„kulturMontag“ am 22. Juli: Der neue „Jedermann“, 70. Geburtstag von Erwin Wurm und Stimmungsbild der USA im Wahljahr
Anschließend: Doku „Zimmer frei – Übernachten in besonderer Architektur: Provence“ – ab 22.30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON
Wien (OTS) – Der von Clarissa Stadler präsentierte „kulturMontag“ am 22. Juli 2024 um 22.30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON wirft einen ersten Blick auf die Neuinszenierung des „Jedermann“ mit Philipp Hochmair in der Titelrolle bei den diesjährigen Salzburger Festspielen, trifft Erwin Wurm anlässlich dessen 70. Geburtstags an dessen Lebensmittelpunkt und Arbeitsstätte, dem niederösterreichischen Schloss Limberg, und liefert vor den im November dieses Jahres stattfindenden Präsidentschaftswahlen ein aktuelles Stimmungsbild der USA. Danach besucht die Dokumentation „Zimmer frei – Übernachten in besonderer Architektur“ die „Provence“ (23.15 Uhr): Die Reihe widmet sich der Geschichte und Entwicklung von Architektur im Tourismusumfeld und zeigt ausgewählte Projekte, die Tradition und Moderne kombinieren und Architektur und Kunst in einen Dialog stellen.
Ein Kassenschlager wird reloaded – Der neue „Jedermann“
Mit seiner One-Man-Show „Jedermann Reloaded“ hat Philipp Hochmair 2013 in Personalunion insgesamt 20 Rollen übernommen und gemeinsam mit seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ das mehr als 100 Jahre alte Mysterienspiel in ein rockig-apokalyptisches Sprechkonzert-Spektakel verwandelt. Fünf Jahre später übernahm er auf dem Domplatz die Hauptrolle vom erkrankten Tobias Moretti, zum ersten Mal in der Geschichte der Salzburger Festspiele nach 1945 musste ein „Jedermann“ einspringen. Hochmair landete einen fulminanten Erfolg bei Publikum wie Kritik. Notnagel sein war gestern, denn in diesem Jahr gibt der 50-jährige Wiener den neuen „Jedermann“. Für die Leitung der Salzburger Festspiele war es an der Zeit, dass das mittelalterliche „Morality Play“, das Hugo von Hofmannsthal weitergedichtet hat, neu gesampelt und neu gedacht wird. Auserkoren für diese Aufgabe wurde der kanadische Regisseur Robert Carsen. Er sieht die Figur als geldbesessen, gierig und gefühlskalt und will mit seiner Interpretation eine messerscharfe Analyse der materialistischen Gesellschaft samt dem damit einhergehenden Verfall geistiger Werte liefern. Für ihn ist der „Jedermann“ ein Neureicher, der plötzlich scheitert. Die „unübertroffene Gier“ in Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Manns“ mündet in den Tod. Für Robert Carsen soll die Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen zu einem Nachdenken darüber führen, wie wir unser Leben leben sollten. Neben einem komplett neu besetzten Ensemble, allen voran die Schweizer Schauspielerin Deleila Piasko als „Buhlschaft“, Andrea Jonasson als „Jedermanns Mutter“ und Christoph Luser als „Teufel und guter Gesell“, spielt auch der Dom in Carsens Inszenierung eine besondere Rolle. Im Gegensatz zu früheren Inszenierungen werden keine Bauten die Domfassade verstecken. Das Bauwerk selbst wird zur Bühne, eine niveaugleiche Piazza, auf der bis zu 90 Personen Platz finden, ist der mondäne Ort für „Jedermanns“ Tischgesellschaft. Der Dom ist Kirche und „Jedermanns“ Haus zugleich. Die mit Spannung erwartete Neuinszenierung überträgt ORF 2 am Samstag, dem 27. Juli, um 20.15 Uhr. Zuvor bietet der „kulturMontag“ erste Einblicke und umfassende Interviews.
