Vertragliche Auflagen als Voraussetzung für Flächenwidmungen: Verfassungsnovelle soll Rechtssicherheit schaffen

Verfassungsausschuss schickt abgeänderten Koalitionsantrag mit Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen ins Plenum

Um Ländern die Einhebung von Leerstands- und Zweitwohnsitzabgaben zu erleichtern, hat der Nationalrat vor kurzem eine Verfassungsnovelle beschlossen. Nun wollen ÖVP und Grüne auch in Bezug auf Flächenwidmungen an einer verfassungsrechtlichen Schraube drehen, um mehr Rechtssicherheit für die Gemeinden zu schaffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Koalitionsparteien wurde heute in adaptierter Form vom Verfassungsausschuss des Nationalrats gebilligt. Neben ÖVP und Grünen stimmte auch die SPÖ für die Verfassungsnovelle. Damit sollte auch die nötige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat sichergestellt sein.

Konkret werden die Länder mit der Verfassungsnovelle ausdrücklich dazu ermächtigt, in Angelegenheiten der örtlichen Raumplanung landesgesetzliche Bestimmungen zu beschließen, die “zur Verfolgung öffentlicher Interessen das Zustandekommen eines zivilrechtlichen Vertrages als eine Voraussetzung für hoheitliches Handeln vorsehen”. Dabei geht es beispielsweise darum, eine Umwidmung in Bauland mit bestimmten Auflagen wie der Errichtung eines Radwegs oder eines Spielplatzes zu koppeln. Ziel der Novelle sei es, die Rechtssicherheit im Bereich der Vertragsraumordnung zu erhöhen, betonen die Antragsteller:innen Johann Singer und Nina Tomaselli.

Die Wortfolge “zur Verfolgung öffentlicher Interessen” ist dabei erst infolge des vom Verfassungsausschuss durchgeführten Begutachtungsverfahrens – in Form eines gesamtändernden Abänderungsantrags – in den ursprünglichen Gesetzestext (4013/A) eingebaut worden. Damit soll laut ÖVP und Grünen klargestellt werden, dass potenzielle Grundrechtseingriffe durch vertragliche Auflagen ausschließlich zur Verfolgung öffentlicher Interessen rechtfertigbar sind.

Außerdem wird in den Erläuterungen festgehalten, dass die Länder bei der Ausgestaltung ihrer neuen Befugnis den verfassungsrechtlichen Rahmen zu beachten haben und weder die Gemeindeautonomie beschränken noch das Sachlichkeitsgebot verletzen dürfen. Auch lässt sich ÖVP und Grünen zufolge aus dem Sachlichkeitsgebot ableiten, dass Auflagen ausschließlich angemessene Leistungen zum Inhalt haben dürfen.

NEOS SEHEN NOVELLE KRITISCH

Die NEOS sehen die Novelle dennoch kritisch. Es sei “durchaus zu respektieren”, dass die Regierungsparteien Handlungsbedarf sehen, um mehr leistbaren Wohnraum zu schaffen, sagte Abgeordneter Johannes Margreiter. Seiner Ansicht nach bewegt man sich aber “auf sehr dünnem verfassungsrechtlichen Eis”. In der österreichischen Rechtskultur gebe es eine klare Trennung zwischen hoheitlichen Handlungen und privatwirtschaftlichen Instrumenten. Es gebe keine Notwendigkeit, an diesem System zu rütteln, meinte er. Zumal Flächenwidmungsbeschlüsse durch Gemeinderäte – fragwürdige Einzelfälle ausgenommen – in der Regel gut funktionierten und der Verfassungsgerichtshof schon einmal ein Landesgesetz zur Vertragsraumordnung wegen der übermächtigen Verhandlungsmacht der öffentlichen Hand gegenüber dem Grundbesitzer aufgehoben habe. Schließlich sei eine Vertragsraumordnung geeignet, massiv in Eigentumsrechte einzugreifen, mahnte Margreiter.

Anstatt die Verfassung zu ändern, hielte es der Abgeordnete in diesem Sinn für zweckmäßiger, wenn die Politik bestehende Spielräume ausschöpfen würde. Schließlich gebe es bereits einige Instrumente wie Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau. Man werde sich das Ganze aber noch einmal genau anschauen, kündigte er an.

GRÜNE: GEMEINDERÄTE WERDEN GESTÄRKT

Nina Tomaselli (Grüne) hielt Abgeordnetem Margreiter entgegen, dass Gemeinderäte mit der Verfassungsnovelle nicht geschwächt, sondern gestärkt würden, weil sie künftig nicht nur über Flächenwidmungen, sondern auch über zivilrechtliche Verträge abstimmen könnten. Zudem werde mit solchen Verträgen sichergestellt, dass das, was Grundeigentümer:innen vor einer Umwidmung versprechen, auch tatsächlich eingehalten werde. Die vom VfGH letztlich aufgehobene Salzburger Regelung hat ihr zufolge außerdem gezeigt, dass Vertragsraumordnung funktioniere: Es sei zu einem wesentlichen Rückgang bei Baulandpreisen und einem deutlichen Anstieg bei der Mobilisierung von Bauland gekommen. Gerade letzteres sei vor dem Hintergrund des leistbaren Wohnens wichtig.

Zustimmung zur Verfassungsnovelle signalisierte auch SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger, wobei die SPÖ ihm zufolge den Einbau der Wortfolge “zur Verfolgung öffentlicher Interessen” begrüßt. Eines der zentralen Elemente der Demokratie sei es, dass man etwas vereinbaren könne, machte Stöger in Richtung Abgeordnetem Margreiter geltend. Das sei gerade in kleineren Gemeinden wichtig, wo Grundstücke für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt würden. Im Übrigen müssten sich die Gemeinden an die landesgesetzlich zu beschließenden Regeln halten.

