Budgetausschuss: Finanzminister Marterbauer warnt vor Teufelskreis
Fiskalrat-Präsident Badelt zeigt sich skeptisch bezüglich ambitionierter Einsparungsziele
Im Budgetausschuss diskutierten heute die Abgeordneten mit Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt und Finanzminister Markus Marterbauer die aktuelle Budgetentwicklung. Die Bundesregierung hat bis jetzt für 2025 ein Konsolidierungsvolumen von 6,3 Mrd. Ꞓ und für 2026 8,7 Mrd. Ꞓ angestrebt. Badelt betonte, „heute wissen wir, dass die Wirtschaftsprognosen sich deutlich verschlechtern.“ Auf Basis der Verschlechterung der Wirtschaftslage rechnet der Fiskalrat damit, dass die Maastricht-Defizitgrenze von 3 % 2025 nicht erreicht wird. Laut Badelt wird dieses voraussichtlich weit über 3 %, wahrscheinlich auch über 3,5 % liegen. „Es könnte auch sein, dass sich das Defizit mehr den 4 % nähert“, spekulierte er. Zu beachten seien Länder und Gemeinden, denn deren Beitrag zum Budget sei ungewiss. Trotz beschlossener Budgetsanierungsmaßnahmen werde das Defizit zwischen 3,5 % und 4 % des BIP liegen, führte auch Finanzminister Markus Marterbauer aus. Um dem gegenzusteuern, bräuchte es ein weiteres Konsolidierungspaket im Ausmaß des schon beschlossenen. Jedoch warnte der Finanzminister davor. „Wenn wir diesen Effekt behalten, wird die Konjunktur weiter gedämpft und wir haben einen Teufelskreis“, so Marterbauer gegenüber den Abgeordneten.
Die Angelobung der neuen Regierung Anfang März brachte Änderungen bei den Ressorts mit sich, was in einer kürzlich beschlossenen Novelle des Bundesministeriengesetzes bereits abgebildet wurde. Da sich diese Kompetenzverschiebungen auch im Budgetrecht widerspiegeln müssen, haben Andreas Hanger (ÖVP), Kai Jan Krainer (SPÖ) und Karin Doppelbauer (NEOS) einen entsprechenden Gesetzesantrag eingebracht (123/A), der heute im Budgetausschuss mehrheitlich angenommen wurde.
BADELT: POLITISCHE ENTSCHEIDUNG, OB WEITER KONSOLIDIERT WERDEN SOLL
Ausgangsbasis der Diskussion war der Bericht über die öffentlichen Finanzen 2023 bis 2028, den der Fiskalrat im Dezember 2024 veröffentlicht hat (III-117 d.B.). Der Fiskalrat rechnet in dem Bericht mit einem Anstieg der Schuldenquote auf 85 % bis 2028. Die Expert:innen gehen unter der no-policy-change-Prämisse von steigenden Budgetdefiziten 2024 und 2025 in Höhe von 3,9 % und 4,1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Bis 2028 rechnet der Fiskalrat mit einer konjunkturellen Erholung und einem leichten Rückgang des Budgetdefizits auf 3,5 % des BIP. Der Bericht wurde im Budgetausschuss enderledigt.
Als nächsten offiziellen Schritt erwartet Badelt die Wirtschaftsprognose des WIFO und erste ex-post-Zahlen der Bundesländer. Als entscheidenden Punkt nannte er die Wirtschaftsprognose der Europäischen Kommission im Mai, auf deren Basis die Kommission Österreichs Budgetsituation neu bewertet.
Badelt stimmte mit den Abgeordneten darin überein, dass die Gemeinden die Aufgabe hätten, vor allem in den Bereichen Daseinsvorsorge und Umweltschutz wichtige Investitionen vorzunehmen. Dennoch müssten alle sparen, auch die Kommunen, betonte der Fiskalrat-Chef. Was die geplanten Kürzungen des Sachaufwands in den Ministerien betrifft, so gab er zu bedenken, dass es sich dabei nur um einen sehr spezifischen Teilaspekt handle. Zudem wolle man wahrscheinlich in Ressorts, wo es einen hohen Sachaufwand gebe (z.B. Justiz, Militär, Polizei), eher nicht kürzen. Erschwerend komme nach Ansicht von Badelt noch hinzu, dass nach der Budgetrede Mitte Mai fast nur mehr ein halbes Jahr bleibe, um all die Maßnahmen umzusetzen.
