EU-Ausschuss des Bundesrats: Verteidigung und Sicherheit im Fokus der polnischen EU-Ratspräsidentschaft

Leiter der polnischen Botschaft bei aktueller Aussprache

Verteidigung und Sicherheit stehen im Mittelpunkt der polnischen EU-Ratspräsidentschaft. Im Rahmen einer aktuellen Aussprache informierte der Leiter der polnischen Botschaft, Zenon Kosiniak-Kamysz, den EU-Ausschuss des Bundesrats über die geplanten inhaltlichen Schwerpunkte der Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2025.

„Wir leben nicht mehr in einer friedlichen Zeit“, verwies Kosiniak-Kamysz auf die 535 Kilometer lange Grenze zwischen Polen und der Ukraine. Polen sei sich der Tragödie des Kriegs besonders bewusst. Vor diesem Hintergrund sei die Reihenfolge der polnischen Prioritäten in der Ratspräsidentschaft gesetzt worden. Polen trete für den Ausbau der Sicherheit ein. „In friedlichen Zeiten wären die Prioritäten anders gereiht“, so Kosiniak-Kamysz. Angesichts globaler Herausforderungen bei Migration, Klimawandel und geopolitischen Spannungen müsse Europa seine Bevölkerung schützen. Höhere Ausgaben für „Rüstungen“ seien in allen Ländern erforderlich, sagte Kosiniak-Kamysz. Neben steigenden Militärausgaben sei auch die Krisenbewältigungskapazität der EU zu verbessern. Zudem warnte er vor hybriden Bedrohungen.

Zu Beginn der Sitzung wurde Bernadette Geieregger (ÖVP/N) zur Vorsitzenden des EU-Ausschusses des Bundesrats gewählt.

POLNISCHE RATSPRÄSIDENTSCHAFT UNTER DEM MOTTO „SECURITY, EUROPE!“

Unter dem Motto „Security, Europe!“ setzt Polen das Thema Sicherheit sowohl extern als auch intern sowie in den Bereichen Informationssicherheit, Wirtschaft, Energie, Lebensmittel und Gesundheit in den Mittelpunkt der Prioritäten des polnischen EU-Ratsvorsitzes. Sieben übergeordnete Schwerpunkte sollen die wichtigsten Handlungsfelder bilden.

Für Verteidigung und Sicherheit sollen ambitionierte Maßnahmen im Verteidigungsbereich einschließlich der Verteidigungsfinanzierung umgesetzt werden. Geplant ist die Stärkung der Kooperation mit der NATO und nicht-EU Partnern. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Grenzen sollen neue Lösungen gefunden werden. Die Widerstandsfähigkeit gegen ausländische Einflussnahme und Desinformation soll durch verstärkte Koordinierung und Ausbau der Kapazitäten gestärkt werden. Die Sicherheit und Freiheit für Unternehmen soll durch die Stärkung des Binnenmarkt und der Industrie gewährleistet werden. Ziel sei ein fairer Wettbewerb auf globaler Ebene und eine Optimierung der Handelsinstrumente.

Zudem soll die Energiewende vorangetrieben werden. Man strebe die vollständige Unabhängigkeit von russischen Energieimporten an, sagte Kosiniak-Kamysz. Die polnische Ratspräsidentschaft setzt sich außerdem für eine wettbewerbsfähige und resiliente Landwirtschaft ein und will an der digitalen Transformation des Gesundheitswesens arbeiten.

BUNDESRÄT:INNEN LENKEN FOKUS AUF FRIEDEN

Österreich habe sich bewusst für die Neutralität entschieden und dies wurde auch beim EU-Beitritt festgehalten, rief Stefan Schennach (SPÖ/W) in Erinnerung. Statt in Rüstung zu investieren, sprach sich der Bundesrat für Friedensinitiativen aus. Schennach setzte sich zudem dafür ein, dass der Green Deal fortgeführt wird. Außerdem interessierte er sich für Polens Position beim Thema Abtreibung. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) ging in diesem Zusammenhang auf die Europäische Bürgerinitiative „My Voice, My Choice“ ein, die sich für den Zugang zu Abtreibung stark macht. Von Kosiniak-Kamysz wollte sie wissen, wie Polen die Umsetzung der Initiative vorantreiben werde. Kosiniak Kamysz verwies dazu auf die entscheidende Bedeutung der Präsidentschaftswahl im Mai für die künftige Regierungsarbeit.

Die FPÖ sei „eher EU kritisch anzusehen“, führte Andreas Spanring (FPÖ/N) aus. Die Vorteile der EU würden gesehen, ebenso erkenne die Partei aber Reformbedarf, insbesondere bei der zentralistischen Politik. Den Ausführungen Kosiniak-Kamyszs entnahm Spanring, dass Polen sich auf militärische Auseinandersetzungen vorbereite. Spanring sprach sich für eine Stärkung der Verteidigung aus, stellte dabei aber in den Vordergrund, den Frieden wiederherzustellen.

„Wir alle wollen Frieden“, sagte Christoph Thoma (ÖVP/V) und empfand es als starkes Signal, dass die Ratspräsidentschaft unter das Motto Sicherheit gestellt werde. „Den Frieden, den wir in den letzten Jahrzehnten erleben durften, müssen wir zurückholen“, sagte er.

