37. Wiener Landtag (6)
Dringlicher Antrag
Im Anschluss an die Tagesordnung wurde der dringlicher Antrag der FPÖ an Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr betreffend „Wiener Sprachscreening“ debattiert.
Der von Abg. Maximilian Krauss (FPÖ) begründete den Antrag mit der aus seiner Sicht dramatischen und schlechten Bilanz des Wiener Bildungsressorts: Der FPÖ-Mandatar betonte, dass dies „das Resultat falscher Entscheidungen“ sei und die Verantwortung nicht allein bei Bildungsstadtrat Wiederkehr liege, sondern auch bei der zehnjährigen rot-grünen Regierungspolitik der Vorgängerkoalition. Diese habe dazu geführt, dass das Niveau des Bildungssystems in der Stadt so niedrig sei. Lehrer würden Alarm schlagen, Schulen meldeten immer wieder Hilferufe, und es gäbe eine zunehmende Zahl an Klassen, in denen fast ausschließlich Arabisch gesprochen werde, sagte der FPÖ-Abgeordnete. Demonstrationen von Lehrkräften würden den bestehenden Notstand verdeutlichen. Krauss erklärte weiter, dass das ehemals gut funktionierende Bildungssystem „an die Wand gefahren“ worden sei, was vor allem die Kinder zu den Verlierern mache. Er hob hervor, dass die Probleme „hausgemacht“ seien. Wien nehme bei allen relevanten Bildungsindikatoren die letzten Plätze ein, was auch zur höchsten Jugendarbeitslosigkeit führe. Als Kernproblem nannte der Mandatar unter anderem mangelnde Deutschkenntnisse und das Fehlen von Deutsch als Umgangssprache. Deshalb lege die FPÖ einen Vorschlag vor, ein verpflichtendes Sprachscreening bei Dreijährigen einzuführen. Der ziele darauf ab, auch die Familien in die Pflicht zu nehmen, erklärte Krauss den Vorschlag seiner Partei. Eltern, die ihre Kinder nicht ausreichend unterstützen, müssten ebenfalls verpflichtet werden, Deutschkurse zu besuchen – und bei Verweigerung sanktioniert werden. Krauss konkretisierte seine Aussage dahingehend, dass über das Streichen von Sozialleistungen nachgedacht werden müsse. Er betonte, dass der bisherige „Laissez-faire“-Ansatz nicht mehr tragbar sei. Abschließend verwies Krauss auf eine zunehmende Zahl an Suspendierungen sowie auf hunderte Anzeigen, die die Gewaltproblematik an Wiener Schulen verdeutlichten. Lehrer würden zunehmend Wien verlassen und in andere Bundesländer wechseln. Dies seien direkte Folgen einer aus seiner Sicht falschen Zuwanderungspolitik. Es brauche eine konsequente Umsetzung von Deutsch als Schulsprache, ein Ende der Familienzusammenführungen sowie entsprechende Sanktionen. Der Antrag werde zwar nicht alle Probleme lösen, sei aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. „Integration ist eine Bringschuld und keine Selbstverständlichkeit“, so Krauss.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) schloss an seinen Vorredner nahtlos an. Er kritisierte in seiner Rede die Missstände im Wiener Bildungsbereich und zeichnete ein düsteres Bild der aktuellen Situation. Er warf der Stadtregierung vor, Warnungen über Jahre hinweg ignoriert und Lehrern einen „Maulkorb“ verpasst zu haben. Diese Vorgehensweise sei eine langjährige Praxis, die die Probleme im Bildungssystem noch verschärft habe. Nepp bezeichnete außerdem die Überlegung, Bildungsstadtrat Wiederkehr zum Bildungsminister der neuen schwarz-rot-pinken Regierungskoalition im Bund zu machen, als „gefährliche Drohung“. Besonders alarmierend sei, so Nepp, die hohe Anzahl außerordentlicher Schüler – so viele wie nie zuvor -, von denen rund zwei Drittel keine ausreichenden Deutschkenntnisse hätten. Diese Sprachdefizite führten dazu, dass ein großer Teil dem Unterricht nicht folgen könne, was die Bildungssituation noch weiter verschlechtere. „Das Gewaltpotenzial, das sich auch gegen Lehrer richte, ist enorm gestiegen“, ergänzte der FPÖ-Abgeordnete. Nepp bemängelte die Praxis der sogenannten Containerklassen, die die FPÖ stets abgelehnt habe. Zwar habe sich die Architektur der Container inzwischen verbessert, doch sei dies lediglich eine kurzfristige Lösung für strukturelle Probleme. Außerdem würden die Container häufig auf Sportplätzen errichtet, was Schülern und Vereinen die Möglichkeit nehme, dort zu trainieren. Der Familiennachzug sei keine Überraschung gewesen, doch die Stadt habe es verabsäumt, sich darauf vorzubereiten. Seiner Meinung nach würden viele Lehrer aus Wien in andere Bundesländer abwandern, da die Arbeitsbedingungen dort deutlich besser seien. Auch motivierte und idealistische Lehrkräfte würden irgendwann an ihre Grenzen stoßen, wenn sie wiederholt attackiert würden und keine Unterstützung erhielten, warnte Nepp. Besonders beunruhigend sei, dass mittlerweile 35 Prozent der Volksschüler als außerordentliche Schüler eingestuft würden, wovon die Hälfte in Wien geboren sei. Diese Kinder hätten bereits den Kindergarten durchlaufen, könnten jedoch immer noch kein Deutsch. Dies zeige, dass zu Hause kaum Deutsch gesprochen werde, was den Austausch und die Integration erheblich erschwere. Nepp sprach dabei wörtlich von einem „Raub an der Zukunft der Kinder“. Es sei deshalb notwendig, möglichst früh festzustellen, ob Kinder Deutsch können. Ein verpflichtendes Sprachscreening sei der richtige Weg, so Nepp. Bei Defiziten müssten altersgerechte Sprachkurse eingeführt werden, auch unter Einbeziehung der Eltern. Sollte dieses Angebot nicht angenommen werden, müsse es Sanktionen wie die Streichung von Sozialleistungen geben, forderte Nepp. Experten und auch einige „kluge Köpfe aus der SPÖ“ würden diesem Konzept positiv gegenüberstehen.
