ORF: Haushaltsabgabe bleibt bis 2029 eingefroren, Stiftungs- und Publikumsrat werden neu bestellt
Verfassungsausschuss schickt Novelle zum ORF-Gesetz mit Koalitionsmehrheit ins Plenum
Seit der Umstellung der GIS-Gebühr auf eine Haushaltsabgabe muss jeder österreichische Haushalt 15,30 Ꞓ pro Monat für das ORF-Programm zahlen. Dieser Beitrag soll nun bis Ende 2029 eingefroren bleiben. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute einen entsprechenden Beschluss gefasst. Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS schickte er eine Novelle zum ORF-Gesetz ins Plenum, der zufolge die derzeit bis Ende 2026 geltende Beitragsbeschränkung um drei Jahre verlängert wird. Gleichzeitig werden infolge eines VfGH-Urteils Änderungen bei der Bestellung des Stiftungsrats und des Publikumsrats vorgenommen. Kritik am „Reförmchen“ kommt von der Opposition, die Forderung der FPÖ nach einer vollständigen Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe fand jedoch ebenso wenig eine Mehrheit wie ein Entschließungsantrag der Grünen.
Vizekanzler Andreas Babler betonte im Ausschuss, dass mit der Gesetzesnovelle nicht nur das VfGH-Erkenntnis zu den ORF-Gremien umgesetzt werde. Er sieht dadurch auch die Unabhängigkeit des ORF gestärkt und dessen finanzielle Basis – bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf den Spargedanken – gesichert. Babler bekräftigte außerdem das Vorhaben der Regierung, die Inseratenausgaben zu senken.
WENIGER GEWICHT DER REGIERUNG IM STIFTUNGSRAT UND IM PUBLIKUMSRAT
Technisch eingebaut wurden die neuen gesetzlichen Bestimmungen in einen gemeinsamen Antrag von ÖVP, SPÖ und NEOS, der ursprünglich nur die Beseitigung eines Redaktionsversehens zum Inhalt hatte. Mit der Änderung der Modalitäten für die Bestellung des ORF-Stiftungsrats und des ORF-Publikumsrats kommen die Koalitionsparteien einem Auftrag des Verfassungsgerichtshofs nach. Dieser hatte bereits im Oktober 2023 festgestellt, dass die Bundesregierung zu viel Gewicht und zu viel Entscheidungsspielraum bei der Besetzung der beiden Gremien hat und somit der gebotene Pluralismusaspekt nicht ausreichend berücksichtigt werde.
Nun wird die Zahl der von der Regierung bestellten Stiftungsrät:innen von neun auf sechs reduziert, während der Publikumsrat künftig neun Mitglieder statt bisher sechs in das 35-köpfige Gremium entsenden kann. Außerdem muss die Regierung bei der Bestellung „ihrer“ Stiftungsrät:innen künftig stärker auf einschlägige fachliche Qualifikationen und Ausbildungen sowie auf fachliche Ausgewogenheit im Stiftungsrat achten. Die Interessentensuche ist laut Gesetz öffentlich auszuschreiben. Die übrigen Stiftungsrät:innen werden wie bisher von den Bundesländern (9), den Parlamentsparteien (6) und dem Zentralbetriebsrat (5) bestellt, wobei auch hier die Qualitätsanforderungen ein wenig nachgeschärft werden.
Ändern wird sich darüber hinaus auch die Zusammensetzung des Publikumsrats: Statt 30 Mitglieder wird er nur noch 28 haben, wobei die Bundesregierung – auf Vorschlag verschiedener Einrichtungen und Organisationen – künftig genau die Hälfte davon bestimmt, also 14 statt wie bisher 17. Vorschlagsberechtigt dafür sind wie bisher Einrichtungen und Organisationen, die repräsentativ für bestimmte Bereiche oder Gruppen wie Hochschulen, Bildung, Sport, Jugend, ältere Menschen und Umweltschutz stehen, wobei sie künftig zur Vorlage von Dreiervorschlägen angehalten sind. Die übrigen Publikumsrät:innen werden weiterhin von diversen Interessenvertretungen, der römisch-katholischen Kirche, der evangelischen Kirche, den Parteiakademien und der Akademie der Wissenschaften bestellt, dazu kommt neu ein fixes vom Dachverband der Sozialversicherungsträger zu bestellendes Mitglied.