Ein Gurkerl im XXL-Format – Erwin Wurm zum 70. Geburtstag
Mitten in der idyllischen Landschaft des Weinviertels parkt ein überdimensionales „Fat Car“ auf der Wiese, ein kopfloser Kapuzenmann taucht plötzlich bei einem Teich auf und neben einem mittelalterlichen Schloss reiht sich ein merkwürdig zusammengequetschtes, schmales Häuschen ein – willkommen in der schrägen Wunderwelt des Erwin Wurm! Schloss Limberg in der niederösterreichischen Gemeinde Maissau ist nicht nur der Lebensmittelpunkt des Kunststars, sondern auch Arbeits-, Produktions-und Lagerstätte. Auf dem fünf Hektar großen Anwesen findet der gebürtige Steirer reichlich Platz für seine oft riesenhaften Werke. Surreal muten seine sich küssenden Knack-Würsterln oder Wärmeflaschen auf zwei Beinen an, humorig seine Gurkerln im XXL-Format, skurril seine monströs aufgeblasenen Menschen. Das Heitere, Nonchalante zeichnet seine Skulpturen aus. Der Kunst eine gewisse Leichtigkeit zu geben, ist Erwin Wurm gelungen, und dennoch hat sie ob ihrer Konsumkritik einen ernsten Kern. Eine abgehobene Kunst, die schwer mit Pathos behaftet ist, sei nicht seine. Längst sind seine Objekte zur künstlerischen Marke avanciert, Erwin Wurm tanzt gekonnt auf dem Kunstparkett rund um den Globus. Allein in diesem Jahr stellt der Wahlniederösterreicher zwischen London und Shanghai, zwischen Berlin und Venedig aus, bevor er hierzulande anlässlich seines 70ers in der Albertina Modern mit einer umfassenden Retrospektive gewürdigt wird. Seinen Durchbruch schaffte er Ende der 1990er Jahre mit seinen „One Minutes Sculptures“, in denen Menschen mit Alltagsgegenständen selbst zum Kunstobjekt mutieren. Entstanden ist diese Idee aus einer Lebenskrise heraus, als sich seine erste Frau scheiden ließ und seine Eltern kurz nacheinander verstarben. Mittlerweile ist Erwin Wurm mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet worden, hat sein Land auf der renommierten Biennale von Venedig gemeinsam mit Brigitte Kowanz vertreten, und eine kürzlich erschienene Biografie von Rainer Metzger würdigt seinen Aufstieg im weltweiten Kunstbetrieb. Bevor Erwin Wurm auf der griechischen Insel Hydra, einem Hotspot im Kunst-Jetset, seinen 70. Geburtstag feiert, gewährt er dem „kulturMontag“ Einblicke in sein Kunstuniversum auf Schloss Limberg.
Das amerikanische Versprechen – Kerstin Kohlenbergs Stimmungsbild im US-Wahljahr
Seit seinem Auftritt beim TV-Duell gegen Donald Trump Ende Juni ist eine heftige Debatte darüber entfacht, ob der 81-jährige Joe Biden fit genug für eine weitere Amtszeit sei. Bidens Kontrahent Donald Trump kandierte 2016 zum ersten Mal mit dem Slogan „Make America great again“, weil er der berühmteste Mann der Welt sein wollte. Am 5. November 2024 wählen die US-Amerikanerinnen und -Amerikaner ihren neuen Präsidenten. Laut einer jüngsten Umfrage hat das Attentat auf Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Pennsylvania zu keinem Stimmungsumschwung bei den Wählerinnen und Wählern geführt. Allerdings stimmten 80 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass „das Land außer Kontrolle gerät“. 84 Prozent gaben an, sie seien besorgt, dass Extremisten nach der Wahl Gewalttaten begehen würden. Wie ist die Stimmung im Land und wer wird das Match gewinnen? Wie sehen die Zukunftspläne der Kandidaten aus? In ihrem Buch „Das amerikanische Versprechen“ sieht die preisgekrönte deutsche Journalistin Kerstin Kohlenberg die Demokratie in den USA am Abgrund. Von 2014 bis 2021 war sie für das deutsche Wochenblatt „Die Zeit“ als Korrespondentin tätig. Als sie 2021 Amerika wieder verließ, sei es ein Land geworden, in dem ein großer Teil der Menschen nicht mehr an die zentrale Institution der Volkssouveränität glaubte, an freie und faire Wahlen. Wie es zu der Wut und dem Vertrauensverlust gekommen ist, will sie nicht etwa in den Auswirkungen der Globalisierung, den ökonomischen Entscheidungen, den Migrationsströmen, der Arbeitslosigkeit oder in der Qualität der Bildungsabschlüsse erkennen, sondern in den emotionalen Veränderungen der Menschen: im Stolz auf das eigene Land und in den Kränkungen, die es einem zufügt, in der Hoffnung auf ein glückliches Leben und den Zweifeln, ob man es je erreichen wird – in jenen Gefühlen und Wertevorstellungen, die das Verhältnis eines Menschen zu seinem Land prägen. Via Schaltung nach Berlin erkundet Clarissa Stadler im Gespräch mit Kerstin Kohlenberg die Gründe für die Erosion der bürgerlichen Mitte.