Nepp appellierte zum Abschluss an die anderen Parteien, „über den eigenen Schatten zu springen“, um den Kindern zu helfen. Die Bilanz von Stadtrat Wiederkehr sei desaströs. Statt Kindern Flügel zu verleihen, wie es angekündigt war, habe man ihnen „Flügel aus Beton“ gegeben, wodurch sie „untergehen“. Nepp forderte deshalb das „Ziehen der Reißleine“ und kündigte einen Misstrauensantrag gegen den Bildungsstadtrat an. Er hoffte dabei auf Unterstützung der ÖVP.
Abg. Mag. Bettina Emmerling (NEOS) kritisierte die Beiträge der Vorredner und stellte Widersprüchlichkeiten in deren Argumentation fest. Sie warf der FPÖ vor, ohne fundierte Fakten an die Bildungsdebatte heranzugehen, und bezeichnete deren Ansatz als „faktenbefreit“. Emmerling räumte ein, dass der Personalmangel im Bildungsbereich ein großes Problem sei und seinen Tribut fordere. Dennoch verwies sie darauf, dass man monatlich rund 300 neu zugewanderte Schüler aufnehmen müsse, was bereits eine enorme Herausforderung darstelle. Der Krieg in der Ukraine habe die Situation zusätzlich verschärft, da etwa 4.000 Kinder von heute auf morgen einen Schulplatz benötigten. Emmerling betonte, dass diese Herausforderungen nur zu bewältigen seien, weil in den letzten Jahren „vorausschauend geplant und gebaut“ worden sei. Auch wenn das System inzwischen an seine Grenzen stoße, sei es dennoch langfristig ausgelegt. Die viel kritisierten Containerklassen verteidigte sie, indem sie erklärte, diese seien bestens ausgestattet und keinesfalls eine „Minderaufbewahrung“ für Kinder. In Bezug auf die Sprachförderung räumte Emmerling ein, dass es hier „massiven Aufholbedarf“ gebe. Sie betonte jedoch, dass Sprachstandsfeststellungen im Kindergarten bereits durch das geltende Kindergartengesetz vorgesehen seien. Somit sei der von der FPÖ eingebrachte Antrag rechtlich bereits abgedeckt. Sollte sich der Antrag jedoch auf alle Kinder beziehen, falle dies nicht in den Kompetenzbereich des Landes, so Emmerling. Sie fügte hinzu, dass es keine rechtlichen Möglichkeiten gebe, Kinder zwangsweise in Sprachkurse zu schicken oder Eltern zur Teilnahme zu verpflichten. Emmerling mahnte, dass in der Bildungspolitik auf die Fakten geachtet werden müsse, und forderte eine Diskussion, die sich an die klare Kompetenzenverteilung halte.
Abschließend betonte die NEOS-Abgeordnete die Notwendigkeit, ausreichend Personal für Kindergärten bereitzustellen. Derzeit gebe es 407 Sprachförderkräfte, im Herbst seien 65 neue eingestellt worden. Dennoch suche man weiterhin „händeringend“ nach Personal, da der Bedarf nicht gedeckt sei. Es könne in diesem Bereich „nie genug“ Kräfte geben, so Emmerling abschließend.
