Neue Regierung tritt mit dem Versprechen an, „jetzt das Richtige zu tun“

Erklärungen von Bundeskanzler Stocker, Vizekanzler Babler und Außenministerin Meinl-Reisinger im Parlament

Exakt 159 Tage nach der Nationalratswahl hat sich die neue Regierung heute im Parlament präsentiert. Mit im Gepäck hatte sie ein 211 Seiten umfassendes Arbeitsprogramm, auf das sich Bundeskanzler Christian Stocker, Vizekanzler Andreas Babler und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger in ihren Erklärungen bezogen. Entsprechend ihren Zuständigkeiten setzten sie in ihren Reden unterschiedliche Schwerpunkte. Einig waren sie sich jedoch darin, das Motto des Regierungsprogramms umzusetzen, nämlich „Jetzt das Richtige tun“.

Man habe dabei Konsens und Kompromiss vor Ideologie gestellt, betonte Stocker, und es zudem geschafft, dass die Schwerpunkte aller Parteien im Regierungsprogramm abgebildet sind. Es handle sich um eine Regierung der Mitte, die den guten österreichischen Traditionen verpflichtet sei. Seit Montag müssten sich die Menschen nicht mehr um die Regierung sorgen, denn es gebe eine Regierung, die sich um sie sorgte, versicherte Babler. Durch die Verteilung der Last auf breiten Schultern werde man den nötigen finanziellen Spielraum schaffen, um das Leben der Menschen zu verbessern. Drei unterschiedliche Parteien hätten sich auf ein engagiertes und in die Zukunft gerichtetes Programm geeinigt, das nicht nur auf den schwierigen Realitäten, sondern vor allem auf dem Boden des Rechtsstaats und der unverrückbaren Werte einer liberalen Demokratie basiere, konstatierte Meinl-Reisinger. Österreich sei ein starkes Land mit tüchtigen Menschen, das selbstbewusst und mit Zuversicht in die Zukunft gehen könne.

Während auf der – erweiterten – Regierungsbank die 13 Minister:innen und sieben Staatssekretär:innen Platz nahmen, fanden sich am Balkon Bundespräsident Alexander Van der Bellen und zahlreiche Ehrengäste ein, die den Erklärungen und der anschließenden Debatte folgten.

ZWÖLF NEUE ABGEORDNETE ANGELOBT

Nachdem die Regierungsbildung auch deutliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Nationalrats hat, wurden heute insgesamt zwölf neue Mandatar:innen angelobt. Während Irene Neumann-Hartberger, Rudolf Taschner (alle ÖVP) und Muna Duzdar sowie Elisabeth Feichtinger (beide SPÖ) wieder ins Hohe Haus zurückkehren, gibt es auch ganz neue Gesichter. Dazu zählen Jakob Grüner, Thomas Elian und Johann Weber von der Volkspartei, Peter Manfred Harrer und Klaus Seltenheim von der SPÖ sowie Ines Holzegger und Janos Juvan, die den Klub der NEOS verstärken.

BUNDESKANZLER STOCKER: REGIERUNG DER MITTE, DIE DER GUTEN ÖSTERREICHISCHEN TRADITIONEN VERPFLICHTET SEI

„Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten, aber gewiss längsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte unseres Landes“ räumte der neue Bundeskanzler Christian Stocker gleich zu Beginn seiner 30 Minuten dauernden Rede ein. Er sei sich bewusst, dass das Bild, das die Politik in den vergangenen Monaten abgegeben habe, für manche kein gutes war. Nichtsdestotrotz stimme es ihn sehr positiv, unter welchen herausfordernden Rahmenbedingungen die Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS schließlich zustande gekommen sei.