MARTERBAUER WARNT VOR TEUFELSKREIS
Finanzminister Markus Marterbauer ging auf den engen Zusammenhang zwischen Konjunktur und Budgetdefizit ein. Die Defizitentwicklung hänge von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab, betonte er. Diskretionäre Maßnahmen hätten einen Einfluss auf die Konjunktur. Laut Marterbauer gilt zu überlegen, welche Maßnahmen welche dämpfenden Effekte haben. Die beschlossenen Maßnahmen wie Bankenabgabe, Energiekrisenbeitrag und die Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung für Photovoltaikanlagen hätten geringe bis keine Auswirkungen auf die Konjunktur, sagte er.
Marterbauer hob ebenso die Bedeutung der Investitionen in den Gemeinden hervor, da sich diese unmittelbar auf die Bürger:innen auswirken würden. Dennoch sei eine zusätzliche Unterstützung der Kommunen derzeit aufgrund der schwierigen Budgetlage nicht möglich, bedauerte er. Generell schätze er die Wirtschaftsentwicklung aber etwas optimistischer als das WIFO ein. Er denke, dass von dem kürzlich beschlossenen Infrastrukturpaket in Deutschland doch ein deutlicher Konjunkturimpuls auch auf Österreich ausgehen werde.
Wir wissen viel über das Bundesbudget, aber wenig über Länder und Gemeinden, deshalb habe er den Kontakt zu den Landesfinanzreferent:innen aufgenommen, sagte Marterbauer. Mehrere Bundesländer würden demnach hohe Defizite erwarten. Diese würden in der Höhe der vergangenen Jahre oder darüber liegen. Außerdem habe sich die finanzielle Situation der Sozialversicherungen verschlechtert, so der Finanzminister. Dies sei auf die Beschäftigungsentwicklung zurückzuführen. Für Brüssel sei der Gesamtstaat relevant, daher könne Konsolidierung nur ein gemeinsames Projekt sein. Ziel sei, möglichst rasch unter die 3 %-Grenze zu kommen. Dabei bedürfe es einer glaubwürdigen Konsolidierungsstrategie. „Österreich muss demonstrieren, dass wir das Defizit deutlich abbauen wollen“, so Marterbauer.
Im Rahmen eines möglichen Defizitverfahrens erwartet Marterbauer keinen Risikoaufschlag auf Zinssätze, solange glaubhaft demonstriert werde, dass dieses abgebaut wird. Auch bei einem Defizitverfahren seien alle Entscheidungen weiterhin „in unserer Hand“, so Marterbauer. Es gelte lediglich, sich mit Brüssel abzustimmen, betonte der Finanzminister. Die Bundesregierung „lehne sich nicht zurück“ und arbeite tagtäglich an dem Entwurf für das Doppelbudget, versicherte der Finanzminister. Klar sei für ihn, dass jedes Ministerium einen Beitrag leisten müsse, um in Summe 6,4 Mrd. Ꞓ einzusparen. Dazu werde ein Verteilungsschlüssel auf der Basis von objektiven Kriterien erarbeitet.
NEOS: SPARPAKET WIRD NICHT REICHEN
Das Sparpaket über 6,39 Mrd. Ꞓ werde nicht reichen, betonte auch Karin Doppelbauer (NEOS). Von Badelt hinterfragte sie weitere Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung und sprach sich für einen Konsolidierungsbeitrag von Ländern und Gemeinden aus. Budgetkonsolidierung müsse alle Gebietskörperschaften gemeinsam betreffen, ging Badelt einher. Der Fiskalrat habe eine Liste potentieller Maßnahmen veröffentlicht, so Badelt. Dabei gelte es, eine politische Entscheidung zu treffen.
SPÖ: WEITERE EINSPARUNGSMASSNAHMEN WÄREN KONJUNKTURDÄMPFEND
Es stelle sich die Frage, ob statt 6,4 Mrd. Ꞓ das Doppelte eingespart werden soll, fasste Kai Jan Krainer (SPÖ) zusammen. Ein Defizit von 4 %, das dritte Jahr in Rezession und keine finanziellen Spielräume, sei die Ausgangslage der Bundesregierung. Weitere Einsparungsmaßnahmen würden konjunkturdämpfend wirken, bedachte Barbara Teiber (SPÖ) und hinterfragte die Auswirkungen eines Defizitverfahrens. Als Fiskalrat-Chef sei es seine Aufgabe, die Regierung aufzufordern, die Fiskalregeln einzuhalten und sich nicht freiwillig auf ein Defizitverfahren einzulassen, betonte Badelt. Klar sei jedoch: Jede Konsolidierung wirke wachstumshemmend. Konsolidierungen im Rahmen von bis zu einem Prozent des BIP hätten negative Auswirkungen auf die Konjunktur.
Wolfgang Kocevar (SPÖ) machte auf die Situation der Gemeinden aufmerksam. Gemeinden seien Arbeitgeber und müssten lokale Betriebe am Leben erhalten. Er erinnerte an die allgemeine Schulpflicht und damit notwendige Investitionen in die Infrastruktur.