Sowohl der Stiftungsrat als auch der Publikumsrat sollen nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen neu konstituiert werden, wobei die neue Funktionsperiode laut Gesetzentwurf mit 17. Juni 2025 beginnen soll. Aufgabe des Stiftungsrats ist unter anderem die Wahl des ORF-Generaldirektors bzw. der ORF-Generaldirketorin sowie die Genehmigung von Finanzplänen und langfristigen Programmplänen. Der Publikumsrat soll die Interessen der Hörer:innen und Seher:innen wahren.
FPÖ POCHT AUF ABSCHAFFUNG DES ORF-BEITRAGS
Kritik sowohl am Inhalt der Gesetzesreparatur als auch an der Vorgangsweise der Regierung äußerten sowohl FPÖ als auch Grüne. Sie habe den Abänderungsantrag von „Heute“ und von „Österreich“ bekommen, sagte die geschäftsführende Klubobfrau der Grünen Sigrid Maurer: „Die hatten den Antrag und wir nicht.“ Laut FPÖ-Abgeordnetem Christian Hafenecker wurde er den Ausschussmitgliedern erst um 17.16 Uhr und damit weniger als zwei Stunden vor dem Ausschuss übermittelt. Das sei eine Praxis, die man nicht tolerieren könne. Angesichts der Vorgangsweise forderten die Grünen eine Vertagung der Beratungen, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.
Auch inhaltlich kann Hafenecker dem Antrag nicht viel abgewinnen. Das sei keine Reform, sondern ein „Reförmchen“, monierte er. Politik und Kammern würden weiterhin großen Einfluss auf den ORF haben. Laut Hafenecker bräuchte es eine „Totalreform“ des ORF, zudem müsse man weg vom „Zwangsgebührensystem“. Ein dazu vorliegender FPÖ-Entschließungsantrag (80/A(E)) fand allerdings keine Mehrheit. Hafenecker und sein Fraktionskollege Michael Schilchegger schlagen darin vor, den ORF statt über eine Haushaltsabgabe über das Budget zu finanzieren. Schon jetzt erhalte der ORF zusätzlich zu den ORF-Beiträgen und zu Werbeeinnahmen Geld aus dem Budget, machte Schilchegger geltend.
GRÜNE FÜR MEHR UNABHÄNGIGKEIT DER ORF-GREMIEN
Auch die geschäftsführende Klubobfrau der Grünen bezweifelt, dass mit den neuen Bestimmungen der politische Einfluss auf den ORF reduziert wird. Vielmehr sprach sie von einer „Minimalstlösung mit einigen Kuriositäten“. So hinterfragte sie etwa das neue Prozedere zur Bestellung von Publikumsrät:innen. Zudem ist es für sie unverständlich, warum beispielsweise Autofahrerorganisationen ein Mitglied des Publikumsrats nominieren könnten, Lehrlinge aber nicht. Ebenso vermisst sie gesetzliche Bestimmungen zur Geschlechterparität in den Gremien sowie eine Absicherung des Radioprogramms FM4 und des Radio-Symphonieorchesters (RSO).
Maurer selbst trat dafür ein, den Stiftungsrat zu verkleinern und geheime Abstimmungen zu ermöglichen. Zudem sollten bei wichtigen Entscheidungen qualifizierte Mehrheiten notwendig sein. Das würde den ORF in seiner Unabhängigkeit stärken, ist sie überzeugt. Für einen entsprechenden Entschließungsantrag (107/A(E)) konnten die Grünen aber keine andere Fraktion gewinnen. Er hätte auch eine zwingende Geschlechterparität sowohl im Stiftungsrat als auch im Publikumsrat und die Einrichtung einer Ombudsstelle für Anliegen des Publikums vorgesehen.
NEOS GEGEN BUDGETFINANZIERUNG DES ORF
Eingebracht wurde der Abänderungsantrag der Koalitionsparteien von Abgeordnetem Klaus Seltenheim (SPÖ). Er freue sich, dass es gelungen sei, einen Ausschusstermin zu finden, sagte er und entschuldigte sich gleichzeitig, wie auch mehrere andere Abgeordnete, für die späte Zustellung des Abänderungsantrags. Mit der Gesetzesnovelle würde unter anderem der Publikumsrat gestärkt, zudem würden die Qualifikationsanforderungen erhöht. Auch die Neubestellungsmöglichkeit nach einem Regierungswechsel sei gestrichen worden.