Dokumentation: „Zimmer frei – Übernachten in besonderer Architektur:
Provence“ (23.15 Uhr)
Wie wichtig ist die Art der Unterkunft im Urlaub, wenn die Landschaft perfekt ist? Die ORF-Kultur-Sendereihe „Zimmer frei“ widmet sich der Geschichte und Entwicklung von Architektur im Tourismusumfeld und zeigt ausgewählte Projekte, die Tradition und Moderne kombinieren und Architektur und Kunst in einen Dialog stellen. Feriendomizile, die die Baustile der Regionen aufgreifen, weiterentwickeln und prägen, das jeweilige Landschaftsbild unterstreichen und einen Brückenschlag zwischen historischer Baumaterie und zeitgenössischem Design wagen. Diesmal besucht Martin Traxl in der mittlerweile sechsten Ausgabe der Reihe „Zimmer frei“ sehr unterschiedliche Bauten und Projekte im Südosten Frankreichs, in der Provence. Zu Wort kommen neben Architekt:innen, Bauherr:innen und Hoteliers auch Fachleute, die über die Bedeutung und Geschichte der Architektur in der Provence, den Wandel in der baulichen Gestaltung, sowie auch die gesellschaftlichen Aspekte von Kunst und Architektur sprechen. Genauso abwechslungsreich und vielfältig wie die Topografie und Landschaft der Provence sind auch die Objekte, die rund um Marseille, Arles, Cassis und Saint Tropez – zwischen Urbanität, mediterranem Flair und ländlichem Idyll – zu finden sind: Von der ehemaligen Dorfschule, die nun als Pension fungiert, dem aufgelassenen Karmelitinnenkloster, das heutzutage den Fokus auf Wellness und Genuss statt Kontemplation setzt, dem einstigen Spital im Zentrum von Marseille, das sich zum 5-Sterne-Refugium gewandelt hat, bis hin zum aus dem Dornröschenschlaf erweckten Art-Deco-Hotel, in dem Anfang des 20. Jahrhunderts schon die Crème de la Crème geurlaubt hat. All diesen Objekten gemein ist das Feingefühl für die Revitalisierung historischer Bausubstanz, Geschick und Können in der Handwerkskunst und ein Verständnis dafür, dass das Alte und das Neue eine Symbiose eingehen können. Temporäres Wohnen im Architekturdenkmal von Le Corbusier ist in der Provence genauso möglich wie Erholung und Entspannung im jahrhundertealten Château – eingebettet zwischen Weingärten und Kunstinstallationen von Frank Gehry und Bob Dylan – oder ein Wochenendtrip, der einer architektonischen Zeitreise in die Sixties gleicht. Doch auch neu geschaffene Objekte zeigen, wie die Grenzen von Architektur und Natur verschwimmen, wie schlichtes Design mit opulenter Flora in Einklang gebracht wird.
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