ÖVP: VERTRAUEN ALS OBERSTE PRÄMISSE
Das Bundesdefizit sei nur ein Teil des Maastricht-Defizits, führte Andreas Hanger (ÖVP) aus. In diesem Zusammenhang müsse auch über Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger gesprochen werden. Er forderte eine seriöse Debatte auf Basis einer sauberen Datenlage. Hanger betonte, auch die Länder seien aufgefordert zu konsolidieren. Es bedürfe aller Gebietskörperschaften, unterstrich er.
Badelt hielt fest: „Strukturänderungen müssen gemacht werden.“ Um das Budget zu konsolidieren, sei ein Zero-Based-Budgeting erforderlich. Dazu müsse in jeder Ausgabenkategorie geprüft werden, ob diese notwendig ist.
Das Wichtigste sei die Frage der Glaubwürdigkeit und Belastbarkeit gegenüber der Europäischen Kommission und den Kapitalmärkten, betonte Andreas Ottenschläger (ÖVP). Oberste Prämisse sei das Vertrauen. Es gehe nicht nur um die kurzfristigen Maßnahmen, viel mehr sei auch die Mittelfristperspektive relevant. Obwohl er kein Freund eines Defizitverfahrens sei, gelte es einen glaubwürdigen Budgetpfad darzustellen.
FPÖ: „JETZT GEGENSTEUERN“
Aus Sicht von Hubert Fuchs (FPÖ) ist es der richtige Ansatz, „massiv mehr einzusparen“. Statt auf Prognosen zu warten, sollten Verhandlungen geführt werden. Anstelle eines Defizitverfahrens forderte er die Bundesregierung dazu auf nachzudenken, wie mehr eingespart werden könne. Arnold Schiefer (FPÖ) pochte darauf, sich nicht zu lange Zeit zu lassen, um zu konsolidieren. Vielmehr bedürfe es permanentes Gegensteuern. Lässt sich Österreich für die Konsolidierung zu lange Zeit, sei es für künftige Situationen nicht gewappnet, warnte er. In diesem Sinne forderte er ein zweites Sparpaket. Badelt hielt gegenüber der FPÖ fest: „Es erscheint ziemlich gefährlich, weiter zu konsolidieren.“
Langsames Zurückzahlen werde mehr kosten als ein rascher Schuldenabbau, betonte Arnold Schiefer (FPÖ) und warnte auch vor negativen Auswirkungen auf die Investitionen. Es gelte so schnell wie möglich, aus einem Defizitverfahren wieder rauszukommen, argumentierte Schiefer. Maximilian Linder (FPÖ) hob hervor, dass in der Vergangenheit die Gemeinden österreichweit positiv zum Maastricht-Defizit beigetragen haben.
GRÜNE: „DAS BITTERSTE WÄRE, DIE KONJUNKTUR WEITER ABZUWÜRGEN“
Angesichts der Schilderungen, die nicht viel Hoffnung auf Verhinderung eines Defizitverfahrens bringen würden, empfand es Jakob Schwarz (Grüne) beruhigend, dass ein solches keine Katastrophe wäre. „Das Bitterste wäre, die Konjunktur weiter abzuwürgen“, argumentierte Schwarz und hielt es für sinnvoll, die Konjunktur aufrecht zu erhalten und zu stärken. Dabei gelte es, zukünftigen Generationen keinen Rucksack umzuhängen. In diesem Sinne forderte er zukunftsfähiges Wirtschaften. Statt beim Klimaschutz zu sparen, sprach sich Schwarz dafür aus, bei klimaschädlichen Subventionen anzusetzen. Gemeinsam mit Elisabeth Götze (Grüne) machte er sich für eine starke Datenbasis zu Haushaltseinkommen stark, um treffsichere Maßnahmen setzen zu können.
NEUE RESSORTVERTEILUNG SOLL AUCH AUF BUDGETRECHTLICHER EBENE UMGESETZT WERDEN
Andreas Hanger (ÖVP) bat um Verständnis dafür, dass die konkrete Ausgestaltung der Gesetzesmaterie, also auch die Umgruppierungen im Personalplan, noch einer genauen Abstimmung innerhalb seiner Fraktion bedürfen. Kai Jan Krainer (SPÖ) kündigte daher die Einbringung eines Abänderungsantrags in der kommenden Sitzung des Nationalrats an.
Die erforderlichen Anpassungen im Bundesfinanzgesetz 2024, welches während der Geltung des Gesetzlichen Budgetprovisoriums 2025 zu vollziehen ist, sowie im Bundesfinanzrahmengesetz 2024 bis 2027 sollen dann mit 1. April 2025 in Kraft treten. (Schluss Budgetausschuss) gla/sue
HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.
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