierten Wirtschaft hierzulande entsprach. Mehr als 2,4 Mio. Personen und damit zwei Drittel aller Beschäftigten in der Wirtschaft hatten laut Bericht 2022 ihren Arbeitsplatz in einem KMU. Darüber hinaus wurden rund sechs von zehn Lehrlingen in Klein- und Mittelbetrieben ausgebildet. 2022 belief sich der Umsatz der KMU auf 626 Mrd. € bzw. auf 58 % der gesamten Umsätze der marktorientierten Wirtschaft.

2021 und 2022 habe bei den KMU nach der Corona-Pandemie eine deutliche Erholung eingesetzt. Die Anzahl der KMU sei um rund 4 % (2021) bzw. rund 2 % (2022) gestiegen, führte Oberholzner aus, die Beschäftigung habe in beiden Jahren um jeweils rund 3 % über dem Niveau des jeweiligen Vorjahres gelegen. Im Jahr 2023 habe sich die Konjunktur wieder abgeschwächt. Prognosen der Europäischen Kommission zufolge sei 2023 etwa die Bruttowertschöpfung der KMU zwar nominell gestiegen (+8 %), real jedoch zurückgegangen (-1 %).

Als besondere Stärke wertete Oberholzner den hohen Anteil innovativer KMU, der sich im langfristigen Vergleich von rund 54 % (2010 bis 2012) auf rund 60 % (2018 bis 2020) erhöht habe. Besonders innovations-affin seien beispielsweise Start-ups oder Kreativwirtschaftsunternehmen. Weitere deutliche Stärken österreichischer KMU seien ihre hohe Internationalisierung, ein guter Zugang zu Finanzierung und ein starker Fokus auf Nachhaltigkeit. Herausforderungen österreichischer KMU sieht Oberholzner auch im Bereich der Digitalisierung, der E-Commerce Aktivitäten oder Nutzung von KI-Technologien. Aufholbedarf bestehe auch weiterhin bei der Risikokapitalfinanzierung. Besonders schwierig gestalte sich für kleine und mittlere Betriebe derzeit der Zugang zu Fachkräften.

Elisabeth Götze (Grüne) wollte wissen, wie sich die Frage der Eigenkapitalisierung entwickelt habe. Der Fachkräftemangel sei ein wichtiges Thema, das man im Auge behalten müsse. Erfreulich sei, dass Österreich unterdessen in die Gruppe der Strong Innovators aufgerückt sei. Oberholzner meinte dazu, dass das Eigenkapital lange Thema gewesen sei, sich hier aber unterdessen eine deutliche Verbesserung zeige.

Aus Sicht von Abgeordnetem Kurt Egger (ÖVP) ist Österreich nicht nur mit einem Fachkräfte- sondern auch mit einem Arbeitskräftemangel konfrontiert, der sich in Zukunft aufgrund der demographischen Entwicklung noch zu verstärken drohe.

Oberholzner sah den Arbeitskräftemangel vor allem im Bereich der hochqualifizierten Kräfte. Wichtig sei es daher vor allem, Forschung und Innovation in den Unternehmen zu stärken.

Maximilian Linder (FPÖ) wollte wissen, inwieweit auch KMU von Bürokratie belastet seien. Er fragte auch, ob hinter vielen Ein-Personen-Unternehmen nicht auch Umgehungskonstruktionen aus dem Bereich Schattenwirtschaft stehen würden.

Oberholzner sagte, dass Bürokratie tatsächlich ein Thema sei, denn auch wenn formal viele Auflagen für KMU nicht gelten würden, hätten sie doch Auswirkungen auf sie. Die Entscheidung, als EPU tätig zu werden, falle aus seiner Wahrnehmung überwiegend deshalb, weil es für viele attraktiver sei, selbständig zu arbeiten, und nicht deshalb, weil jemand dazu gedrängt werde.

Wirtschaftsminister Martin Kocher betonte, es sei wichtig, die Finanzierungssicherheit der österreichischen Unternehmen zu verbessern. Die Bundesregierung setze auch laufend Schritte, um das Angebot an Facharbeitern zu verbessern. Was das Angebot an Arbeitskräften betreffe, so werde es auch wichtig sein, die Mobilität innerhalb Europas zu fördern. Zur Frage des Risikokapitals meinte der Minister, dass es für Österreich aufgrund des Fehlens großer Fonds schwierig sei, auf nationaler Ebene ein ausreichendes Angebot zu schaffen. Europa müsse zweifellos für Investitionen attraktiver werden, damit Kapital nicht in die USA abwandere. (Schluss Wirtschaftsausschuss) sox

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