Einigung der EU-Staaten: Großer Nachbesserungsbedarf beim Verhandlungsmandat des EU-Rats zur Neuen Gentechnik
ARGE Gentechnik-frei: Faule Kompromisse auf Kosten der Konsument:innen und der „Ohne Gentechnik“-Lebensmittelwirtschaft
MEHR ALS EINEINHALB JAHRE HABEN DIE EU-MITGLIEDSSTAATEN ÜBER EINE GEMEINSAME POSITION ZUR DEREGULIERUNG DER NEUEN GENTECHNIK (NGT) VERHANDELT. VERGANGENEN FREITAG GAB DER ASTV (AUSSCHUSS DER STÄNDIGEN VERTRETER / COREPER) IN BRÜSSEL EINEN FAULEN KOMPROMISS BEKANNT: DIESER IST WEIT VON EINEM ERHOFFTEN DURCHBRUCH ENTFERNT, DENN ES FEHLEN WEITERHIN TRANSPARENTE UND RÜCKVERFOLGBARE REGELUNGEN ZU KENNZEICHNUNGSPFLICHT UND KOEXISTENZ. DIES SEI DAHER WEDER FÜR DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT NOCH FÜR DIE KONSUMENT:INNEN EINE AKZEPTABLE PERSPEKTIVE, SO DIE ARGE GENTECHNIK-FREI. DIE VOM EU-RAT VERABSCHIEDETE POSITION LASSE VIEL ZU VIELE FRAGEN OFFEN: KENNZEICHNUNG, KOEXISTENZ, HAFTUNG UND UMGANG MIT PATENTEN SEIEN UNKLAR GEBLIEBEN; ES DROHE EIN SIGNIFIKANTER RÜCKSCHLAG BEI DER TRANSPARENZ IN DER LEBENSMITTELPRODUKTION.
Mit der Positionierung der europäischen Mitgliedsstaaten für eine drastische Deregulierung für Pflanzen und Produkte aus neuen Gentechnikverfahren hat der EU-Rat am vergangenen Freitag den Auftakt für die sogenannten Trilog-Verhandlungen ermöglicht. Nun versuchen EU-Rat, EU-Parlament und EU-Kommission eine gemeinsame Vorgangsweise für die Marktzulassung der Verfahren und Produkte aus der Neuen Gentechnik zu entwickeln. Nur dann kann es zu einer Änderung der bewährten EU-Gentechnik-Gesetze kommen.
SCHLÜSSELFRAGEN WIE PATENTE UND TRANSPARENZ BLEIBEN UNGELÖST
Doch die Vorgaben stellen die Verhandler:innen vor große Hürden. Völlig unklar ist, wie der Rat zu einer Kennzeichnung der NGT-Produkte und -Pflanzen steht. Im Verhandlungsmandat der Mitgliedsstaaten ist diese nicht enthalten. Marktforschungen in zahlreichen europäischen Ländern zeigen allerdings, dass Transparenz und Kennzeichnung für die Konsument:innen zu den zentralen Kernfragen beim Umgang mit Neuer Gentechnik zählen.
Ähnliche Prämissen hat das EU-Parlament verankert: Dieses hat im April 2024 für sein Verhandlungsmandat klar festgelegt, dass die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung für alle NGT-Pflanzen und Produkte zu gewährleisten sei. Überdies müsse sichergestellt werden, dass NGT-Pflanzen nicht patentiert werden.
