Arabesken aus Stichwaffen und Schlagringen: Pauschale Verunglimpfung von Migrantinnen und Migranten
Nach Ansicht des Senats 2 des Presserats verstößt die grafische Gestaltung des Artikels „Wer löst das Migrationsproblem?“, erschienen auf der Seite 4 der Tageszeitung „Kurier“ vom 01.09.2024, gegen Punkt 7 (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Der Artikel ist Teil einer Themenstrecke zu Islamismus, islamistischem Terrorismus, Migration und Integration. Die Themenstrecke wird auf der Titelseite mit „Die Furcht vor dem Islamismus“ angekündigt. Der Artikel von Seite 4 trägt die Überschrift „Wer löst das Migrationsproblem?“. Im Artikel selbst wird festgehalten, dass die Asylzahlen zurückgegangen seien, trotzdem gebe es Probleme mit Zuwanderern. Es wird auf Terroranschläge und Kriminalität hingewiesen, aber auch auf die Gerechtigkeitsdebatte im Zusammenhang mit der Mindestsicherung von Zuwanderern sowie das Problem, dass in Wiener Pflichtschulen 70 Prozent der SchülerInnen über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügen. Unterhalb des Artikels werden die Positionen der fünf Parlamentsparteien zum Thema Migration zusammengefasst. Schließlich wird auf Seite 6 ein Interview mit einem Extremismusforscher mit der Überschrift „IS-Terror: Was jetzt zu tun wäre“ veröffentlicht.
Die Themenstrecke wird mit Arabesken bebildert. Die orientalischen Rankenmuster bestehen aus Säbeln, Schlagringen, Klappmessern, Messern und Dolchen.
Der Leser erkennt in der Illustration mit arabischen Ornamenten, die sich aus Waffen zusammensetzen, Hetze gegen Migrantinnen und Migranten.
Der Senat hält zunächst fest, dass der beanstandete Artikel die Migrationssituation in Österreich behandelt – ein Thema, das von besonderem öffentlichem Interesse ist (Punkt 10 des Ehrenkodex). Die Meinungen zu diesem Thema gehen in der Gesellschaft weit auseinander. Nach Auffassung des Senats ist es legitim, dieses Thema auch kritisch zu beleuchten und vorhandene bzw. zukünftige Probleme anzusprechen.
Ungeachtet dessen bewertet der Senat die Bebilderung des Artikels auf Seite 4 als unzulässige Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung iSd. Punktes 7 des Ehrenkodex: In dem Artikel geht es nicht nur um islamistischen Terrorismus und straffällig gewordene Migrantinnen und Migranten, sondern ganz allgemein um das Thema Migration und Integration, etwa die Debatte über die Höhe von sozialen Leistungen für zugewanderte Personen oder die Situation an den österreichischen Schulen. Zudem werden die Positionen der politischen Parteien zur Zuwanderung beschrieben; dabei werden allerdings nicht nur negative Aspekte erwähnt.
Auch wenn im vorliegenden Artikel überwiegend Probleme im Zusammenhang mit Migration und Integration vorkommen, hält es der Senat für medienethisch bedenklich, diesen Artikel mit Arabesken zu bebildern, die aus Hieb- und Stichwaffen sowie Schlagringen bestehen. Nicht jedes Problem im Zusammenhang mit Migration hat mit Gewalt und Waffen zu tun.
Nach Meinung des Senats fördert die Bebilderung hier Intoleranz und schürt Vorurteile gegenüber allen Menschen in Österreich, die aus arabischen bzw. islamischen Ländern zugewandert sind (vgl. die Entscheidung 2016/212).
Was die Schlagzeile auf der Titelseite („Die Furcht vor dem Islamismus“) sowie das Interview auf Seite 6 mit einem Terrorismusexperten anbelangt, hält der Senat die Bebilderung, für die sich die Zeitung entschieden hat, aus medienethischer Sicht hingegen für vertretbar. Islamismus und insbesondere islamistischer Terrorismus sind geprägt von Gewalt, Unterdrückung und auch von Gräueltaten. Die martialische Bildsprache mit den Waffen als Ornamente nimmt darauf Bezug.
Der Senat stellt in Hinblick auf die grafische Gestaltung des Artikels auf Seite 4 einen Verstoß gegen Punkt 7 des Ehrenkodex fest und fordert die Medieninhaberin auf, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten.
Österreichischer Presserat, Sprecher des Senats 2
Dr. Andreas Koller
Telefon: 01-53153-830
E-Mail: info@presserat.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender
Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.