Eingebracht und begründet wurde der Abänderungsantrag von Johann Singer (ÖVP), der auch auf eine gesetzestechnische Änderung verwies. Als mögliche Inhalte von zivilrechtlichen Verträgen mit Grundbesitzer:innen nannte er die Bereitstellung von kostengünstigen Flächen für den Wohnbau oder die Errichtung von Spielplätzen. Bei größeren Umwidmungen komme auch die Errichtung eines Kindergartens oder von Schulen auf dem Grundstück in Frage.

Neben den NEOS stimmte auch die FPÖ gegen die Verfassungsnovelle. In der heutigen Debatte meldete sich zwar niemand zu Wort, Abgeordneter Philipp Schrangl hatte den Antrag aber bereits im April als “total unausgegoren und unseriös” bewertet. Letztendlich würden die Mieter:innen die Infrastruktur bezahlen müssen, prophezeite er. Überdies sprach er von einem “Einfallstor für politische Willkür” und einem “Freibrief für Widmungsgeber” und pochte auf klare bundesgesetzliche Vorgaben.

BERICHT ZUR UMSETZUNG DER UN-NACHHALTIGKEITSZIELE

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS hat der Verfassungsausschuss einen aktuellen Bericht von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler betreffend die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) in Österreich im Rahmen der “Agenda 2030” (III-1180 d.B.) zur Kenntnis genommen. Er soll auf einhelligen Wunsch des Verfassungsausschusses auch im Plenum des Nationalrats diskutiert werden.

Gemäß dem Bericht belegt Österreich unter 166 bewerteten UNO-Mitgliedern den 5. Platz bei der Umsetzung der “Agenda 2030”. Durch die Einbindung der Wissenschaft seien 950 konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der SDGs in Österreich entwickelt worden, informiert die Ministerin. Vermehrte Anstrengungen brauche es aber bei der Nachhaltigkeit in Konsum und Produktion, beim Schutz von Ökosystemen sowie bei der Bekämpfung des Klimawandels und seinen Folgen. Bereits umgesetzt wurden in Österreich dem Bericht zufolge die SDG-Ziele “Keine Armut” und “Bezahlbare und saubere Energie”.

ÖSTERREICH WEIT VORNE, ABER NICHT ALLE ZIELE ERREICHBAR

Im Ausschuss bezeichnete Verfassungsministerin Edtstadler den Umsetzungsprozess als Vorzeigeprojekt. Trotz multipler Krisen sei es gelungen, einen positiven Blick in die Zukunft zu richten, meinte sie. So würden im Bericht, den sie Mitte Juli bei der UNO in New York präsentieren will, viele Best-Practise-Beispiele angeführt. Auch von der UNO werde Österreich immer wieder als Vorzeigeland vorgestellt.

Laut Edtstadler wird es allerdings nicht gelingen, alle SDG-Ziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Die multiplen Krisen hätten sich doch als große Hürden erwiesen, meinte sie. So nannte sie etwa die in den SDG-Kapiteln 12 und 13 – nachhaltiger Konsum und Produktion sowie Klimaschutzmaßnahmen – angeführten Einzelziele als große Herausforderungen. Aktuelle Schwerpunkte sind ihr zufolge die Vorhaben “Niemanden zurücklassen”, “Skills erwerben” sowie Klima- und Umweltschutz (Schutz der Biosphäre), wobei Österreich beim Bio-Flächenanteil Spitzenreiter in der EU sei und auch beim “lebenslangen Lernen” ganz vorne liege.

SPÖ MAHNT NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE EIN

Von SPÖ-Abgeordneter Petra Bayr auf steigende Armutszahlen in Österreich angesprochen, hielt Edtstadler fest, dass das Erreichen einzelner Ziele vom Erreichen globaler Indikatoren abhänge. Das bedeute aber nicht, dass man in diesen Bereichen nicht weiterarbeite. Mit der vom Rechnungshof eingemahnten Nachhaltigkeitsstrategie setze man sich in der Steuerungsgruppe auseinander. Allein ein Papier zu produzieren, würde nichts bringen, meinte sie.

Bayr hatte zuvor darauf verwiesen, dass zuletzt sowohl die Zahl der armen als auch die Zahl der armutsgefährdeten Menschen in Österreich gestiegen sei. Das widerspricht ihr zufolge der Feststellung, dass das SDG-Ziel “Keine Armut” erreicht sei. Zudem hob sie hervor, dass der Rechnungshof sowohl eine Nachhaltigkeitsstrategie als auch einen entsprechenden bundesweiten Umsetzungsplan eingemahnt habe. Auch Finanzminister Magnus Brunner ist nach Ansicht von Bayr säumig, und zwar was die Berücksichtigung der SDGs bei der Budgeterstellung betrifft.

Österreich könne stolz sein auf bisher Erreichtes, betonte demgegenüber Michaela Steinacker (ÖVP). Platz 5 im UNO-Ranking sei beachtlich. Es brauche aber noch Anstrengungen bei den Themen, wo es “Luft nach oben” gebe. Auch hier sind laut Steinacker aber viele kleine Initiativen im Laufen.

Seitens der Grünen hob Astrid Rössler die gute Zusammenarbeit zwischen den Ministerien und die Einbeziehung des Parlaments hervor. In Summe ortet sie “einen guten und seriösen Prozess”. Man dürfe aber nicht nur Fortschritte und Verbesserungen thematisieren, sondern müsse auch über die To-Dos sprechen, mahnte sie. Neben den SDG-Kapiteln 12 und 13 gebe es etwa auch in Bezug auf Kapitel 15 – Schutz von Landökosystemen – noch großen Handlungsbedarf. Begrüßt wurde von ihr die Weiterentwicklung des Datenmonitorings (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs

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