Bessere Gehirn-Organoide: Ein neues Rahmenwerk für die Forschung
_Gehirn-Organoide, dreidimensionale Modelle des Gehirns, sind ein großer Fortschritt für die Neurowissenschaften. Sie ermöglichen es, die Entwicklung, Evolution und Erkrankungen des Gehirns an einem Modell zu erforschen, das auf menschlichen Stammzellen basiert. Nun haben führende Wissenschaftler:innen auf diesem Gebiet – darunter Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) – in einer Nature-Publikation ein Rahmenwerk vorgestellt, das die Arbeit mit Gehirn-Organoiden weiter verbessert._
Vor über einem Jahrzehnt leiteten Jürgen Knoblich und sein Team am IMBA die Erforschung von Gehirn-Organoiden ein: In einer bahnbrechenden Studie präsentierten Knoblich und seine damalige Postdoktorandin Madeline Lancaster im Jahr 2013 die ersten Gehirn-Organoide zur Untersuchung menschlicher Erkrankungen und Entwicklungsprozesse. Gehirn-Organoide nutzen die natürliche Fähigkeit von Stammzellen zur Selbstorganisation. Durch die richtigen Signale angeregt können Stammzellen, die aus Hautproben von Patient:innen und gesunden Spender:innen gewonnen werden, dreidimensionale Gewebe-Modelle bilden, die bestimmte Phasen und Regionen des Gehirns nachahmen – beispielsweise die frühe embryonale Entwicklung oder spezielle Gehirnzellen wie kortikale Neuronen.
Da Gehirn-Organoide bestimmte Aspekte der Gehirnphysiologie nachbilden, bieten sie die Möglichkeit, neue Erkenntnisse über die menschliche Biologie und über Krankheiten zu gewinnen – in einer Weise, die mit Tiermodellen wie der Maus nicht möglich wäre. Aktuell erscheinen jährlich mehr als 3.000 wissenschaftliche Studien, die sich mit der Forschung an Gehirn-Organoiden befassen. Allein im vergangenen Jahr haben Forschende am IMBA mithilfe von Gehirn-Organoiden fundamentale Erkenntnisse darüber gewonnen, warum das menschliche Gehirn seine außergewöhnliche Größe erreicht und wie sich dessen weit reichende neuronale Verbindungen entwickeln.
Aufgrund des großen wissenschaftlichen Interesses an Gehirn-Organoiden haben führende Expert:innen kürzlich ein Rahmenwerk für die Arbeit mit diesen Organoiden entwickelt. Unter der Leitung von Sergiu Pasca von der Stanford University arbeitete auch Jürgen Knoblich, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des IMBA, an dieser Initiative mit. Er ist überzeugt: „Gehirn-Organoide werden unser Verständnis der menschlichen Entwicklung, Evolution und Krankheiten grundlegend verändern und Erkenntnisse liefern, die wir sonst nicht gewinnen könnten.“
Trotz ihres Potenzials haben Gehirn-Organoide auch Grenzen: Je nach Herstellungsprozess und Protokoll können Unterschiede in ihrer Zusammensetzung auftreten, und bestimmte Gehirnzelltypen entwickeln sich nicht vollständig. Knoblich betont daher: „Hohe, einheitliche Standards sind wichtig, um verlässliche und vergleichbare Ergebnisse zu erzielen.“
Die neue Studie, veröffentlicht am 13. März im Magazin Nature, soll sowohl Forschende als auch Regulierungsbehörden bei der Durchführung optimal gestalteter Studien an Gehirn-Organoiden unterstützen. Das Rahmenwerk enthält Empfehlungen zur Auswahl der Stammzellen, zur Herstellung und Charakterisierung der relevanten Nervenzellen, zur Untersuchung der funktionellen Eigenschaften von Gehirn-Organoiden – einschließlich der Messung neuronaler Aktivität – sowie zur Integration von Organoiden in neuronalen Netzwerken.
„Die Forschung mit Gehirn-Organoiden ist bereits auf einem sehr hohen Niveau. Unser Rahmenwerk soll die Anwendung dieser Modelle weiter beschleunigen,“ sagt Knoblich. „Diese Konsensstudie zeigt den ambitionierten Geist der Forschung an Gehirn-Organoiden: Führende Wissenschaftler:innen haben in enger Zusammenarbeit eine Roadmap entwickelt, um das volle Potenzial dieser Technologie für das Verständnis des menschlichen Gehirns zu nutzen.“
IMBA- Institut für Molekulare Biotechnologie GmbH
Sylvia Weinzettl
Telefon: +43 1 79044 – 4403
E-Mail: sylvia.weinzettl@imba.oeaw.ac.at
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