Handysicherstellung: Breite Mehrheit im Budgetausschuss für Paket zur Neuregelung

Zudem wird Strafprozessordnung unter anderem zur Verfahrensbeschleunigung reformiert

Mit einer breiten Mehrheit von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen hat der Budgetausschuss einen neuen Initiativantrag von ÖVP und Grünen zur vieldiskutierten Handysicherstellung ins Plenum geschickt. Aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) ist eine Neuregelung der Materie bis 1. Jänner erforderlich, die sich damit noch ausgehen sollte.

Die Festlegung einer vorherigen richterlichen Kontrolle zur „Beschlagnahme von Datenträgern und Daten“ – wie eben der Handysicherstellung – bleibt im Antrag wie im früheren Vorschlag von ÖVP und Grünen von vor dem Sommer erhalten. Grundlegend soll die Sicherstellung solcher Datenträger als neue Ermittlungsmaßnahme von der Sicherstellung von anderen Gegenständen generell getrennt werden. Ohne richterliche Bewilligung bestehen bleiben soll die bisherige Möglichkeit der Sicherstellung etwa von Handys zu materiellen Zwecken sowie von punktuellen Daten aus dem öffentlichen Raum wie etwa Bilder von Überwachungskameras.

Enthalten ist in dem Paket von ÖVP und Grünen auch eine Reform der Strafprozessordnung (StPO), unter anderem zur Verfahrensbeschleunigung und zur Stärkung des Opferschutzes. Bei der Abstimmung berücksichtigt wurde ein Abänderungsantrag der beiden Fraktionen, mit dem etwa Anpassungen und Klarstellungen zur staatsanwaltlichen Entscheidungsfrist in der Anfangsphase des Ermittlungsverfahrens und zur Sicherstellung punktueller Daten getroffen werden.

Gegen die Stimmen der Freiheitlichen abgelehnt wurde im Ausschuss ein FPÖ-Antrag, der ebenso auf eine Neuregelung der Handysicherstellung abzielt. Die FPÖ sprach sich insbesondere für eine organisatorische Trennung der Datenauswertung von den eigentlich ermittelnden Behörden aus. Aus ihrer Sicht sollte die Aufbereitung der Daten durch das Gericht erfolgen.

HANDYSICHERSTELLUNG: ZUFALLSFUNDE AUF RICHTERLICH GENEHMIGTES DATENAUSMASS BEGRENZT

Laut dem Antrag von ÖVP und Grünen soll es bei Gefahr im Verzug bei der richterlichen Vorabbewilligung zur Handysicherstellung eng definierte Ausnahmen geben. Außerdem soll die Verwertung von Zufallsfunden weiterhin möglich sein, wobei auch hier der Zugriff auf das jeweilige richterlich genehmigte Datenausmaß begrenzt bleiben soll. Zur Umsetzung der richterlichen Entscheidung soll ausschließlich eine Arbeitskopie der Daten verwendet werden. Der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft soll eine Einsichtnahme damit nur in jene Daten zukommen, die der gerichtlichen Bewilligung entsprechen. Festgelegt werden unter anderem auch Beteiligungsmöglichkeiten von Beschuldigten und Opfern bei der Selektion von erheblichen Tatsachen und entsprechende Informationspflichten der Behörden. Festgelegt wird unter anderem auch eine Nichtigkeitssanktion von Ergebnissen einer Auswertung, wenn die Ermittlungsmaßnahme nicht rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde.

Entsprechend den Vorgaben des VfGH sei nunmehr eine Lösung gefunden worden, bei der möglichst genau umschrieben werde, welche Vorgänge erlaubt seien und auf welche Inhalte zugegriffen werden könne, so Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Grundsätzlich gelte es, die Strafverfolgung zu gewährleisten, aber auch die Rechte der Betroffenen so weit wie möglich zu schützen. Dem sei mit den neuen Regelungen Rechnung getragen worden.

Im Kern sei der nunmehrige Vorschlag begrüßenswert, zumal die Rechte der Beschuldigten gestärkt würden, meinte Harald Stefan (FPÖ). Er sehe trotzdem die Chance vertan, weitere Kriterien zu definieren und in diesem sensiblen Bereich eine grundrechtskonforme Lösung zu finden. Aus seiner Sicht wäre es wesentlich, dass die erste Auswertung der Daten durch das Gericht vorgenommen werden sollte und nur die notwendigsten Daten weitergegeben würden. Nur so würden aus seiner Sicht die Vorgaben der Höchstgerichte eingehalten. Auch könne man seiner Meinung nach die Art der Straftaten nicht völlig offenlassen. Zu dokumentieren sei weiters etwa das für die Auswertung verwendete Softwareprogramm, so Stefan. Außerdem müsse es klare Regelungen geben, wann Daten letztlich vernichtet werden, zumal es nicht sein könne, dass diese auf Vorrat gehalten würden. Bei Gefahr im Verzug sollte seiner Meinung nach – nach Möglichkeit – ein Journaldienst eine Zusage geben müssen. Mit dem vorliegenden FPÖ-Vorschlag würde die Strafverfolgung nicht behindert, aber der Grundrechtsschutz deutlich gesteigert, zeigte sich Stefan überzeugt.

