Salzburger Landeshauptmann Haslauer bietet Reformpartnerschaft mit dem Bund an

Debatte im Bundesrat über Rolle des Föderalismus und die Wiederbelebung des Österreich-Konvents

Anlässlich des halbjährlichen Vorsitzwechsels im Bundesrat hielt heute der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer eine Rede in der Länderkammer. In seiner fast halbstündigen Ansprache analysierte er vor allem den aktuell stattfindenden Transformationsprozess, der auf allen Ebenen erkennbar sei. Vor diesem Hintergrund hielt er es aber auch für notwendig, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen und Antworten auf die Herausforderungen zu finden. Haslauer erachtete es als essentiell, gemeinsam an einem System zu arbeiten, das effizienter, bürgernäher und dienstleistungsorientierter gestaltet sei. Vor allem sollte man nicht permanent zurückzuschauen, sondern nach vorne.

Als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz biete er jedenfalls eine Reformpartnerschaft zwischen Bund und Ländern an, erklärte Haslauer. Man sollte mit neuem Pioniergeist in spannende Zeiten aufbrechen, in denen nicht Besitzstandswahrung und Klientelpolitik im Mittelpunkt stünden, sondern der gemeinsame Weg in die Zukunft des Landes.

VIER NEUE BUNDESRÄTE ANGELOBT

Vor Eingang in die Debatte wurden die drei neuen burgenländischen Bundesräte Mario Trinkl (SPÖ/B), Thomas Schmid (SPÖ/B) und Thomas Karacsony (FPÖ/B) sowie Martina Ludwig-Faymann (SPÖ/W) aus Wien angelobt, die das Mandat von Corinna Schumann übernommen hat.

HASLAUER ANALYSIERT GESELLSCHAFTLICHEN TRANSFORMATIONSPROZESS UND VERÄNDERTE GEOPOLITISCHE RAHMENBEDINGUNGEN

Nachdem er sich mit Mitte des Jahres aus der Politik zurückziehen und seine Funktion als Landeshauptmann zurücklegen werde, wolle er heute in seiner Rede vor dem Bundesrat die aktuelle politische Situation in einem größeren Zusammenhang beleuchten, erklärte Wilfried Haslauer. Der Beginn des Krieges in der Ukraine habe nicht nur eine Zeitenwende markiert, sondern einen gesellschaftlichen Transformationsprozess eingeleitet, der auf sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und technologischer Ebene deutlich spürbar sei. Europa, das lange Zeit gewohnt war, der Nabel der Welt zu sein, sei mit einer massiven Verschiebung der geopolitischen Tektonik konfrontiert. In den letzten 50 Jahren haben sich die Gewichte massiv verschoben, konstatierte er. Europa weise mittlerweile nur mehr 6,8 % der Weltbevölkerung und circa 25 % der globalen Wirtschaftsleistung auf. Außerdem könnten nur 24 von 195 Staaten als vollständige Demokratien bezeichnet werden.

In der Auseinandersetzung um globale Ordnungssysteme, um Menschenrechte, um wirtschaftliche Prosperität werde der Wettbewerb zwischen dem westlichen Demokratiemodell und autoritären Staatsmodellen sowie die Vermeidung von militärischen Konflikten gerade für den europäischen Kontinent von größter Bedeutung sein. Denn neben den klimatischen Entwicklungen werde genau diese Frage maßgeblich für mögliche Migrationsströme nach Europa sein, war Haslauer überzeugt. Überdies habe es auf weltpolitischer Ebene einen fast dramatischen Schwenk gegeben. Im UN-Sicherheitsrat stimmten etwa zuletzt die USA mit China und Russland gegen eine Resolution, die Russland als Aggressor im Ukraine-Krieg bezeichnet hat, zeigte der Landeshauptmann auf. Darauf müsse Europa reagieren und die Herausforderungen wieder selbst in die Hand nehmen.

Die aktuelle Zeit sei zudem gekennzeichnet durch die Stärkung der politischen Ränder, durch weltweit agierende Technologiekonzerne, durch die Auswirkungen des Klimawandels, die Digitalisierung und den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz und den demographischen Wandel, zählte Haslauer einige weitere Faktoren des umfassenden Transformationsprozesses auf. Bei all dem dürfe man nicht vergessen, was die Ausgangslage war. Das Grundmodell des europäisch-amerikanischen Erfolgsweges basiere auf den christlichen Wurzeln und der Aufklärung, hob er hervor. Bedauerlicherweise seien heutzutage vielfach Emotion und Wissenschaftsskepsis an die Stelle von Vernunft getreten, und der Egoismus bestimmender als die Solidarität.