Alle drei Parteien seien bereit gewesen, aufeinander zuzugehen, Kompromisse einzugehen und den Fokus auf das zu richten, was sie eine, so Stocker, nämlich der Wille, für Österreich zu arbeiten und seine Bevölkerung in eine gute Zukunft zu führen. Das Resultat der Verhandlungen sei eine breite Koalition, eine Mischung aus Bewährtem und Neuem. In Anspielung an historische Vorbilder war Stocker der Meinung, dass die Stärke Österreichs darin liege, in schwierigen Zeiten immer auf den Konsens der konstruktiven Kräfte setzen zu können. So reichten sich etwa Leopold Figl und Adolf Schärf in einer entscheidenden historischen Phase des Landes die Hände, erinnerte der Kanzler, und zwar nicht, weil es einfach war, sondern weil es Österreich gebraucht habe. Nicht zuletzt sei auch der Beitritt zur Europäischen Union auf eine gute Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ zurückzuführen. Eine weitere Stärke der Republik liege in der Sozialpartnerschaft, weil damit die Konflikte von der Straße auf den Verhandlungstisch verlegt wurden, hob Stocker hervor. All dies seien für ihn Belege dafür, dass Konsens und Kompromiss nicht Stillstand bedeuten, sondern der Schlüssel zu mutigen Entscheidungen für die Zukunft.

Was Österreich ausmache, seien aber auch die Kultur, die einzigartigen Traditionen, der Platz im Herzen Europas sowie der Rechtsstaat, in dem die Politik dem Recht folge und nicht umgekehrt. Der Kanzler verwies auch auf die Kraft, ein militärisch neutrales Land zu sein, und dennoch Recht von Unrecht unterscheiden zu können. Mit der neuen Bundesregierung werde Österreich ein verlässlicher Partner in der freien Welt bleiben.

Der neue Bundeskanzler plädierte dafür, den großen Herausforderungen, die durchaus als historisch bezeichnet werden könnten, mit Selbstbewusstsein und Optimismus zu begegnen. Eines der wichtigsten Ziele müsse es auch sein, die Gesellschaft wieder zusammenzuführen, war Stocker überzeugt. Dabei sei es wahrscheinlich hilfreich, dass alle drei Parteichefs ihr politisches Handwerk in der Kommunalpolitik gelernt haben. Er sah auch einen Mehrwert darin, dass erstmals in der Geschichte drei konstruktive Kräfte zusammenarbeiten, weil damit die Koalition nicht nur stabiler und breiter sei, sondern auch zusätzliche Blickwinkel gewonnen werden könnten. Man habe es zudem geschafft, dass die Schwerpunkte aller Parteien im Regierungsprogramm abgebildet seien. Man sei bereit, sich gegenseitig Raum zu geben und sich Erfolge zu gönnen. Es handle sich um eine Regierung der Mitte, die den guten österreichischen Traditionen verpflichtet sei, betonte er. Als Regierungschef werde er jedenfalls Bundeskanzler für alle Menschen sein, denn der Wahlkampf sei vorbei und die Arbeit habe begonnen.

Angesichts der geopolitischen und ökonomisch besonders herausfordernden Rahmenbedingungen brauche es eine Bundesregierung, die die Kraft habe, die richtigen Maßnahmen durchzuführen. Stocker ging sodann auf die Eckpunkte des Regierungsprogramms ein, das seiner Ansicht nach sehr ausgewogen sei. Abseits der erforderlichen Budgetkonsolidierung sei einiges zu tun, wie etwa die Fortsetzung des Kampfes gegen die illegale Migration, Asylmissbrauch und Extremismus, die Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit, der Ausbau der Landesverteidigung, die Unterstützung des Wirtschaftsstandortes, die Förderung der Familien, die Absicherung der heimischen Landwirtschaft sowie die Umsetzung eines Klimaschutzes durch Hausverstand. Zu all diesen Punkten seien bereits zahlreiche konkrete Maßnahmen im Arbeitsprogramm enthalten, die von einem breit aufgestellten Team der Volkspartei umgesetzt werden sollen. Die ÖVP sei immer bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen, wenn es notwendig war, und „wir tun das ein weiteres Mal“, schloss der Kanzler.