Manfred Mertel (SPÖ/K) machte sich für ein friedliches und vereintes Europa stark. In Polens Programm kämen die Themen Bildung und Gesundheit zu kurz, betonte er. Er nannte Bildung als wichtigen Faktor für Frieden. Auch gegen Fake News könne Bildung ein wirksames Mittel sein, sagte Thoma zu Klemens Kofler (FPÖ/N). Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ) machte auf die Vielzahl volatiler geopolitischer Herausforderungen aufmerksam und ging auf Gefahren im Bereich Cybersicherheit und künstlicher Intelligenz ein.

POLEN UNTERSTÜTZT BEMÜHUNGEN DER UKRAINE ZUM BEITRITT IN DIE EU

Polens Unterstützung der Ukraine zum EU-Beitritt hinterfragte Spanring kritisch, zumal sich das Land im Krieg befindet und die Maastricht-Kriterien nicht erfülle. Er sprach sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus und hoffte, dass der neue amerikanische Präsident, Donald Trump, sich aktiv für den Frieden in der Ukraine einsetzen werde.

Die Ukraine genieße die volle Unterstützung Polens auf ihrem Weg in die EU, betonte Kosiniak-Kamyszs. Bestehende Probleme werde Polen nicht übersehen, versicherte der Leiter der polnischen Botschaft. Sollten notwendige Reformen nicht umgesetzt, so werde das Land nicht aufgenommen werden. Polen hoffe auf ein Ende des Kriegs in der Ukraine und einen anschließenden Beitritt zur EU.

Polen habe das Thema Sicherheit in Zeiten multipler Krisen bewusst und klug gewählt, unterstrich Günther Ruprecht (ÖVP/St). Auch Claudia Arpa (SPÖ/K) bestätigte, dass Sicherheit ein zentrales Thema sei. Wichtig war ihr, Georgien die Möglichkeit zu geben, sich in Europa zu vernetzen. In Bezug auf die EU-Erweiterung machte Ruprecht sich für der Westbalkan-Staaten stark. Neben der Unterstützung für die Ukraine unterstütze Polen auch den EU-Beitritt des Westbalkans, bekräftigte Kosiniak-Kamyszs.

POLEN HAT ANDERE BEDROHUNGSERFAHRUNG ALS ÖSTERREICH

In der Vergangenheit habe man in Europa manchmal zu wenig auf die Warnungen Polens gehört, so Marco Schreuder (Grüne/W). Polen sei historisch gesehen „immer von sehr starken Nachbarn begleitet, aber auch bedroht“ worden. „Daher habe Polen eine ganz andere Bedrohungserfahrung als Österreich“, zeigte er sich überzeugt. Polen habe die russische Bedrohung früher als andere wahrgenommen und sei von europäischen Partnern lange nicht ausreichend wahrgenommen worden, unterstrich Schreuder. Europa werde nicht nur durch Desinformation angegriffen, sondern auch die europäische Infrastruktur in der Ostsee sei ein Ziel gewesen. In Sachen Sicherheit sprach sich Schreuder für die Versorgungssicherheit als wichtigste Komponente der Sicherheit aus.

Zur Frage der Abwägung zwischen Friedenspolitik oder Investitionen in Rüstungen betonte Kosiniak-Kamyszs: „Wir haben nicht vor, einen Krieg auszurufen. Wir haben nur vor, unser Land und Europa zu wehren“. Verteidigungskapazitäten müssten gezielt vorbereitet werden, hielt er fest und erklärte seine Sichtweise mit seiner früheren Funktion als Unterstaatssekretär für Bewaffnung und Modernisierung der Streitkräfte im polnischen Vereidigungsministerium.

Michael Bernard (FPÖ/N) interessierte sich auch für konkrete Schritte zur Rückführung illegaler Migranten. Aus Weißrussland würden vorwiegend junge Männer versuchen die polnische Grenze zu überqueren, führte Kosiniak Kamyszs aus. Polen sei früher kein Ziel illegaler Migration gewesen. Nun habe Polen damit zu kämpfen.

ENERGIEWENDE UND POLENS BAU EINES KERNKRAFTWERKS

Polen habe sich entschlossen ein Kernkraftwerk zu bauen, führte Kosiniak-Kamyszs aus, da das Land nicht über denselben Zugang zu Hydroenergie verfüge, wie Österreich. Polen sei sich der damit verbundenen Nachteile bewusst. Auch in Richtung Windenergie will Polen gehen, so Kosiniak-Kamyszs.

Schreuder und Schennach sahen den Green Deal als zentralen Punkt für eine energiepolitische Unabhängigkeit der EU an. Die beiden Bundesräte Bernard und Schennach hinterfragten den Bau des Kernkraftwerks im Zusammenhang mit dem Ziel einer Energiewende.

Sumah-Vospernik (NEOS/W) und Schennach gingen auf die Visegrád-Gruppe ein, dabei verwies Sumah-Vospernik auf die unterschiedlichen außenpolitischen Zugänge zwischen Polen und Ungarn. Polen habe in der Vergangenheit immer sehr gute Beziehungen zu Ungarn gehabt, erklärte Kosiniak-Kamyszs. Heute gebe es unterschiedliche Ansichten in Bezug auf die russische Aggression gegen die Ukraine. Polen sehe die Gefahr von Warschau aus besser, spielte er auf die geringe Distanz an. In anderen europäischen Städten scheine das Leben sicherer. (Schluss) gla

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