Weißbuch „Europäische Verteidigungsbereitschaft 2030“ Thema im EU-Ausschuss des Bundesrats
Kontroverse Debatte über gemeinschaftliche Beschaffung, Schulden und Neutralität
Der EU-Ausschuss des Bundesrats diskutierte über das von der Europäischen Kommission vorgestellte Weißbuch „Europäische Verteidigungsbereitschaft 2030“. Das Weißbuch dient dazu, politische Vorgaben in konkrete Aktionen zu übersetzen und auch Rechtsvorschläge in einer Vielzahl von Bereichen anzustoßen. Laut Expertin des Bundeskanzleramts behalten die Mitgliedstaaten dabei die volle Souveränität über ihre Streitkräfte sowie über Investitionsentscheidungen im Verteidigungsbereich. Ziele des Weißbuches sind das Schließen von militärischen Fähigkeitslücken, Unterstützung der Ukraine, Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie sowie entsprechende Finanzierungsoptionen.
Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) trat gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden ein. Mit einem Antrag auf Stellungnahme forderte er die Bundesregierung dazu auf, jede diesbezügliche Zustimmung zu Finanzierungsmodellen auf EU-Ebene zu verweigern. Der Antrag blieb in der Minderheit.
EXPERTIN: „ES GEHT DARUM, VERTEIDIGUNGSBEREITSCHAFT BIS 2030 HERZUSTELLEN“
Im Hinblick auf die geopolitischen Entwicklungen und die veränderte Sicherheitslage geht es darum, volle Verteidigungsbereitschaft bis 2030 herzustellen, erklärte eine Expertin des Bundeskanzleramts. Das Weißbuch baut auf der aktuellen EU-Bedrohungseinschätzung auf, nach welcher Russland als grundlegende Bedrohung für die europäische Sicherheit eingestuft wird (16710/EU XXVIII.GP). Die Europäische Kommission habe auch einen Entwurf für das SAFE-Finanzierungsinstrument sowie einen Vorschlag zur Lockerung der Maastricht-Schuldengrenze von 3 % des BIP für Verteidigungsausgaben vorgesehen. Das Weißbuch sehe gemeinsame europäische Anstrengungen bei Luftverteidigung und Raketenabwehr, Artillerie, Vorräten an Munition und Raketen als erforderlich an, erläuterte die Expertin. Zudem werde Bedarf an Drohnen, militärischer Mobilität und künstlicher Intelligenz gesehen.
ÖSTERREICH UNTERSTÜTZT WEISSBUCH
Österreich unterstützt das Weißbuch als wichtigen Schritt zur Stärkung der europäischen Verteidigungsbereitschaft und wird sich konstruktiv in die Umsetzung von Maßnahmen einbringen. Auch die vorgesehene Flexibilisierung der Haushaltsregeln sowie die Ausweitung der Finanzierungsoptionen für Verteidigungsausgaben bewertete die Expertin des Bundeskanzleramts grundsätzlich positiv. Ein Darlehen aus dem SAFE-Finanzierungsinstrument aufzunehmen, komme für Österreich aufgrund der guten österreichischen Bonität und damit niedrigen Zinsen nicht in Frage. Um verteidigungs- und wettbewerbsfähig zu werden, bedürfe es der Expertise der Ukraine. Diese solle auch genutzt werden.
„Wir werden voll in die Verteidigung investieren müssen“, betonte die Expertin des Bundeskanzleramts. EU-Zuschüsse zu Investitionen hielt sie für möglich. EU-Gelder würden aber keine Rüstungsgüter betreffen. „Es ist keine europäische Armee geplant“, so die Expertin. Vielmehr werde sichergestellt, dass die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten können, um sich zu schützen.
WIRTSCHAFTSKAMMER-EXPERTE: WEISSBUCH DIENT ALS „WERKZEUGKASTEN“
Mit dem Weißbuch bekommen wir einen „Werkzeugkasten“ zur Verfügung gestellt, so ein Experte der Wirtschaftskammer. Jeder Mitgliedstaat könne selbst in die Hand nehmen, welches Werkzeug er davon in Anspruch nimmt. Nicht nur Österreich habe in den letzten Jahren eingespart. Das „Kaputtsparen ist ein europäisches Phänomen“, weshalb die Europäische Kommission nun daran arbeitet nachzuholen, was versäumt wurde. Das Weißbuch adressiere die Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft. Wichtig sei, dass Österreich weiterhin wettbewerbsfähig bleibe.
Der Experte der Wirtschaftskammer erkannte die Expertise der ukrainischen Firmen an, äußerte jedoch rechtliche Bedenken bei Kooperationen. „Da wir nicht in die Ukraine liefern dürfen, ergibt es für unsere Unternehmen wenig Sinn“.
BUNDESRÄT:INNEN IM AUSTAUSCH ÜBER GEMEINSCHAFTLICHE BESCHAFFUNG, SCHULDEN UND NEUTRALITÄT
Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) sprach sich gegen einen „europäischen Zentralstaat“ aus. Im Weißbuch sah er nämlich eine Zentralisierung, die von der FPÖ abgelehnt werde. „Österreich ist ein neutrales Land“, betonte er und „Neutralität muss wehrhaft sein“. In den letzten Jahren sei ein Zu-Tode-Sparen erfolgt. Nun sei es wichtig, das österreichische Bundesheer weiterhin verstärkt finanziell zu unterstützen. Aufgrund von Korruption hielt Spanring die Ukraine für keinen verlässlichen Partner. Solange gemeinsame Beschaffung auf freiwilliger Basis geschehe, sei diese in Ordnung, so Spanring, der auch gemeinsamen Übungen positiv gegenüberstand.
Vielen Staaten fehle das Budget, sagte Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W). Sie interessierte sich für die gemeinschaftliche Beschaffung. Elisabeth Kittl (Grüne/W) teilte die Dringlichkeit der Materie und sprach sich für eine EU-weite Beschaffung aus. Wichtig sei, die Geldflüsse streng zu beobachten, pochte sie auf parlamentarische Kontrolle. Als weiteren Sicherheitsfaktor nannte sie die Produktion eigener Energie im Land.
Daniel Schmid (SPÖ/T) sprach sich nicht grundsätzlich gegen gemeinsame Schulden aus. Das Weißbuch ändere nichts an der Neutralität, unterstrich er. Um dringende Investitionen ins Bundesheer und die Landesverteidigung umzusetzen, sei das Programm zu nutzen. Der Antrag der FPÖ wurde daher nicht unterstützt.
Seitens der ÖVP betonte Christoph Thoma (ÖVP/V): Die österreichische Neutralität wird nicht in Frage gestellt. Das Weißbuch sei verfassungskonform. Aufgrund der geopolitischen Lage müsse gehandelt werden, um die Sicherheit zu stärken. Daher gebe es von der ÖVP ein klares Bekenntnis zu diesem Papier. Die ÖVP unterstütze den Antrag der FPÖ nicht, erklärte Günther Ruprecht (ÖVP/St). Aktive Beteiligung an gemeinsamer Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei von zentraler Bedeutung, unterstrich er. Ruprecht sprach sich gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden aus. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) gla
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