VIZEKANZLER BABLER: KONSTRUKTIVER UND ZUKUNFTSORIENTIERTER KOMPROMISS, MIT DEM ÖSTERREICH WIEDER AUF KURS GEBRACHT WERDEN KANN

Die Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS sei ein Symbol dafür, dass das große Ganze über den Egoismus gestellt und die Parteilogik hintangehalten wurde, zeigte sich auch Vizekanzler Andreas Babler überzeugt. Auch wenn es wichtig gewesen sei, einen Bundeskanzler Kickl zu verhindern, der wohl „gleich mit der Kettensäge an den Wurzeln der Republik angesetzt hätte“, so stehe die Regierung für viel mehr als das. Es sei wirklich ein gutes Programm vorgelegt worden, das das Land zum Positiven verändern könne, so Babler. Die Zusammenarbeit der konstruktiven Kräfte habe sich auch in der Vergangenheit schon oft bewährt, wie zum Beispiel in der Ersten und Zweiten Republik oder bei der Finanzkrise im Jahr 2008. Und immer, wenn das geklappt hat, war die SPÖ mit dabei, stellte Babler nicht ohne Stolz fest.

Nachdem die Wirtschaft schon das dritte Jahr in Folge schrumpfe, werde die Bewältigung der Probleme nicht leicht sein, räumte Babler ein. „Wir werden mindestens zwei harte Jahre brauchen“, um das Budget zu konsolidieren und die Wirtschaft wieder anzuwerfen. Dafür habe sich die SPÖ deutlich bewegt und einen Kompromiss gefunden, mit dem Österreich wieder auf Kurs gebracht werden könne. Da auch die Krisen und Kriege in Europa deutliche Spuren hinterlassen hätten, sei es wichtig, einen Fokus zu haben und eine aktive Außenpolitik zu betreiben. Grundpfeiler dafür sei die Neutralität, die in einer dramatisch veränderten Sicherheitslage Hoffnung und Zuversicht gebe, urteilte der Vizekanzler.

Der Zugang der SPÖ sei, dass alle mithelfen sollen und die Last auf breiten Schultern verteilt werden müsse. In den letzten Jahren habe es aber einige Krisengewinner gegeben, die sich aus der Verantwortung gestohlen haben. Als Beispiele führte Babler Banken, Stiftungen, Immo- und Energieriesen an, die es sich locker leisten könnten, einen Beitrag dazu zu leisten, die österreichische Wirtschaft „aus dem Graben zu schieben“. Das werde sich nun ändern, versprach er. Allein mit der Bankenabgabe sollen heuer und nächstes Jahr rund eine Milliarde Euro ins Budget fließen. Damit schaffe man den nötigen finanziellen Spielraum, um das Leben der Menschen zu verbessern. So würden Mittel frei etwa für ein zweites verpflichtendes und kostenloses Kindergartenjahr, für eine Aktion für ältere Langzeitarbeitslosem, für ein Paket für leistbares Wohnen oder für den Klima-Transformationsfonds.

Entschlossen werde auch mobil gegen die Teuerung gemacht und vor allem bei der Preisentwicklung der Mieten angesetzt, erklärte Babler, dies sei ein historischer Meilenstein. Seine Partei stehe zudem für eine Frauenpolitik, die ihren Namen wieder verdiene, eine aktive Arbeitsmarktpolitik, eine Integrationspflicht ab dem ersten Tag und für eine Stärkung der heimischen Medien. Dazu gehöre auch das klare Bekenntnis zum ORF, der wie „das Schnitzel oder die Sachertorte“ zu Österreich gehöre.

Generell versprach der Vizekanzler, in den nächsten fünf Jahren die parlamentarische Arbeit hochzuhalten, alle Parteien ernst zu nehmen und deren Expertisen wertzuschätzen. „Vertrauen Sie auf die österreichische Tradition des konstruktiven, zukunftsgerichteten Kompromisses und die Fähigkeit, das Ruder herumzureißen“, lautete sein abschließender Appell.

