Bildungsausschuss: Wiederkehr kündigt eigenes Fach Demokratiebildung an

Debatte über Schwerpunkte des Ressorts sowie die Anliegen der Bundesschülervertretung

Bei seinem ersten Auftritt im Bildungsausschuss des Nationalrats bot sich für Minister Christoph Wiederkehr gleich zu Beginn die Gelegenheit, zu einer breiten Palette von Themen und Regierungsvorhaben Stellung zu nehmen. Ausgangspunkt dafür waren der zur Diskussion stehende Tätigkeitsbericht der Bundesschülervertretung sowie der alle drei Jahre erscheinende nationale Bildungsbericht 2024. Zur Sprache kamen daher nicht nur die geplante Einführung des Fachs Demokratiebildung in der Sekundarstufe I, sondern auch der Umgang mit der Künstlichen Intelligenz im Schulalltag, der steigende Anteil an Quereinsteiger:innen bei den Lehrkräften, die Reform der Schulbuchaktion sowie die Neuaufstellung der Finanz- und Wirtschaftsbildung.

In den Ausschuss geladen war auch die derzeitige Bundesschulsprecherin Mira Langhammer, die den Abgeordneten die zentralen Anliegen der Jugendlichen vermittelte.

VON DER DEMOKRATIEBILDUNG BIS ZUM ZEITUNGS-ABO FÜR JUNGE MENSCHEN

Es gebe kaum ein anderes Land, in dem die Bundesschülervertretung eine so eine wichtige Rolle einnehme wie in Österreich, meinte Nico Marchetti (ÖVP). Er sprach insbesondere die Demokratiebildung sowie das kürzlich beschlossene Handyverbot an. Sigrid Maurer (Grüne) schloss sich der Meinung der Bundesschülervertretung an, wonach die Benotung durch Ziffernnoten nicht ausreiche. Notwendig wäre auch eine bessere Feedbackkultur. SPÖ-Mandatar Paul Stich verwies auf eine aktuelle Studie, wonach 77 % der Jugendlichen an Politik interessiert seien. Dies könne durch das im Regierungsabkommen vorgesehene „Meine-Zeitung-Abo“ für junge Menschen noch gefördert werden. Während sich Wendelin Mölzer (FPÖ) nach dem Einsatz von KI an den Schulen und den Status bezüglich der vorwissenschaftlichen Arbeiten erkundigte, kam Fiona Fiedler (NEOS) auf das Bewegungsangebot in den Schulen zu sprechen.

BUNDESSCHÜLERVERTRETUNG: KLASSENZIMMER SOLLEN ZU DEMOKRATIEWERKSTÄTTEN WERDEN

Bundesschulsprecherin Mira Langhammer, die seit September 2024 dieses Amt inne hat, bezog sich in ihrem Statement auf den fünf Seiten umfassenden Tätigkeitsbericht 2023/24 der Bundesschülervertretung und fasste die wichtigsten Inhalte zusammen. Ein zentrales Anliegen sei der Ausbau der Gesundheits- und Ernährungsbildung sowie vor allem die Bereitstellung eines gesunden Mittagessens in allen Schulen. Ein entsprechender fiktiver Antrag wurde auch im Rahmen des Schüler:innenparlaments im Hohen Haus im Juni 2024 einstimmig beschlossen. Da eine Verpflegung mit gesunden Lebensmitteln derzeit leider oft nicht gewährleistet sei, würde es mehr finanzielle Unterstützung in diesem Bereich brauchen. Bei dem Wunsch nach Stärkung des Sports stand für Langhammer generell der Ausbau der Bewegungseinheiten sowie die Einführung der täglichen Sportstunde im Vordergrund. Auch sollte die Teilnahme am Leistungssport als Entschuldigungsgrund gelten.

Eine zentrale Forderung betreffe die Demokratiebildung, wobei auch die Europäische Union für die Jugendlichen greifbarer gemacht werden müsse. Langhammer schlug daher im Namen der Bundesschülervertretung etwa die Einrichtung eines Europabüros in der Bildungsdirektion, die Etablierung von Europabeauftragten sowie Schülerreisen zu Amtssitzen von EU-Organisationen vor. Außerdem müssten die Klassenzimmer zu Demokratiewerkstätten werden. Demokratiebildung sei wichtig, Demokratie müsse aber auch direkt an den Schulen gelebt werden. Was die Schwerpunkte für das laufende Schuljahr anbelangt, so führte Langhammer die politische Bildung und die Medienkunde, Digitalisierung und KI, die Individualisierung sowie Wirtschafts- und Finanzbildung an.

