Parlamentsbibliothek zeigt den „Stein von Rosette der Parlamentsstenografie“
Fund im Parlamentsarchiv gibt Einblick in die Entwicklung der Stenographischen Protokolle in Österreich Fund im Parlamentsarchiv gibt Einblick in die Entwicklung der Stenographischen Protokolle in Österreich
Wien (PK) Die Entstehung der Parlamentsstenografie ist eng mit dem Aufstieg des parlamentarischen Systems im 19. Jahrhundert verbunden. Eine im Zuge der Arbeiten am Detailverzeichnis des Parlamentsarchivs aufgetauchte Sammlung von Dokumenten aus dem Jahr 1897 bestätigt historische Berichte über die Arbeitsweise des „Stenographenbüros“ am Ende des 19. Jahrhunderts.
Eine besondere Bedeutung haben die Dokumente nicht nur, weil an ihnen die Bearbeitungsschritte, vom Stenogramm über die Transkription zum gedruckten Protokoll, klar nachvollzogen werden können. Sie erlauben auch, das heute nicht mehr verwendete und daher weitgehend in Vergessenheit geratene Gabelsberger System der Kurzschrift zu studieren. Aus diesem Grund wird der Akt in den nächsten Wochen von der Parlamentsbibliothek unter dem Titel „Stein von Rosette der Parlamentsstenografie“ der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Stenogramme, das Transkript und die gedruckte Rede können im „Schaufenster ins Archiv“ im Eingangsbereich der Parlamentsbibliothek in Augenschein genommen werden. Im Internet finden sich die Dokumente unter „Blick ins Archiv „.
EINE REHABITILIERUNG DER STENOGRAFISCHEN KUNST
„So etwas kann man nicht suchen, das kann man nur finden“, sagt die Parlamentsarchivarin Doris Alice Corradini. Gemeint ist ein Akt des Abgeordnetenhauses, der passend zur Fachtagung der Parlamentsstenograf:innen, die dieser Tage im österreichischen Parlament stattfindet, einen Einblick in die Arbeit der Stenografen des Reichsrats (die Tätigkeit wurde damals ausschließlich von Männern ausgeübt) gibt. Demnach wurden die Debatten in den beiden Kammern des Reichsrats zeitgleich von zwei Personen mitstenografiert. Die „Kammerstenographen“, die sich in kurzen Abständen abwechselten, erstellten den Grundtext des Protokolls. Parallel zu ihnen fertigte ein „Revisor“ eine stenografische Mitschrift an. Diese wurde zur Kontrolle der von den Kammerstenographen angefertigten Reinschrift herangezogen. Der im Parlamentsarchiv erhaltene Akt enthält zwei originale Stenogramme: die Niederschrift einer Rede durch einen Kammerstenographen und die dazugehörige Mitschrift eines Revisors. Dazu kommt die handschriftliche Übertragung in Kurrentschrift mit den Korrekturen des Redners sowie das Endprodukt, das gedruckte Stenographische Protokoll.
Corradini erläutert, dass der Akt einen Streit um die Zuverlässigkeit der Stenographischen Protokolle dokumentiert, der im Jahr 1897 im Niederösterreichischen Landtag seinen Ausgang nahm. Den Parlamentsstenografen sei unterstellt worden, dass sie die Protokolle fälschen würden, „wie es die Herren gebrauchen“. Um diesen schwerwiegenden Vorwurf zu entkräften, habe der Reichsrat eine eigene Untersuchungskommission eingerichtet, die die beiden Stenogramme und deren Transkript „schriftkundigen“ Abgeordneten vorlegte. Diese bestätigten, dass die Stenographen eine getreue Mitschrift der Verhandlungen abgeliefert hatten. (Schluss) sox
HINWEIS: Fotos der Archivalien finden Sie im Webportal des Parlaments.
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