Sobotka: Antisemitismus bei jungen Menschen mit Maßnahmen begegnen

Ergebnisse einer Sonderauswertung der Antisemitismusstudie 2022 präsentiert

Alle zwei Jahre werden im Auftrag des Parlaments antisemitische Einstellungen in der Bevölkerung untersucht. Um Antisemitismus bei jungen Menschen näher zu beleuchten, wurde nun eine Sonderauswertung der Antisemitismusstudie 2022 durchgeführt. Demnach zählen der Hang zu Verschwörungsmythen, das Wissen über jüdisches Leben und das Geschlecht zu den stärksten Einflussfaktoren von Antisemitismus bei Menschen bis 25 Jahren.

Den Bericht hat das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) erstellt. Im Rahmen eines Pressegesprächs stellten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, IFES-Geschäftsführerin und Studienautorin Eva Zeglovits sowie Projektkoordinator Thomas Stern heute die Ergebnisse vor.

SOBOTKA: MASSNAHMEN GEGEN ANTISEMITISMUS BEI JUNGEN SETZEN

“Antisemitismus ist zutiefst antidemokratisch”, betonte der Nationalratspräsident. Deshalb engagiere sich das österreichische Parlament seit vielen Jahren für die Bekämpfung von antisemitischen Einstellungen. “Neben Gedenkveranstaltungen haben wir etwa den Simon-Wiesenthal-Preis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus ins Leben gerufen oder bieten auch Workshops in der Demokratiewerkstatt des Parlaments in diesem Bereich an”, so Sobotka. Auch mit der vorliegenden Studie wolle man einen Beitrag leisten.

Antisemitismus komme heute nicht mehr nur von rechts, sagte der Nationalratspräsident. Mittlerweile gebe es auch den linken, israelbezogenen Antisemitismus sowie einen migrantischen Antisemitismus. Es gehe ihm aber nicht darum, mit dem Finger auf bestimmte Gruppen zu zeigen. Wichtig sei die Frage, welche Maßnahmen es brauche, um gegenzusteuern. Es habe sich gezeigt, dass Bildung und Wissen bedeutende Faktoren seien. Sobotka führte den Besuch von Gedenkstätten und Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – insbesondere in der Schule – als wirkungsvolle Beispiele an.

Der Nationalratspräsident betonte weiters, dass die Erkenntnisse auf Daten aus dem Jahr 2022 basieren. Die Vorkommnisse seit dem 7. Oktober 2023 hätten zusätzlichen Handlungsbedarf aufgezeigt. Sobotka kündigte daher eine neuerliche Studie in gleicher Form an, die bereits beauftragt sei. Die Befragung soll im Sommer erfolgen, Ergebnisse wolle man im Oktober präsentieren.

ZENTRALE ERGEBNISSE

Junge Menschen sind nicht generell antisemitischer oder weniger antisemitisch eingestellt als die Gesamtbevölkerung. Das zeigte die Sonderauswertung der Antisemitismusstudie. Beeinflusst wird Antisemitismus bei jungen Menschen vom Hang zu Verschwörungsmythen, vom Wissen, vom Geschlecht und der Religiosität.

Je eher jemand Verschwörungsmythen glaubt, desto eher hält er oder sie auch antisemitische Aussagen für zutreffend. Beim Faktor Wissen gilt: Je mehr jemand über den Holocaust, Israel und das jüdische Leben weiß, desto weniger hält er oder sie antisemitische Aussagen für zutreffend. Junge Männer halten antisemitische Aussagen außerdem öfter für richtig als junge Frauen.Je höher die Religiosität, desto häufiger halten junge Menschen antisemitische Aussagen für zutreffend. Dieser Effekt war allerdings nur für junge Menschen muslimischen Glaubens zu beobachten, nicht für junge Menschen katholischen Glaubens. Zu anderen Religionsgemeinschaften können aufgrund der zu geringen Fallzahl keine Aussagen getroffen werden.

In der Zusatzstichprobe (bestehend aus Personen mit Migrationshintergrund aus einem türkisch- oder arabischsprachigen Land) halten junge Menschen antisemitische Aussagen häufiger für zutreffend als in der Gesamtstichprobe. Junge Menschen in Wien stimmten antisemitischen Aussagen häufiger zu als der Durchschnitt in Österreich.

Studienautorin Eva Zeglovits betonte bei der Präsentation der Ergebnisse, dass die Zusatzstichprobe nur einen Teil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund abbilde. Denn man habe bewusst auf jene Herkunftsländer fokussiert, zu denen aus internationalen Studien eine hohe Tendenz zu Antisemitismus bekannt war.

METHODIK DER STUDIE

In der Antisemitismusstudie 2022 wurde die Zielgruppe der jungen Menschen (bis 25 Jahre) in der Stichprobe aufgestockt, um bessere Einblicke in diese Gruppe zu bekommen. Diese Daten wurden im März und April 2024 gesondert ausgewertet, mit besonderem Blick auf jene Gruppen, wo es eine hohe Zustimmung zu antisemitischen Aussagen gab. Aufgrund der kleineren Stichprobe (n=395) liegt die Schwankungsbreite bei +/- 4,9 %. Auch aus der Zusatzstichprobe von Personen mit Migrationshintergrund aus einem türkisch- oder arabischsprachigen Land wurden die Ergebnisse für junge Menschen gesondert ausgewertet (n=215). Hier liegt die Schwankungsbreite bei +/- 6,7 %. Auch zeitlich gibt es eine Einschränkung: Es wurden Daten aus dem Herbst 2022 interpretiert, also aus einer Erhebung vor dem 7. Oktober 2023 bzw. den Entwicklungen im Nahen Osten seitdem.

Die Sonderauswertung der Antisemitismusstudie 2022 ist im Webportal des Parlaments abrufbar.

MASSNAHMEN DER PARLAMENTSDIREKTION

Das Parlament will mit Studien wie dieser nicht nur Problemstellen erkennen, sondern daraus auch aktiv Maßnahmen ableiten. Daher hat die Parlamentsdirektion im Rahmen der Demokratiewerkstatt einen neuen Workshop mit dem Titel “Tacheles reden. Verstehen verbindet” initiiert. Diese vierstündigen Workshops sollen das Bewusstsein für die Gefahren des Antisemitismus in der Gesellschaft und der Demokratie schärfen und alle dazu ermutigen, bei Bedarf aufzustehen. Teil des Workshops ist auch das Forschen in der Dauerausstellung in der Parlamentsbibliothek “Tacheles reden. Antisemitismus: Gefahr für die Demokratie”. Das Angebot richtet sich an Jugendliche ab der neunten Schulstufe. Der erste Workshop fand am 20. Juni unter Beteiligung des Nationalratspräsidenten statt. (Schluss) kar

HINWEIS: Fotos von diesem Pressegespräch finden Sie im Webportal des Parlaments.

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