Das von den Abgeordneten angesprochene Handyverbot in der Sekundarstufe I sah Langhammer grundsätzlich positiv, nun müsse es umgesetzt werden. Derzeit sei aber keine Ausnahme für digitale Mitschriften vorgesehen, gab sie zu bedenken. Bei der Notengebung vertrete man das Prinzip der „gläsernen Note“. Dies bedeute, dass mittels einer prozentuellen Darstellung klar vermittelt werden müsse, wo die Schüler:innen stehen und wo sie sich verbessern können. Es brauche auch ein „360-Grad-Feedback“, das unter anderem konkrete Lösungsvorschläge umfasse, und das sowohl für Schüler:innen als auch für Lehrer:innen gelten müsse.

Im Bereich der Digitalisierung führte Langhammer ins Treffen, dass die Durchführung der Matura am Laptop von den Schulen und Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werde. Dies sei nicht ganz fair, da die Verwendung von Laptops eine schnellere Arbeitsweise und auch das Zählen der Wörter ermögliche. Die Entscheidung bezüglich der Durchführung von vorwissenschaftlichen Arbeiten an den AHS beurteilte sie als Schritt hin zu mehr Individualisierung, da sie weiterhin auf freiwilliger Basis möglich seien.

WIEDERKEHR KÜNDIGT EIGENES FACH FÜR DEMOKRATIEBILDUNG AN

Es sei großartig, dass es einen derartigen Tätigkeitsbericht von Seiten der Bundesschülervertretung gebe, meinte Minister Christoph Wiederkehr, zumal sich der Bericht auch zu 95 % mit den Schwerpunkten des Ressorts überschneide. Dies reiche von der Förderung einer gesunden Ernährung, dem Ausbau von Bewegung und Sport, der Verbesserung des Wissens über die EU, der sinnvollen Nutzung der Digitalisierung bis hin zur Stärkung der Finanz- und Wirtschaftsbildung. Die Koalitionsparteien seien zudem übereingekommen, ein eigenes Fach Demokratiebildung in der Sekundarstufe I einzuführen, kündigte Wiederkehr an, der damit Bezug auf das Regierungsprogramm nahm. Sehr gut funktioniere die Kooperation mit der Demokratiewerkstatt im Parlament, die einen wichtigen außerschulischen Erlebnisraum biete. Wichtig sei es ihm auch, die Schüler:innen noch besser über das Erasmus-Programm zu informieren.

Bezüglich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz war Wiederkehr der Meinung, dass diese Technologie nicht mehr wegzudenken sei und daher Eingang in die neuen Lehrpläne sowie in die Ausbildung der Pädagog:innen finden müsse. KI sei eine riesige Chance, da sie eine Entwicklung hin zu mehr Kompetenzorientierung forciere. Auch im Bereich Finanz- und Wirtschaftsbildung soll eine neue Strategie entwickelt und dann auch in Zusammenarbeit mit externen Partnern umgesetzt werden. Ins 21. Jahrhundert geholt werden müsse auch die Schulbuchaktion, war der Minister überzeugt, wobei es aus seiner Sicht sowohl die analogen als auch digitalen Angebote geben soll.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen und gilt somit als enderledigt.

NATIONALER BILDUNGSBERICHT 2024 LIEFERT UMFANGREICHE DATENGRUNDLAGE FÜR BILDUNGSPOLITIK

Eine breite Diskussion gab es auch über den nationalen Bildungsbericht 2024, der auf fast 600 Seiten über den Status Quo des österreichischen Bildungssystems informiert. Er wurde ebenso einstimmig zu Kenntnis genommen, aber nicht enderledigt. Er wird somit auf einer der nächsten Nationalratssitzungen auf der Tagesordnung stehen.

Sigrid Maurer von den Grünen trat für einen generellen Systemwechsel im Bildungssystem ein, zumal es nicht nur eine „riesengroße Chancengerechtigkeitsthematik“ gebe, sondern auch noch immer eine Gesamtschule fehle und die Kompetenzen entflochten werden müssten. Handlungsbedarf sah sie auch beim sonderpädagogischen Förderbedarf, zumal überdurchschnittlich viele Buben einen entsprechenden Bescheid erhalten würden.