Der allgemeine Grundkonsens drohe daher in ein „Sandloch aus Gleichgültigkeit, Fake-News, Desinteresse, Egoismus und radikalisierter Verachtung hineingezogen zu werden und dort zu ersticken“, stellte Haslauer pointiert fest. Politische Kultur und ihre Auseinandersetzung würden einem derzeit wie die Reise in einer Postkutsche vorkommen, in der die Insassen permanent über die Sitzordnung, das Reiseziel, die Zwischenstationen und die Reisegeschwindigkeit streiten. Schuld daran sei dann jeweils der andere. Man habe auch den Eindruck, dass Österreich ähnlich wie in der Ersten Republik in politische Lager aufgeteilt sei, die einander auch mit persönlicher Abneigung, ja sogar Hass befehden und bekämpfen würden. Die Bevölkerung würde sich daher mit Abscheu von den Vorgängen abwenden. Gleichzeitig sei man in eine „Gesellschaft der Selbstverständlichkeiten“ geraten, die „uns zum reifen Fallobst für Verschwörungstheoretiker, radikale Islamisten, aber auch manipulierende Geschäftsmodelle“ mache, analysierte Haslauer.

HASLAUER: BAUEN WIR AN EINEM „NEW DEAL DER GEMEINSAMKEITEN FÜR ÖSTERREICH“!

Neben einem reflektierenden Bewusstsein über stattfindende Änderungen brauche es aber auch Konzepte und Antworten, wie derartige Prozesse begleitet oder möglicherweise beeinflusst werden können, führte der Landeshauptmann weiter aus. Wichtig wäre es, sich wieder mit der Sinnfrage auseinanderzusetzen, die sich nicht nur für jeden einzelnen, sondern für das Staatswesen als Ganzes stelle. Weiters schlug er vor, mehr über das Gemeinsame zu reden als über das, was die Menschen trenne. „Bauen wir an einem New Deal der Gemeinsamkeiten für Österreich“, appellierte Haslauer. Ein erstrebenswertes Vorhaben wäre es auch, sich ein Jahr lang nicht mehr gegenseitig zu beschimpfen. Gemeinsam sollten sich alle dafür einsetzen, das bestehende System effizienter, bürgernäher und dienstleistungsorientierter zu gestalten. Dazu könne auch eine Reformpartnerschaft zwischen Bund und Ländern beitragen, regte Haslauer an. Es wäre auch eine sinnvolle Idee, den Österreich-Konvent wieder zu beleben. Da es sehr viel zu verlieren gebe, müsse man beherzt für die Errungenschaften, für die liberale Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit eintreten, unterstrich der Landeshauptmann mit Nachdruck. Gefragt seien zudem Zuversicht, Freude und Pioniergeist, um die Zukunft des Landes positiv gestalten zu können.

ÖVP: REGIONALITÄT UND FÖDERALISMUS SIND GARANT FÜR BÜRGERNÄHE

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP/S) schloss an die Rede des Landeshauptmanns an und sah ebenso die Notwendigkeit, das Gemeinsame in den Mittelpunkt der politischen Tätigkeit zu stellen. In den Debatten brauche es vor allem wieder mehr Wertschätzung und Respekt gegenüber den Andersdenkenden, meinte er. Wichtig sei auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, weil beide voneinander lernen können. Gerade das Bundesland Salzburg zeige, dass Regionalität und Internationalität eine fruchtbare Verbindung eingehen, wie erst kürzlich wieder die bestens organsierte Ski-WM in Saalbach-Hinterglemm gezeigt habe. Die Stärken des ländlichen Raums würden zudem in der Bürgernähe und im Ehrenamt liegen. Sein Fraktionskollege Franz Ebner (ÖVP/O) brach eine Lanze für den Föderalismus, der in Österreich gelebte Realität sei. Dennoch solle man kritisch überprüfen, ob die Zuständigkeiten noch stimmen. Den Vorschlag zur Wiederbelebung des Österreich-Konvents unterstütze er daher sehr gerne.

