37. Wiener Landtag (4)

45. Bericht der Volksanwaltschaft 2023 an den Wiener Landtag

LAbg. Stefan Berger (FPÖ) betonte die Wichtigkeit der Institution der Volksanwaltschaft. 75 Prozent der Österreicher würden laut dem Vertrauens-Index der APA-OGM der Volksanwaltschaft ihr Vertrauen schenken. Dieser hohe Zuspruch sei ganz Verdienst der Arbeit der Volksanwälte und Volksanwältinnen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, betonte Berger. Er gab einen Abriss zu den Zahlen des Berichts 2023: 1.560 Beschwerden würden die Wiener Landes- und Gemeindeverwaltung betreffen, das seien um 30 Prozent mehr als noch im Bericht 2018. Überhaupt würden knapp 45 Prozent aller Beschwerden bundesweit auf die Stadt Wien entfallen; viele davon würden Themenbereiche betreffen, die schon länger im Fokus der Volksanwaltschaft lägen, so Berger. Er beklagte außerdem die eingeschränkte Kontrolle der Volksanwaltschaft: Zwar könne die Verwaltung geprüft werden, die ausgelagerten Betriebe der Stadt Wien könnten hingegen nicht von der Volksanwaltschaft geprüft werden. Darunter fielen auch die Stadtwerke oder auch die Bestattung Wien, so Berger. Wien würde sich einer umfangreichen Berichtspflicht verweigern, kritisierte der FPÖ-Mandatar. Manche Bereiche seien eine Konstante in den Berichten der Volksanwaltschaft, so Berger, dazu würde die Staatsbürgerschafts- und Niederlassungsbehörde MA 35 zählen ebenso wie der Bereich der Kinder- und Jugendwohlfahrt in der MA 11. Beide Magistratsabteilungen würden in das Ressort von Stadtrat Christoph Wiederkehr fallen, betonte Berger. Der Stadtrat und Vizestadtchef sei zwar bemüht, Reformen umzusetzen, es ginge aber zu wenig weiter. Bei der MA 11 sei der größte Missstand der schleppende Ausbau der ambulanten Hilfe für Familien, die verhindern solle, dass Kinder erst gar nicht in Fremdunterbringung kommen müssten; ambulante Hilfe sei auch wesentlich kostengünstiger als die Fremdunterbringung von Kindern, so Berger. In den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe herrsche eine Überbelegung; der Fachkräftemangel bedinge außerdem, dass Personal, das sich noch in Ausbildung befindet, in den Einrichtungen gleich vom ersten Tag weg viel Verantwortung übertragen werde, zitierte Berger die Kritik der Volksanwaltschaft. Wegen Platzmangel in den Krisen-WGs würden Dreijährige mit Teenagern in derselben Einrichtung untergebracht und Geschwister-Kinder getrennt. Hier brauche es massive Anstrengungen, um solche Missstände abzuschaffen, forderte Berger. Bei der MA 35 falle in den Berichten der Volksanwaltschaft immer wieder mit den überlangen Verfahrensdauern auf. Es gebe Reformen, aber viele Maßnahme würden sich noch nicht auf die Wartezeiten auf Termine oder Bescheide durchschlagen, kritisierte Berger.