Abg. Mag. Mag. Julia Malle (GRÜNE) erklärte, sie könne dem Antrag der FPÖ durchaus „etwas abgewinnen“. Sie kritisierte jedoch die Ablehnung der mehrsprachigen Bereitstellung von Informationen in einer Stadt wie Wien. In einer Millionenstadt sei Mehrsprachigkeit ein wichtiges Potenzial, das gefördert werden müsse. Kinder in Bildungseinrichtungen sollten dahingehend gestärkt werden, da dies ein entscheidender Faktor für Integration sei. Malle stimmte der Bedeutung der Sprachförderung als Schlüssel zur Integration zu und räumte ein, dass der derzeitige Mangel an Pädagog*innen sowie die Tatsache, dass ein Drittel der Schüler dem Unterricht nicht folgen könne, zutreffe. Ein Sprachscreening sei durchaus sinnvoll, wenn es kontinuierlich und durchdacht umgesetzt werde. Dennoch fehle es im vorgelegten Konzept an konkreten Ansätzen und Maßnahmen. Die Abgeordnete verwies auf ein erfolgreiches Modell aus Hamburg, bei dem Kinder im Alter von 4,5 bis 5 Jahren auf ihre Sprachkompetenzen getestet würden. Abhängig vom Ergebnis müssten sie entweder eine Vorschule besuchen oder zusätzlich vier Stunden Deutschunterricht pro Woche im Kindergarten absolvieren. Dieses Modell sei ihrer Meinung nach sinnvoll. Die aktuelle Bildungspolitik in Wien bezeichnete Malle jedoch als „bildungspolitischen Blindflug“. Aus der Sicht einer Lehrerin erläuterte sie, dass Pädagog*innen in Wien immer wieder von vorne anfangen müssten, da es an einem funktionierenden Wissensmanagement an den Schnittstellen zwischen den verschiedenen Schulen fehle. Sie stimmte zu, dass viele Kinder aufgrund dieser Mängel zurückblieben. Eine weitere Schwachstelle sah die grüne Abgeordnete in den unzureichenden Arbeitsbedingungen der Sprachförderkräfte. Diese würden schlecht bezahlt und müssten zwischen verschiedenen Standorten wechseln, was die Effektivität ihrer Arbeit beeinträchtige. Die Grünen setzen sich dafür ein, dass Sprachförderkräfte als Teil eines festen Teams an einem Standort tätig sein sollten – verbunden mit besserer Bezahlung und höheren Qualitätsstandards für das sprachliche Niveau der Förderkräfte. Hier gebe es ihrer Meinung nach noch „viel Luft nach oben“.
Ein weiterer Ansatzpunkt sei die „mangelnde Durchmischung“ in den Schulen, so Malle. Sie sprach sich dafür aus, die freie Schulwahl beizubehalten, diese jedoch durch sozioökonomische Kriterien zu ergänzen, um eine bessere soziale Durchmischung zu erreichen. Abschließend kritisierte Malle, dass in Wien in bildungspolitischen Fragen oft ein „Schweigen im Walde“ herrsche. Sie äußerte die Erwartung, dass die NEOS in einer möglichen Bundesregierung künftig eine stärkere Rolle spielen und die Diskussion um Bildungspolitik vorantreiben würden.
Abg. Harald Zierfuß (ÖVP) hob in seiner Rede die Bedeutung des Themas hervor und betonte, dass seine Partei die Probleme im Bildungsbereich durch zahlreiche Anfragen in der Vergangenheit erst „messbar“ gemacht habe. Die Daten zeigten deutlich, dass jeder dritte Schüler als außerordentlicher Schüler gelte. Besonders problematisch sei dabei, so Zierfuß, dass mehr als die Hälfte dieser Kinder in Wien geboren sei. Dies zeige, dass die Deutschförderung in den Kindergärten nicht funktioniere, sagte der ÖVP-Mandatar. Er wies darauf hin, dass der Familiennachzug zwar oft als Ausrede herangezogen werde, die tatsächlichen Gründe jedoch tiefer lägen. Auch die Situation an Mittelschulen bezeichnete Zierfuß als alarmierend: 80 Prozent der Schüler erreichten nicht die Bildungsstandards in Lesen und Rechnen. Ebenso sei die Lage in den Berufsschulen bedenklich, da viele Lehrlinge nicht ausreichend lesen und rechnen könnten. Diese Jugendlichen hätten dadurch kaum Chancen in der Berufswelt. Zierfuß verwies dabei auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Wien, die im deutschsprachigen Raum Spitzenwerte erreiche. Während er die Bemühungen um die Aufstockung der Sprachförderkräfte anerkannte, kritisierte er dennoch, dass diese Maßnahmen nicht ausreichten. Derzeit komme eine Sprachförderkraft auf 80 Kinder mit Deutschbedarf, was eine effektive Förderung unmöglich mache. Laut Statistik seien bei funktionierenden Maßnahmen nach einem Jahr bereits Fortschritte erkennbar, doch in Wien wäre das nicht der Fall. Zierfuß sprach sich daher für gezielte Maßnahmen aus, darunter verpflichtende Sprachstandsfeststellungen, eine Kindergartenpflicht ab dem dritten Lebensjahr für Kinder, die kein Deutsch sprechen, sowie kleinere Gruppen in Kindergärten. Der Alltag im Kindergarten sei von zentraler Bedeutung, doch die Herausforderungen für die Pädagog*innen zu groß. Als Vorbild nannte er skandinavische Länder mit Betreuungsquoten „von denen wir nur träumen können“. Abschließend betonte Zierfuß, dass die Problematik inzwischen offenkundig und unumstritten sei. Er hoffe, dass nun endlich gehandelt werde. Die Forderungen der ÖVP seien längst bekannt und müssten nun umgesetzt werden, schloss er. (Forts.) kri
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