Raab erteilt Kindergrundsicherung im Familienausschuss eine Absage

Oppositionsinitiativen gegen Kinderarmut und Gewaltprävention mit Verweis auf gesetzte Maßnahmen abgewiesen

Die Oppositionsparteien pochen auf eine Reform beim Kinderbetreuungsgeld, wie sie mit einem gemeinsamen Antrag im Familienausschuss deutlich machten. Außerdem ganz weit oben auf der Agenda: Der Kampf gegen Kinderarmut. Für Ministerin Susanne Raab ist eine Kindergrundsicherung nicht der richtige Weg. Die Reparatur der „Wochengeldfalle“ soll am Donnerstag im Sozialausschuss beschlossen werden, ein entsprechender FPÖ-Entschließungsantrag wurde daher vertagt.

RAAB: „TREFFSICHERHEIT VON FAMILIENLEISTUNGEN GEGEN ARMUTSGEFÄHRDUNG“

Kinderarmut steht für die SPÖ ganz oben auf der Familienagenda, mit einer „Kindergrundsicherung“ wollen die Sozialdemokrat:innen dagegen eintreten. Auch die Grünen „arbeiten daran, dass es eine Kindergrundsicherung gibt“, bekräftigte Barbara Neßler (Grüne) in der Ausschusssitzung. Eine Absage gibt es dafür von der ÖVP, wie Familienministerin Susanne Raab im Rahmen der Aussprache erneut betonte. „Wir haben eine hohe Treffsicherheit von Familienleistungen gegen Armutsgefährdung“, sagte die Ministerin. Das zeige auch eine Studie der EU-Kommission, wonach Österreich Europameister bei Familienleistungen sei, „selbstverständlich ist Österreich auch deutlich unter dem EU-Schnitt bei der Kinderarmut“, so Raab. Das österreichische Sozialleistungssystem sei gut ausgebaut und es gebe ein „Maßnahmenpaket“. Sie nannte etwa das Schulstartpaket, das von 120 € auf 150 € aufgestockt worden sei, die Erhöhung des Kindermehrbetrags auf 700 €, die Valorisierung der Familienbeihilfe oder das Investment von 4,5 Mrd. € bis 2030 in den Ausbau der Kinderbetreuung. Es sei „selbstverständlich“, dass für Familien, die „für eine Zeit Unterstützung“ brauchen würden, die Sozialleistungen höher sein müssen und das seien sie auch. Dass derzeit nur der „Status quo“ verfestigt, aber keine Verbesserung erzielt würden, entgegnete SPÖ-Abgeordnete Petra Wimmer. Die Zahl der Kinder, die von Armut betroffen seien, sei von 2020 auf 2021 sogar gestiegen. Vom schwarz-grünen Regierungsziel, die Kinderarmut um 50 % zu reduzieren, sei man weit entfernt, so Wimmer. „Kinderbetreuung ist die Voraussetzung für Familien, um im Berufsleben zu stehen und damit wichtig für die Armutsbekämpfung“, zeigte sich Wimmer überzeugt. Vor diesem Hintergrund brachten die Sozialdemokrat:innen einen Entschließungsantrag (4035/A(E)) ein, womit ein Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr gefordert wird, inklusive kleinerer Gruppen und einer Personaloffensive.

Ob man Deutschland, wie von der SPÖ-Abgeordneten genannt, als Referenzmodell für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung heranziehen sollte, bezweifelten sowohl ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler als auch Ausschussvorsitzender Norbert Sieber (ÖVP). Laut Kugler seien die Kosten in Deutschland explodiert, Gemeinden würden verklagt, weil sie den Rechtsanspruch nicht erfüllen könnten. Sieber führte den Personalmangel ins Treffen, der auch im Nachbarland herrsche. „Wir müssen unser Personalproblem lösen, dann reden wir über den Rechtsanspruch“, so Sieber. Sibylle Hamann (Grüne) sagte: „Wir haben genug ausgebildete Pädagoginnen, die allerdings nicht in dem Bereich arbeiten, weil die Arbeitsbedingungen nicht passen.“ Sie bekräftigte einmal mehr die Forderung der Grünen nach bundesweiten Mindeststandards bei Bezahlung, Gruppengröße oder Personalschlüssel. „Wir wollen eine Kompetenzverschiebung auf Bundesebene“, forderte Hamann. Gegen den von der SPÖ geforderten Rechtsanspruch sprach sich auch FPÖ-Familienreferentin Rosa Ecker aus. Ebenso wie für das kostenlose, warme Mittagessen, das die Sozialdemokrat:innen im selben Antrag für Kinder im Pflichtschulalter fordern. Wenn zu Hause die „Mama oder Oma“ koche, dann würde es auch „niemand zahlen“, diese Familien würden leer ausgehen, während andere Sachleistungen bezögen. Auch die NEOS fordern eine warme Mahlzeit in allen Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen mit Öffentlichkeitsrecht mit einem eigenen Antrag (2394/A(E)). ÖVP-Mandatarin Kugler stellte den Vertagungsantrag, weil die Kompetenzen hierbei zwischen Ländern, Gemeinden und Bund geteilt seien, er wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grüne angenommen. Auch der SPÖ-Antrag wurde durch die Koalitionsparteien vertagt.