LAbg. Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS) nannte die Volksanwaltschaft „eine wichtige Einrichtung für die Rechtstaatlichkeit und Kontrolle der staatlichen Institutionen“. Jedes Jahr würden sich tausende Menschen an die Volksanwaltschaft wenden und vermeintliche Missstände aufzeigen; bei jeder Meldung gelte: „Jede einzelne Beschwerde ist eine, die schmerzlich ist und in vollstem Umfang ernst genommen werden muss“. Bakos sprach zu den sozialpädagogischen Einrichtungen und Überlastungen bei den Kriseneinrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge. „Leider sind die Krisenzentren nach wie vor mit großen Herausforderungen konfrontiert wie dem Fachkräftemangel“, stellte Bakos fest. In diesem Bereich hätte es in den vergangenen Jahren schon einige Verbesserungen geben. So hätte sich die Stadt bemüht, die Überbelegung zu senken – unter anderem mit dem „massiven Ausbau“ von Wohnplätzen und Wohngemeinschaften. Derzeit werde von der MA 11 auch ein Konzept für ein neues Kleinkind-Krisenzentrum umgesetzt. Ziel sei ein flächendeckendes Angebot. Bakos erinnerte daran, dass im April des laufenden Jahres zusätzliche Dienstposten für die Krisenzentren genehmigt worden seien, diese ermöglichten unter andrem Doppelbesetzung in der Nacht. Die Stadt würde insgesamt 1,7 Millionen Euro investieren, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und Menschen für die Ausbildung in der Sozialpädagogik zu begeistern. Beim FH-Campus Wien sei ein neuer Lehrgang zur Höherqualifizierung von Sozialpädagog*innen geschaffen worden, sagte Bakos. „Es ist noch viel zu tun, wir sehen, wo es wirklich großen Aufholbedarf gibt“, fasste Bakos zusammen. Auch bei der MA 35 hätte es Verbesserungen gegeben. Es gebe ein „riesengroßes Ziel“, so die NEOS-Abgeordnete: „Wir wollen diese Behörde zu einer modernen service- und kundenorientierten Behörde machen, die im 21. Jahrhundert angekommen ist“. Dafür hätte die Stadt „große Weichen gestellt“, um die Behörde dahin zu bringen. Schon früh sei das Personal aufgestockt und ein telefonisches Servicecenter eingerichtet worden, über das im vergangenen Jahr 267.000 Kund*inenn-Kontakte stattgefunden haben. „Jetzt hebt endlich jemand bei der MA 35 ab, jetzt gibt es eine Antwort, wenn ich mich an diese Behörde wende“, sagte Bakos. Auch die Dauer der Verfahren sei verkürzt worden, es gebe aber noch Luft nach oben, räumte Bakos ein. Fakt sei: „Wir haben erste Maßnahmen gesetzt und die zeigen langsam Wirkung.“ So hätte die Stadt bei der MA 35 das „Business Immigration Office“ geschaffen, um Unternehmen reibungslosere Verfahren für Mitarbeiter*innen zu ermöglichen; Online-Assistent*innen würden zu schnellen Erstinfos zum Thema Einbürgerung oder Niederlassungsrecht lotsen. „Wir sind noch nicht am Ziel angelangt, haben aber große Zwischenschritte gemacht.“

LAbg. David Ellensohn (GRÜNE) erklärte, dass zum ersten Mal im Vertrauensindex der OGM auch die Volksanwaltschaft abgefragt worden sei. „Die Volksanwaltschaft hat gleich beim ersten Mal Mitspielen gewonnen“, fasste Ellensohn zusammen. „Das höchste Vertrauen in Österreich bei dieser Befragung hat die Volksanwaltschaft. Da muss man als Politiker ein wenig neidisch werden“. Ein Wermutstropfen bleibe allen, die an Kontrolle und Transparenz interessiert seien: Die Landesverfassung Wien lasse nicht zu, dass die Volksanwaltschaft ausgelagerte Unternehmen der Stadt wie die Wiener Stadtwerke prüfen könne. Ellensohn regte an, die Stadtwerke und andere Unternehmungen für die Volksanwaltschaft zu öffnen. Ellensohn hob einige Initiativen der Volksanwaltschaft hervor, darunter das laufende Menschenrechte-Monitoring der Volksanwaltschaft, das Monitoring der Armutsbetroffenheit in Österreich und die Ringvorlesung zum Thema Gewalt gegen Frauen, die von der Volksanwaltschaft organisiert worden sei. Einen Teilerfolg hätte die Kritik der Volksanwaltschaft beim kostenlosen Mittagessen in Ganztagsschulen gebracht, berichtete Ellensohn. Inzwischen sei das Mittagessen für Schüler*innen auch in offenen Ganztagsschulen kostenlos. Allerdings seien nach wie vor Horte vom Gratis-Essen ausgenommen; „hoffentlich gibt es auch hier eine Verbesserung“, meinte Ellensohn. Zum Abschluss seiner Rede berichtete der Grünen-Klubchef von einem „Schildbürgerstreich“, den er im Bericht der Volksanwaltschaft entdeckt hatte: Ein Beschwerdeführer hätte sich als Referent bei der MA 40 beworben; ihm sei aber erst nach einer Vorstellungsrunde und einem Probetag mitgeteilt worden, dass er die formalen Voraussetzungen für die Stelle nicht erfüllt. Für den Posten werde Matura verlangt, trotzdem sei die Person ohne Matura eingeladen worden: „Das sollte nicht passieren“.