_„Das EU-Parlament muss in den Trilog-Verhandlungen seine 2024 verabschiedete Forderung nach einer durchgehenden Gentechnik-Kennzeichnungspflicht bis zum Endprodukt durchsetzen. Eine Deregulierung ohne diese Mindestanforderung werden Konsument:innen und die Lebensmittelwirtschaft nicht akzeptieren. Auch weitere potenziell gravierende Folgen für die Wirtschaft – wie z.B. die Frage der Haftung oder der für Lebensmittel notwendigen Sicherheitsprüfungen – sind noch völlig ungeklärt,“_ kommentierte FLORIAN FABER, Geschäftsführer der ARGE Gentechnik-frei den Ratsbeschluss. Es sei noch ein weiter Weg hin zu einer europäischen Einigung: „_Die Verhandlungsposition der Mitgliedsstaaten heißt noch längst nicht, dass die NGT-Deregulierung beschlossene Sache ist. Das Parlament kann dem so nicht zustimmen, und auch die Position einzelner Mitgliedsstaaten kann sich wieder ändern.“_
Im Trilog sind auf Grundlage des EU-Parlamentsbeschluss und dem Verhandlungsmandat des Rates sowie der Position der Kommission noch große Brücken zu überwinden. Wenn die Patentierbarkeit von NGT 1-Pflanzen und Produkten ausgeschlossen werden soll, dann könnte dies sogar eine unüberwindbare Hürde sein. Denn dafür müsste zuerst das Europäische Patentübereinkommen geändert werden. Dieses ist keine reine EU-Materie, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 39 Staaten.
ZAHLREICHE OFFENE FRAGEN ZU KOEXISTENZ, KENNZEICHNUNG, HAFTUNG UND PATENTE MÜSSEN RECHTSSICHER GEKLÄRT WERDEN
_„Es ist für uns völlig unverständlich, wie auf einer derart unklaren und widersprüchlichen Basis Trilog-Verhandlungen gestartet werden können. Ein professioneller Zugang wäre, zuerst die vielen offenen Fragen zu klären und dann auf einer soliden Faktenbasis in Verhandlungen einzutreten,“_ sieht Florian Faber die Europäische Union in dieser Frage gefordert. _„Es braucht Rechtssicherheit und keinen faulen Kompromiss! Konsument:innen benötigen für die Wahlfreiheit eine klare Kennzeichnung, vom Feld bis zum fertigen Lebensmittel. Die Lebensmittelwirtschaft benötigt eine lückenlose Klärung der Haftungs- und Patentfrage. Und Landwirt:innen und Saatgut-Betriebe benötigen Schutz vor patentiertem Saatgut, um auch künftig Gentechnik-frei wirtschaften zu können“_.
Ein aktuelles Gutachten des Rechtsanwalts Dr. Georg Buchholz hat im Januar 2025 weitere gravierende Auswirkungen und Risiken der bisher geplanten NGT-Regulierung für den gesamten Lebensmittelsektor aufgezeigt. Dieses Gutachten beschäftigt die Branche derzeit intensiv. Die EU-Kommission hat bisher keine Antwort darauf gefunden.
* RECHTSGUTACHTEN: HAFTUNGSRISIKEN BEI NEUER GENTECHNIK NICHT AUF EU-LEBENSMITTELWIRTSCHAFT ABWÄLZEN!
MARKTFORSCHUNG: KLARE ABLEHNUNG VON NGT OHNE KENNZEICHNUNG
Die Meinung der Österreicher:innen zum Thema zeichnet ein klares Bild (marketagent; n = 1.000, Juli 2023):
* 77,8 % der Befragten sehen „Ohne Gentechnik hergestellt“ als wichtiges Einkaufsmotiv.
* 84,5 % wollen, dass Produkte aus NGT weiterhin als „Gentechnik“ gekennzeichnet werden.
* 83,1 % fordern, dass Produkte aus NGT genauso streng kontrolliert und reguliert werden wie „alte“ Gentechnik.
* 73,8 % befürchten, dass die hohe Qualität der österreichischen Landwirtschaft durch NGT gefährdet wird.
* 89 % bestehen darauf, dass Konsument*innen ein Recht darauf haben, zu erfahren, wie ihre Lebensmittel produziert wurden.
* 89,9 % unterstützen eine verpflichtende Kennzeichnung für Produkte aus NGT (Lebens- und Futtermittel) direkt auf dem Produkt.
ARGE Gentechnik-frei
Florian Faber
Telefon: 0664-3819502
E-Mail: f.faber@gentechnikfrei.at
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