In einem Entschließungsantrag forderte die NEOS zudem von der Regierung eine Reform der Unterhaltssicherung (2257/A(E)). Um Kinderarmut zu beseitigen, müssten die rechtlichen Lücken geschlossen werden, da es vor allem Alleinerzieher:innen betreffe, so NEOS-Mandatar Michael Bernhard. Der Antrag wurde vertagt. Gudrun Kugler (ÖVP) stimmte zu, „wir sind in intensiven Bemühungen, dass wir die Reform noch in dieser Legislaturperiode fertig bringen“.

ZWEITES VERPFLICHTENDES KINDERGARTENJAHR HAT KEINE PRIORITÄT

Betreffend Kinderbetreuung fragte NEOS-Abgeordneter Bernhard nach dem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr, das von der Koalition in der Vergangenheit angekündigt worden sei. Raab: „Mittlerweile sind fast 97 % der Vierjährigen im Kindergarten. Wir setzen das Investment in den Bereich, wo wir erst bei 32 % sind – bei den Zweijährigen.“ Man versuche zum jetzigen Zeitpunkt bei Unter-Dreijährigen „in die Fläche zu kommen“, da der Bedarf hier „so steigend ist“. Für sie ist die Idee aber nach wie vor „interessant“. Sie verwies auch hier auf die 500 Mio. € jährlich, die über den Zukunftsfonds für den Ausbau zur Verfügung gestellt würden. Eva Maria Holzleitner (SPÖ) entgegnete, dass die Sozialpartner hier 1 Mrd. € als zielführend gesehen hätten. Und fragte danach, wie man Abgangsgemeinden beim Ausbau der Kinderbetreuung unterstütze, da diese oft wegen fehlender finanziellen Mittel scheitern würden. Die Ministerin führte aus, dass man die 4,5 Mrd. € bis 2030 nicht daran geknüpft habe, ob eine Gemeinde wachse oder nicht, sie sei überzeugt, dass eine gut ausgebaute Betreuung zu Standortvorteil führe und daher auch vor Abgang schütze. Man unterstütze auch gemeindeübergreifende Projekte. „Es ist notwendig, dass es hier Transfers von Kindern zwischen den Gemeinden gibt“, so Raab.

VÄTERBETEILIGUNG SOLL ERHÖHT WERDEN

Im Rahmen der Aussprache fragte NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard auch nach den Aktivitäten betreffend geteilter Sorgearbeit, weil die Zahl der geteilten Elternkarenzen in letzter Zeit zurückgehen würden. „Wir haben uns bemüht“, betonte die Ministerin. Man habe etwa den Familienzeitbonus verdoppelt und nun valorisiert auf 1.600 € pro Monat sowie die Zuverdienstgrenze erhöht. Außerdem seien Bewusstseinsbildungskampagnen gestartet worden. In einem Entschließungsantrag plädieren die Sozialdemokrat:innen für ein Maßnahmenpaket (2281/A(E)), damit sich die Väterbeteiligung erhöht. Es gebe mehrere Hebel: Etwa eine allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit oder die Einführung eines Familienarbeitszeitmodells, wie von der Arbeiterkammer vorgeschlagen. Der Wunsch von Vätern sei da, sich mehr zu beteiligen, aber das Haushaltseinkommen sei ein Thema, so Eva Maria Holzleitner (SPÖ).

Grundsätzlich stehe man dem Modell der Familienarbeitszeit als Ergänzung zur Karenz positiv gegenüber, so Grünen-Mandatarin Neßler. Für FPÖ-Mandatarin Ecker ist das Setzen auf Teilzeit für Männer, um die Väterbeteiligung zu steigern, nicht die Lösung. Die „bekannten Nachteile“ würden sich so von Frauen auf Männer verlagern, begründete sie. Der SPÖ-Antrag wurde mit schwarz-grüner Stimmenmehrheit vertagt.