Wendelin Mölzer (FPÖ) ortete einen Lehrermangel und wünschte sich, dass mehr Männer den Beruf ergreifen würden. Einen Anstieg gebe es hingegen bei den Schülerzahlen, was vor allem in Ballungsräumen für große Probleme sorge. Seine Fraktionskollegin Katayun Pracher-Hilander (FPÖ) wies auf die Problematik der Vermittlung von stereotypen Geschlechterbildern durch manche Lehrkräfte hin. Generell müsste das Ansehen von Lehrer:innen in der Gesellschaft verbessert werden.

CHANCENBONUS FÜR SCHULEN MIT GROSSEN HERAUSFORDERUNGEN

Es handle sich dabei um den nunmehr sechsten Bericht in dieser Form, erläuterte Bundesminister Christoph Wiederkehr. Er gliedere sich in drei Teile – Bildungscontrolling, Bildungsindikatoren und ausgewählte Entwicklungsfelder – und stelle eine sehr wichtige Datengrundlage dar, um eine gute Bildungspolitik machen zu können.

Der Abgeordneten Maurer (Grüne) gegenüber stellte Wiederkehr fest, dass die Frage der Chancengerechtigkeit essentiell sei. Das Regierungsprogramm enthalte daher auch einen Chancenbonus und zusätzliche Ressourcen für Schulen mit größeren, sozialen Herausforderungen. Zum Thema gemeinsame Schule merkte er an, dass die frühe Trennung der Jugendlichen sicher Auswirkungen habe. Er setze sich daher dafür ein, dass die Errichtung von Modellregionen erleichtert werde. Im Sinne einer inklusiven Bildung soll es auch einen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Beeinträchtigungen geben. Es sei laut Wiederkehr nicht nachvollziehbar, warum es so große Unterschiede zwischen den Bundesländern gebe, was den sonderpädagogischen Förderbedarf angehe. Eine Erhebung soll zudem klären, warum der Anteil der Buben so hoch sei.

Eine große Herausforderung stelle der Lehrermangel dar, der vor allem auf die hohe Teilzeitquote zurückzuführen sei, berichtete der Minister. Wenn alle Lehrkräfte Vollzeit arbeiten würden, dann gäbe es keine Probleme. Eine Attraktivierung des Berufs wäre wünschenswert, weil dann wohl auch mehr Männer als Lehrpersonen gewonnen werden könnten. Bei der Entwicklung der Schülerzahlen gebe es große Unterschiede zwischen Stadt und Ländern. Während die Zahlen in ländlichen Regionen teils dramatisch sinken würden, seien Ballungsräume wie Wien oder Graz überstrapaziert. Es gebe auch immer mehr außerordentliche Schüler:innen, erklärte der Minister, was aber nicht nur auf die Migration, sondern auch auf die abnehmenden Lesekompetenzen zurückzuführen sei.

ERFREULICHE ENTWICKLUNG BEI DEN QUEREINSTEIGER:INNEN

Bundesminister Wiederkehr informierte die Abgeordneten Martina Künsberg-Sarre (NEOS), Rudolf Taschner (ÖVP) und Petra Tanzler (SPÖ) darüber, dass im letzten Jahr 6.600 neue Lehrpersonen aufgenommen wurden, wobei 10 % davon Quereinsteiger:innen waren. Er halte diesen Anteil für generell erstrebenswert, da Personen aus anderen Berufen eine neue Dynamik in die Schulen bringen würden. Verbessern müsse man jedoch noch die Kommunikation im Hinblick auf den Zertifizierungsprozess. Offene Fragen gebe es auch bezüglich der Einstufung und der Anrechnung der Vordienstzeiten. Auch der Integration der Quereinsteiger:innen ins Kollegium komme eine zentrale Rolle zu.

Der Minister stimmte weiters mit Abgeordneter Petra Tanzler (SPÖ) überein, dass iKM Plus, also die individuelle Kompetenzmessung zur Erhebung des Lernstands, ein gutes Werkzeug darstelle. Da es erst drei Jahre in Anwendung sei, würden noch einige Daten im Bericht fehlen. Dies werde aber in den nächsten Jahren nachgeholt, versprach er.(Fortsetzung Bildungsausschuss) sue

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