Henrike Brandstötter (NEOS) wies darauf hin, dass sich die Koalitionsparteien darauf verständigt hätten, die ORF-Reform in zwei Teile zu teilen. Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle würden nur dringliche Maßnahmen umgesetzt, wobei sie sich davon auch mehr Professionalität im Stiftungsrat erwartet. In weiterer Folge gehe es unter anderem darum, den ORF schlanker und digitaler zu machen. Dieser Prozess müsse aber „ordentlich aufgestellt werden“. Zur Forderung der FPÖ nach einer Budgetfinanzierung des ORF merkte Brandstötter an, die Haushaltsabgabe sei zwar nicht perfekt, aber immer noch besser als eine Budgetfinanzierung. Der ORF solle sich schließlich weniger an der Politik ausrichten, sondern an den Bürgerinnen und Bürgern.
ÖVP SIEHT ORF-GREMIENSYSTEM DURCH VFGH BESTÄTIGT
Seitens der ÖVP machte die frühere Medienministerin Susanne Raab geltend, dass der Verfassungsgerichtshof das „seit vielen Jahrzehnten“ bestehende ORF-Gremiensystem in weiten Teilen bestätigt habe. Sowohl die Zusammensetzung des Stiftungsrats als auch jene des Publikumsrats sei in den Grundsätzen als verfassungskonform bewertet worden. Jene Aufträge, die der VfGH der Politik erteilt habe, würden nun umgesetzt. Es gehe darum, mehr Gleichgewicht herzustellen. Durch den Publikumsrat komme „die Breite der Gesellschaft in den Stiftungsrat“, meinte sie. Ihr Parteikollege Kurt Egger hob hervor, dass die schwarz-grüne Regierung in den vergangenen Jahren einiges zustande gebracht habe, um den Medienstandort zu sichern.
Zu den Anmerkungen von Grün-Abgeordneter Maurer hielt Vizekanzler Babler fest, dass man sich in der Koalition darauf geeinigt habe, an jenen Gruppen und Bereichen, die Vorschläge für den ORF-Publikumsrat einbringen können, nichts zu ändern. Das Radioprogramm FM4 stehe im ORF-Gesetz, auch das RSO sei bis 2026 gesichert.
GRÜNE FORDERN VERDREIFACHUNG DER FÖRDERUNG FÜR QUALITÄTSVOLLEN JOURNALISMUS
Vertagt hat der Verfassungsausschuss die Beratungen über einen Antrag der Grünen (108/A(E)), der auf eine Verdreifachung der Förderung für qualitätsvollen Journalismus im Print- und Onlinebereich abzielt. Da der Abfluss von Werbegeldern zu internationalen Digitalkonzernen große Löcher in die Budgets heimischer Medienbetriebe reiße, brauche es weitere Förderungen zur Sicherstellung von Medienvielfalt, argumentieren sie.
Finanziert werden könnte die zusätzliche Förderung nach Meinung von Abgeordneter Maurer durch die Beendigung von „Sinnlos-Inseraten“ zur Bewerbung der Bundesregierung. Mit Inseraten sollten Informationsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger erfüllt werden, dieser gesetzlichen Vorgabe werde aber nicht immer Rechnung getragen, kritisierte sie. Stattdessen würde Geld in Imagekampagnen gesteckt.
BABLER: BEI QUALITÄTSJOURNALISMUS-FÖRDERUNG WIRD REGIERUNG NICHT SPAREN
Dass der Forderung der Grünen in absehbarer Zeit Rechnung getragen wird, damit ist aber nicht zu rechnen. Sabine Schatz (SPÖ) wies auf die bestehenden budgetären Herausforderungen hin, die auch die Medien-Pläne der Regierungsparteien wie Abo- und Start-up-Förderungen betreffen würden. Bei der Qualitätsjournalismus-Förderung werde man aber nicht sparen, versicherte Vizekanzler Andreas Babler. Gleichzeitig bekräftigte er das Regierungsvorhaben, das Inseratenbudget um 10 % zu reduzieren.
Nichts von einer Ausweitung der Qualitätsförderung für Medien hält FPÖ-Abgeordneter Hafenecker. Das geltende Gesetz fördere Medienvielfalt nicht, ist er überzeugt. Vielmehr würden damit nur „Systemmedien“ in einem „geschlossenen Kreislauf“ gehalten. Wer ein Qualitätsmedium sei, entscheide die KommAustria. (Schluss) gs
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