OPPOSITION DRÄNGT AUF ABBAU VON HÜRDEN BEIM KINDERBETREUUNGSGELD

Die Oppositionsparteien drängen auf Reformen beim Kinderbetreuungsgeld. Vier Anträge dazu standen auf der Tagesordnung. „Es ist ein ganz wichtiges Einkommen für die Familien“, so Petra Wimmer (SPÖ). Daher sollte der Zugang dazu und die Entscheidung für welches Modell man sich entscheide, so einfach wie möglich gestaltet sein, führte die Mandatarin aus. Mit einem gemeinsamen Entschließungsantrag fordern SPÖ, FPÖ und NEOS daher eine Reform (3422/A(E)). Mit einem weiteren SPÖ-Antrag (3802/A(E)), setzen sich die Sozialdemokrat:innen dafür ein, dass die Anspruchsvoraussetzungen für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld erleichtert werden. Derzeit werde gefordert, dass man 182 Tage vorm errechneten Geburtstermin in einem Beschäftigungsverhältnis stehen muss, das sei für viele nicht möglich, so Wimmer. Der Betrachtungszeitraum sei auf ein Jahr auszuweiten. Dazu meinte ÖVP-Abgeordnete Johanna Jachs – die in der Ausschusssitzung ihr Baby dabei hatte -, dass es hier ohnehin Möglichkeiten gebe, Härtefälle abzufedern, eine Ausweitung sei daher nicht „zielführend“. Für FPÖ-Mandatarin Rosa Ecker sei der Anspruchszeitraum sehr wohl auszuweiten. Sie führte zudem ins Treffen, dass Unwissenheit und falsche Beratung zu Schäden für die Eltern führe. Jachs entgegnete, dass das Kinderbetreuungsgeld viele Möglichkeiten biete und daher flexibel für Familien sei, dadurch würde es zwar komplexer, allerdings seien die Familien in Summe mehrheitlich zufrieden. Sie verwies auf eine Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung. Jachs stellte einen Antrag auf Vertagung, der mit Stimmenmehrheit der Koalitionspartner angenommen wurde. Die zwei weiteren Anträge von SPÖ (1818/A(E)) und NEOS (1481/A(E)) zum Kinderbetreuungsgeld betrafen „Probleme bei der Auszahlung“, wenn die Eltern in unterschiedlichen EU-Ländern leben. Familien müssten oft monatelang auf eine Auszahlung warten, Härtefälle sogar jahrelang, führten die Parteienvertreter:innen an. Ministerin Raab meinte dazu, dass man sich auf EU-Ebene dem Problem bewusst sei und „positive Prozesse im Gange“ seien. Diese Initiativen wurden ebenfalls vertagt.

GEWALTSCHUTZ DURCH KAMPAGNE, GÜTESIEGEL ZUR MISSBRAUCHSPRÄVENTION

Thema bei der Aussprache war auch die Gewaltschutzkampagne der Bundesregierung, die im April gestartet ist. Dafür gebe es 2 Mio. € Budget, die Laufzeit sei „schwerpunktmäßig bis Sommer“, führte Staatssekretärin Claudia Plakolm aus. Das Ziel sei, alle Generationen für Gewalt zu sensibilisieren und Kinder und Jugendliche zu bestärken, sich Hilfe zu holen.

Die Freiheitlichen pochen auf ein Gütesiegel für alle Arbeitnehmer:innen im Sektor der Kinder- und Jugendbetreuung, dies müsste Auflagen für die Ausbildung und ein lebenslanges Beschäftigungsverbot in diesem Bereich für ehemalige Sexualstraftäter:innen umfassen (2712/A(E)). ÖVP-Abgeordnete Carina Reiter entgegnete, dass es eines Ministerratsbeschluss vom 23. Jänner 2023 gebe, in dem Maßnahmen zum Gewaltschutz beschlossen worden seien – etwa die die Einrichtung der Qualitätssicherungsstelle Kinderschutz. Anfang 2025 „soll“ sie die Arbeit aufnehmen, so Reiter. „Wir wissen, dass in jeder Klasse durchschnittlich ein Kind von sexuellem Missbrauch betroffen ist“, betonte Barbara Neßler (Grüne), man wolle allerdings ein Paket, das vor jeder Form der Gewalt schützt. Das Tätigkeitsverbot für verurteilte Sexualstraftäter:innen sei bereits umgesetzt worden, so die Grünen-Abgeordnete. Kinderschutzkonzepte sollen in den Schulen etabliert werden, mit dem kommenden Schuljahr solle das verpflichtend passieren. Bei den Vereinen setze man derzeit auf Freiwilligkeit. Der von Neßler gestellte Antrag auf Vertagung wurde mit den Stimmen der grün-schwarzen Koalition angenommen.

REPARATUR DER „WOCHENGELDFALLE“ ANGEKÜNDIGT

Auch auf der Tagesordnung war ein Antrag der FPÖ-Abgeordneten Rosa Ecker zum Wochengeld (3500/A(E)). Grundsätzlich hätten Frauen, die während ihrer Karenz wieder schwanger werden, nur dann Anspruch darauf, wenn sie noch Kinderbetreuungsgeld beziehen würden, so die Abgeordnete. Barbara Neßler (Grüne) teilte mit: „Wir haben die Wochengeld-Falle repariert, bzw. werden es.“ Am Donnerstag werde das im Sozialausschuss behandelt. Die Mandatarin geht davon aus, dass es dafür Zustimmung geben wird.

Im Rahmen der Aussprache stellten die Abgeordneten mehrere Fragen, auf die die Ministerin mit dem Hinweis, die Zuständigkeit liege bei den Ländern oder anderen Ressorts nicht einging. Etwa die Frage von SPÖ-Mandatar Christian Oxonitsch, was nun mit den 217 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Bundesbetreuung sei, deren Unterbringung eine Verletzung der Kinderrechte darstelle oder jene von NEOS-Abgeordneter Fiona Fiedler. Sie fragte nach der angekündigten besseren Absicherung von Krisenpflegeeltern. (Schluss Familienausschuss) map

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