LAbg. Harald Zierfuß (ÖVP) bedankte sich bei der Volksanwaltschaft. 1.560 Wiener*innen hätten sich 2023 an Volksanwaltschaft gewandt, in 354 Fällen seien so Missstände in der Verwaltung aufgedeckt worden, fasste Zierfuß den Bericht zusammen. Die Themen im Bericht seien vielfältig: Viele bei der Volksanwaltschaft deponierte Missstande beträfen die Kinder- und Jugendhilfe, auch die MA 35 sei im Bericht oft Thema. „Wenn es als Erfolg verkauft wird, dass man abhebt, wenn jemand anruft, ist das traurig“, sagte Zierfuß in Richtung seiner Vorrednerin Bakos, die das neue Callcenter der MA 35 als Verbesserung hervorgehoben hatte. Er prangerte außerdem eine vermeintliche „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ in der Nachmittagsbetreuung in Wien an, die auch die Volksanwaltschaft beschäftigen würde: „Viele Eltern regen sich darüber auf, dass sie für das komplett gleiche Angebot einmal zahlen müssen und einmal nicht – einfach nur, weil die verschränkte Ganztagsschule von der SPÖ gewünscht ist und der offenen Ganztagsschule nicht.“ Gemeint war das beitragsfreie Mittagessen: Bei der verschränkten Ganztagsschule ist das Essen gratis, bei der offenen Ganztagsschule nicht. „Das ist nicht gerecht. Es ist gut, dass sich die Volksanwaltschaft darum kümmert“, betonte Zierfuß. Das Gratis-Essen im Hort ist vielleicht nächstes „Wahlzuckerl“ der Regierungsparteien, mutmaßte der ÖVP-Mandatar; dem wollte er vorgreifen und kündigte einen Antrag seiner Fraktion betreffend Gratis-Essen auch im Hort und der offenen Ganztagsschule an.

LAbg. Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) lobte die sehr sachliche Debatte. Beim Beliebtheitsindex des Umfrageinstituts OGM läge die Volksanwaltschaft ganz weit vorne. Diese hätte von Anfang an ein gutes Image gehabt und habe sich gesteigert, erinnerte Stürzenbecher. Die Idee für die Volksanwaltschaft gehe auf Bruno Kreisky zurück, der das Modell aus Skandinavien kannte, erklärte der langjährige SPÖ-Mandatar. Die Schöpfung von Kreisky hätte sich seit damals bewährt. Die Volksanwaltschaft als letzte Anlaufstelle für jene, die unzumutbar lange warten mussten oder wollen, dass Vorgänge überprüft werden – auch wenn die Volksanwaltschaft nicht einschreite, sei das „offene Ohr“ für Bürger*innen-Anliegen immens wichtig. Zur Kritik, dass die Volksanwaltschaft die Stadtwerke nicht prüfen könne, meinte Stürzenbecher in Anlehnung an Altbürgermeister Michael Häupl, dabei handle es sich um einen „Webfehler“ in der Wiener Stadtverfassung. Bisher sei niemandem ein Modell eingefallen, um eine verfassungskonforme Lösung zu finden, die eine Prüfung erlaube, bedauerte Stürzenbecher. Ein Schwerpunkt im aktuellen Bericht der Volksanwaltschaft liege unter anderem bei der MA 35. Stürzenbecher verwies dabei auf die Verbesserungen, die auch schon seine Vorrednerin von den NEOS angesprochen hatte. 150.000 Verfahren würden pro Jahr von der MA 35 behandelt, viele davon würden auch die vor kurzem ermöglichten Staatsbürgerschaftsverfahren für Nachkommen von NS-Verfolgten umfassen oder – seit dem ‚Brexit‘ – Verfahren für Brit*innen, die in Wien leben oder sich hier niederlassen wollen. Trotz hohem Arbeitspensum hätten sich die Bearbeitungszeiten verkürzt, sagte Stürzenbecher. Er lobte den „engagierten“ Abteilungsleiter der MA 35 der Verbesserungen erfolgreich umsetzen würde. „Die Volksanwaltschaft löst auch Anliegen, wo sich sonst niemand zuständig fühlt“, erklärte Stürzenbecher. Er berichtete von einer Beschwerde aus dem Bericht, die erfolgreich abgeschlossen wurde. Dabei ging es um das Ansuchen zur Wohnbeihilfe, das bisher auch vom Vermieter unterschrieben werden musste. „Wieso muss der Vermieter wissen, dass ich um Wohnbeihilfe ansuche?“, schilderte Stürzenbecher die nachvollziehbare Beschwerde eines Mieters aus dem Bericht. Die Unterschrift sollte Missbrauch verhindern; die Volksanwaltschaft habe darauf hingewiesen, dass Missbrauch auch vorgebeugt werden könne, ohne den Datenschutz oder die Privatsphäre zu verletzen und habe vorgeschlagen, andere Nachweise wie Kontoauszüge zu akzeptieren. Daraufhin sei die Rechtslage geändert worden, die Volksanwaltschaft hätte so klar eine Verbesserung für Betroffene erzielt. (Forts.) ato

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