SPÖ ÜBT KRITIK AM „VERARMUNGSPROGRAMM“ IM BUNDESLAND SALZBURG

In der Rede von Haslauer sei es zwar viel um Weltpolitik, aber wenig um Landespolitik gegangen, urteilte Michael Wanner (SPÖ/S). Es würde aber gerade auf Salzburger Ebene viel zu besprechen geben, meinte er, wie etwa den vom Rechnungshof kritisierten Kauf der Antheringer Au, den „Kuhhandel“ mit der FPÖ um Posten oder das soziale „Verarmungsprogramm“, das auf Kosten der Bürger:innen gefahren werde. Und was die Stärkung der politischen Ränder angeht, so sollte man nicht vergessen, dass es die ÖVP in Salzburg war, die die Freiheitlichen in die Regierung geholt habe. Manfred Mertel (SPÖ/K) zeigte sich besorgt über die finanzielle Situation der über 2.000 Gemeinden in Österreich, die schon jetzt viele Leistungen nicht mehr ausreichend erbringen könnten.

FPÖ VERWEIST AUF ERFOLGSBILANZ IN SALZBURG DURCH FREIHEITLICHE REGIERUNGSBETEILIGUNG

Marlies Doppler (FPÖ/S) sah das Bundesland Salzburg auf einem sehr guten Weg, da sich seit der Beteiligung der FPÖ an der Landesregierung viel zum Positiven geändert habe. Dazu zählten etwa die Neuaufstellung des Naturschutzes, der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien, die Entwicklung einer neuen Wohnbaustrategie inklusive der Einführung einer Deutschpflicht sowie die deutliche Erhöhung des Budgets für Kinder und Jugendliche. Gestärkt habe man zudem auch jene Familien, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen, weil damit eine echte Wahlfreiheit gewährleistet werde, führte Doppler ins Treffen. Überall dort, wo die FPÖ mitregiere, stünden weiters die Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe, die Förderung der regionalen Wirtschaft sowie der Abbau von Bürokratie im Fokus, betonte Peter Samt (FPÖ/St).

GRÜNE BEKLAGEN DIE SCHWÄCHUNG DES NATUR- UND KLIMASCHUTZES IN SALZBURG

Für Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) ist insbesondere das Bundesland Salzburg, das einen hohen Tourismusanteil aufweise, Beleg dafür, wie wichtig es sei, Natur und Umwelt zu schützen. Nun müsse man aber leider feststellen, dass die aktuelle schwarz-blaue Landesregierung in eine andere Richtung gehe. Gerade beim Klimaschutz und beim Naturschutz werde nämlich „die Axt angelegt“, beklagte Hauschildt-Buschberger. Besonders bedauerlich sei die massive Schwächung der Landesumweltanwaltschaft, die durch eine Gesetzesänderung zentrale Rechte verloren habe. Gleichzeitig werde versucht, die Naturschutzorganisationen einzuschüchtern.

NEOS FORDERN MEHR FINANZIELLE AUTONOMIE UND STEUERHOHEIT FÜR DIE LÄNDER

Die NEOS seien keine Gegner des Föderalismus, sondern Anhänger einer effizienten Staatsstruktur, stellte Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) fest. Dabei solle jede Ebene das tun, was sie am besten könne. Grundlage dafür seien aber klare Verantwortlichkeiten, was in der Praxis häufig nicht der Fall sei. Wie absurd die Situation teilweise sei, zeige etwa die Tatsache, dass in Wien auf ein Gesetz aus der Monarchie zurückgegriffen werden musste, um eine gemeinsame Schule der 6- bis 12-Jährigen zu ermöglichen. Wäre es nicht besser, wenn die Bundesländer in zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens einen positiven Wettstreit um die besten Lösungen führen könnten, fragte sie. Da ihnen neben den Zuständigkeiten aber vor allem die finanzielle Freiheit fehle, brauche es mehr Steuerhoheit für die Länder. Sumah-Vospernik setzte daher ihre Hoffnung in einen Verfassungskonvent, um die Staatstruktur in das 21. Jahrhundert zu bringen. (Fortsetzung Bundesrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

————————-

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender

Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.