Verdacht auf politische Einflussnahme: Akademikerball-Chef Guggenbichler missbraucht Gesetz zum Schutz von Minderheiten

Nach Protest der Jüdischen HochschülerInnen ermittelt das LSE auf Zuruf von FPÖ-Guggenbichler wegen “Verdacht auf Verhetzung” – ohne Kenntnis der Staatsanwaltschaft.

Anlässlich des Akademikerballs 2025 – vormals WKR-Ball – organisierten die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) Anfang März eine dreitägige Videoinstallation gegen rechtsextreme Burschenschaften am Äußeren Burgtor. Projiziert wurde ein “Countdown bis zum Nazi-Ball”, zudem wurde mit Kreide auf den Bürgersteig gemalt. Die ersten beiden Kundgebungsabende verliefen friedlich und ohne Interventionen der Polizei.

Am dritten Tag, dem Vorabend des Balls, tauchte am Rand der Kundgebung FPÖ-Mandatar und Akademikerball-Organisator Udo Guggenbichler auf. Gegen den FPÖ-Burschenschafter gab es 2023 Ermittlungen wegen Wiederbetätigung, die später unter fragwürdigen Umständen eingestellt wurden, zu denen eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister gestellt wurde. Es gilt die Unschuldsvermutung. Nachdem Guggenbichler die Kundgebung observierte und mit den Behörden telefonierte, trafen plötzlich dutzende Polizei-Einsatzkräfte ein, um die Videoinstallation zu unterbinden.

Ein Video des Vorfalls findet sich unter:

https://x.com/joehwien/status/1897923865520562214?s=46

Die ursprüngliche Presseaussendung zum Vorfall findet sich unter:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250307_OTS0042/akademikerball-protestinstallation-der-juedischen-hochschueler-wegen-verhetzung-durch-polizei-grosseinsatz-unterbunden

Grund der polizeilichen Intervention war laut Einsatzleiter die “Anordnung einer Juristin der Versammlungsbehörde” wegen des “Verdachts auf Verhetzung”. Laut Polizeiakt wurde die Anzeige von Udo Guggenbichler selbst eingebracht. Die Bezeichnung des Akademiker-Balls als “Naziball” soll laut Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) – dem Verfassungsschutz der Republik Österreich – diesen Tatbestand erfüllen, obwohl das Gesetz tatsächlich zum Schutz von Minderheiten existiert und mitnichten zum Schutz von Burschenschaftern oder ihrer “Bälle”. Auch der seitens des Kundgebungsleiters eingebrachte Alternativvorschlag “Kellernazi-Ball” wurde durch die Juristin für rechtswidrig erklärt.

Im Rahmen des “Shutdowns” wurden Poster beschlagnahmt, die zum Protest gegen den Ball aufriefen. Die Polizei führte überdies Identitätsfeststellungen bei allen Kundgebungsteilnehmenden durch, da sie als “Beitragstäter” ebenfalls der “Verhetzung” verdächtigt würden. Einzelne Polizisten versuchten zudem zeitweise die Ersatz-Projektion physisch zu verhindern, wurden jedoch von ihrem Einsatzleiter zurechtgewiesen.

Die Polizei hat hier offenbar auf Zuruf des rechtsextremen Politikers Udo Guggenbichler ein Gesetz zum Schutz von Minderheiten gegen eine jüdische Organisation missbraucht. Die Ermittlungen des Verfassungsschutz gegen jüdische Studierende wegen „Verhetzung“ sind besonders befremdlich, da bei der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der ersten polizeilichen Ladung kein Verfahren bekannt war. Obwohl dies vollkommen unüblich ist, nahm der Verfassungsschutz also auf eigene Faust ein Ermittlungsverfahren auf. Zudem wurde nicht der Kungebungsanmelder und JöH-Präsident Alon Ishay als Kundgebungsleiter zur Vernehmung geladen, sondern ein Funktionär des Wiener KZ-Verbands, der als Teilnehmer auf der Kundgebung war.

Auch datenschutzrechtlich ist der Fall heikel: Durch die umfassenden Identitätsfeststellungen könnten persönliche Daten jüdischer Aktivist:innen über Guggenbichlers Akteneinsichtsrecht als vermeintliches Opfer der Verhetzung in unerwünschte Hände gelangen.

Die demokratische Versammlungs- und Meinungsfreiheit wurde also offenbar zugunsten und unter Mitwirkung rechtsextremer Burschenschafter verletzt und somit versucht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Alon Ishay, Präsident der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH), bringt den Skandal auf den Punkt: “Die Polizei und das LSE verstehen sich hier offenbar als private Truppe des rechtsextremen Burschenschafters Udo Guggenbichlers. In völliger Unkenntnis der österreichischen Rechtslage wurde ein “Verhetzungs-Verdacht” gegen jüdische Studierende behauptet. Dabei ist dieses Gesetz eigentlich dazu gedacht, uns als Jüdinnen und Juden vor den Teilnehmern des WKR-Balls und ihren ‘Einzelfällen’ zu schützen.”

Der juristische Vertreter der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen, Mag. Bini Guttmann, zeigt sich schockiert: “Der Einsatz des Verhetzungsparagraphen gegen jüdische Studierende, die einen rechtsextremen Ball kritisieren, stellt das Recht auf den Kopf. Der § 283 StGB soll vulnerable Minderheiten vor Hassrede schützen, nicht politische Veranstaltungen vor Kritik. Diese juristische Verdrehung lässt sich nur dann nachvollziehen, wenn man H.C. Strache zustimmt, der 2012 am WKR-Ball meinte: Wir sind die neuen Juden. Besonders beunruhigend ist, dass diese Ermittlungen offenbar ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft vom LSE eingeleitet wurden – ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Anstatt, dass der Verfassungsschutz darauf fokussiert ist, Juden:Jüdinnen vor der immer stärkeren antisemitischen Bedrohung zu schützen, kriminalisiert er den Protest jüdischer Studierender. Der Rechtsstaat wird hier vom Kopf auf die Füße gestellt.”

Jüdische österreichische HochschülerInnen (JöH)
Telefon: +43 68120692803
E-Mail: office@joeh.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender

Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.