Selma Yildirim (SPÖ) meinte gegenüber Stefan, eine Auswertung der Daten durch das Gericht würde für eine „Verunmöglichung“ der Kriminalitätsbekämpfung sorgen, daher könne sie dem FPÖ-Antrag nicht zustimmen. Mit dem Antrag von ÖVP und Grünen werde den Anforderungen des VfGH an eine Interessensabwägung hingegen „im Großen und Ganzen“ Genüge getan. Auch mit dem nunmehrigen Abänderungsantrag würden einige punktuelle Verbesserungen bewirkt. Sie sei froh, dass der Erstentwurf zurückgenommen wurde und die Bedenken aus der Begutachtung ernst genommen und Verhandlungen geführt worden seien. Insgesamt müssten aus Sicht von Yildirim trotz angespannter Budgetsituation der Justiz mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, etwa im Hinblick auf die Rechtsschutzbeauftragten, auf die mehr Arbeit zukomme.

Nach der Begutachtung des ersten Entwurfs im Sommer sei nunmehr ein Kompromiss gefunden worden, der aus seiner Sicht maßvoll mit den großen Fragen bei einem solchen massiven Grundrechtseingriff umgehe, meinte Nikolaus Scherak (NEOS). Vor der Entscheidung des VfGH sei die Situation eine untragbare gewesen, zumal ein Zugriff auf ein Handy nicht vergleichbar sei mit jenem auf etwa eine Tatwaffe. Wichtig sei aus seiner Sicht, dass die Neuregelung im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit evaluiert werde.

Der jetzige Entwurf spiegle unterschiedliche Interessen wider, um rasch und effektiv verfolgen zu können, aber auch Beschuldigten Rechte wie etwa jenes auf Vernichtung der Daten zu geben, meinte Wolfgang Gerstl (ÖVP). Der ursprüngliche Entwurf von vor dem Sommer sei zurückgezogen worden, weil etwa die Richtervereinigung in dessen Ausarbeitung nicht einbezogen gewesen sei, äußerte er kritisch. Positiv strich Gerstl im nunmehrigen Entwurf hervor, dass die Aufgaben der Rechtsschutzbeauftragten erweitert werden. Auch er sprach von einem Kompromiss, von dem er sich wünschen würde, dass man sich die Rollenverteilung in der StPO in Zukunft noch genauer ansehe – etwa, ob die Staatsanwaltschaft als alleinige Herrin des Verfahrens der Weisheit letzter Schluss sei.

Sozialminister Johannes Rauch hielt in Vertretung von Justizministerin Alma Zadić gegenüber Wolfgang Gerstl fest, dass das Justizministerium im ständigen Austausch mit den Stakeholdern in dieser Angelegenheit gewesen sei. In der schwierigen Abwägung in dieser Materie teile er jedenfalls die Einschätzung, dass es eine Evaluierung brauchen werde. Ebenso schloss er sich dem Befund an, dass die Justiz nicht bei der derzeitigen Ausstattung bleiben werden könne. Vor dem Sommer habe es eine Reihe von Kritikpunkten gegeben. Daher sei die Begutachtung verlängert und die Zeit für intensive Verhandlungen genutzt worden. Der VfGH habe eine strenge Abwägung zwischen Strafverfolgung und Grundrechten gefordert, die nun wahrgenommen werde.

STPO-REFORM: VERFAHRENSBESCHLEUNIGUNG UND MEHR OPFERSCHUTZ

Über die Handysicherstellung hinaus beinhaltet das von ÖVP und Grünen vorgelegte Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 eine Reform der Strafprozessordnung (StPO) – unter anderem zur Stärkung des Opferschutzes, zur Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt sowie für einfachere Verfahrensregeln für Opfer von Hass im Netz. Als essenzielle Verbesserung im Opferschutz hob Minister Rauch unter anderem hervor, dass künftig gegen Anzeigerücklegungen vorgegangen werden könne und es ab Tag eins Akteneinsicht gebe.

Die Erläuterungen im Antrag beziehen sich in einigen Punkten auch auf den sogenannten „Jabloner-Bericht“ des ehemaligen Justizministers Clemens Jabloner. So soll im Sinn der Verfahrensbeschleunigung unter anderem die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden. Für Verfahren wegen häuslicher Gewalt sollen künftig bei den Bezirksgerichten und Gerichten erster Instanz Spezialzuständigkeiten verankert werden. Anpassungen sind unter anderem auch im Bereich Cyberkriminalität sowie zu Kryptowerten vorgesehen. (Schluss Budgetausschuss) mbu

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