AUSSENMINISTERIN BEATE MEINL-REISINGER: BEKENNTNIS DAZU, ZU DRITT NEUE WEGE ZU GEHEN

Das vorliegende „engagierte und in die Zukunft gerichtete“ Arbeitsprogramm fuße nicht nur auf den schwierigen Realitäten, sondern vor allem auf dem Boden des Rechtsstaats und der unverrückbaren Werte einer liberalen Demokratie, betonte die Ministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Beate Meinl-Reisinger. Gemeinsamer Anspruch sei es dabei gewesen, nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, sondern an die Grenzen des Umsetzbaren zu gehen sowie Phantasie und Kreativität walten zu lassen. Im Mittelpunkt sei immer die entscheidende Frage gestanden, ob die Menschen von den geplanten Maßnahmen etwas haben, hob Meinl-Reisinger hervor. Sind die Kinder am Ende der Legislaturperiode besser auf das Leben vorbereitet? Haben sie bessere Chancen, um sich entfalten zu können? Wurden die Unternehmer:innen entlastet? Können Arbeitnehmer:innen sich darauf verlassen, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und im Alter versorgt zu sein? Wird im Bereich Integration entschlossen gehandelt? Wird das Vertrauen in die Justiz gestärt? Wird der Schutz des Klimas gewährleistet? Werde alles getan, um in Sicherheit und Freiheit leben zu können? Auf alle diese Fragen könne sie mit einem klaren Ja antworten.

Durch einen entschlossenen Konsolidierungskurs, der nun „leider gefahren werden müsse“, soll in den nächsten sieben Jahren das Budget wieder in Ordnung gebracht und nachhaltig abgesichert werden, kündigte Meinl-Reisinger an. Da sei man nicht nur den Steuerzahler:innen, sondern auch den nächsten Generationen schuldig. Erfreut zeigte sie sich darüber, dass zwei Drittel des Sanierungspakets auf ausgabenseitigen bzw. strukturellen Reformen basiere. Ein wesentlicher Bestandteil sei daher die Einführung eines Nachhaltigkeitsmechanismus bei den Pensionen. Besonders am Herzen liege ihr das Thema Bildung, weil es sich dabei um die wichtigste Ressource handle, auf die Österreich aufbauen könne.

Ein felsenfester Konsens, der zwischen den Regierungspartnern gefunden wurde, sei das klare Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa und einer starken Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, unterstrich die Ministerin an. Sie wisse, dass viele Menschen derzeit den Eindruck haben, dass die Welt aus den Fugen geraten sei. Was letzte Woche noch als sicher erschienen sei, könne diese Woche schon wieder ganz anders sein. Die aktuellen Entwicklungen hätten aber gezeigt, dass vieles neu gedacht werden müsse. Kein Abrücken gebe es aber von der ungebrochenen Unterstützung der Ukraine durch Österreich, versicherte die Außenministerin. Gerade ein kleines Land müsse ein großes Interesse daran haben, zu einer regelbasierten Weltordnung zurückzukehren, die auch klare Sanktionen für jene umfasse, die die Regeln brechen.

Dennoch plädierte Meinl-Reisinger dafür, nicht die Zuversicht zu verlieren. Trotz des Krieges in der Ukraine, der angespannten transatlantischen Verhältnisse und der Krise im Nahen Osten gebe es eine gute Ausgangslage, war Meinl-Reisinger überzeugt, man könne daher selbstbewusst in die Zukunft gehen. Österreich sei ein starkes Land mit robusten Institutionen, auf denen die neue Regierung aufbauen könne. Dabei sei man bereit, zu dritt neue Wege zu gehen. Der Anspruch der NEOS sei es vor allem, den Menschen den Glauben an eine gute gemeinsame Zukunft zurückzugeben. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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