EU-Arzneimittelgesetzgebung: bittersüßer Fahrplan für Europas Zukunft

Statt den Standort umfänglich zu stärken und Versorgungssicherheit zu schaffen, bringt die Reform in ihrer nun veröffentlichten Endfassung neue Hürden und Rechtsunsicherheit.

Heute in den frühen Morgenstunden haben EU-Parlament, -Rat und -Kommission eine vorläufige Einigung über die Reform der 20 Jahre alten EU-Arzneimittelgesetzgebung erzielt. In einer ersten Reaktion bewertet Alexander Herzog, Generalsekretär des Pharma-Verbandes PHARMIG, das Paket wie folgt: „Die EU sendet ambivalente Signale aus. Einerseits will sie gerade mit diesem Gesetzespaket die Wettbewerbsfähigkeit Europas und die Medikamentenversorgung stärken. Andererseits bewirken viele der Regeln, auf die man sich nun geeinigt hat, das Gegenteil davon. Wären die jüngsten, geopolitischen Entwicklungen stärker ins Auge gefasst worden, könnte man mit einem entsprechenden Paket den Standort nachhaltiger stärken, anstatt da und dort erst recht wieder Hürden für Unternehmen zu schaffen.“

Das nunmehr vorliegende, finale Gesetzespaket bleibt deutlich hinter den Erwartungen der Pharmabranche zurück. Zwar wurden beispielsweise Verfahrensdauern gekürzt, gleichzeitig gelang es aber nicht, ein klares Anreizsystem für eine verstärkte Medikamentenforschung zu schaffen. Ebenso bleibt die erhoffte Stärkung der Resilienz Europas durch Bürokratieabbau aus. „Statt strategischer Weitsicht geht von diesem Gesetzespaket das Signal aus: Europa hat wohl gerne Innovationen, aber dahingehend investieren sollen andere“, bringt es Herzog auf den Punkt.

Bedingt positiv zu bewerten ist, dass der Unterlagenschutz im Zusammenhang mit der Entwicklung innovativer Arzneimittel weiterhin acht Jahre betragen soll. Die zusätzliche Marktexklusivität von bis zu 3 Jahren, wie sie bisher gegolten hat, ist aber mit den neuen Regeln weit schwieriger zu erreichen.

Schwer wiegt zudem, dass zentrale Zukunftsbereiche nur unzureichend adressiert werden. Für die Entwicklung dringend benötigter neuer Antibiotika fehlen auch in der Überarbeitung des Pharmapaketes wirksame Anreize. Ein tragfähiges Modell, das Forschung und Entwicklung in diesem Hochrisikobereich tatsächlich antreibt, bleibt aus.

Auf der anderen Seite sind im Bereich der Generika Mechanismen vorgesehen, um deren Markteintritt zu beschleunigen. Der schnellere Zugang zu Nachahmerprodukten geht allerdings auf Kosten der innovativen Unternehmen und schafft gleichzeitig für alle eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Dazu sagt Herzog: „Hier hätte man mit entsprechender Sensibilität ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Bereichen schaffen können, um am Ende sowohl den Forschungs- als auch den Produktionsstandort Europa nachhaltig zu stärken.“

Woran beide Sektoren, der innovative wie der Generikasektor, gleichermaßen leiden, ist der hohe, bürokratische Druck. Anstatt diesen abzubauen, wird er mit dem Gesetzespaket sogar noch erhöht. So sollen beispielsweise Unternehmen verpflichtet werden, für jedes rezeptpflichtige Arzneimittel aus ihrem Portfolio einen „Shortage Prevention Plan“ zu erstellen, sprich einen detaillierten Vorsorgeplan, um potenzielle Lieferengpässe möglichst zu verhindern oder frühzeitig zu erkennen. Diese Vorgabe aber bindet erhebliche Ressourcen, ohne darauf zu achten, wo tatsächlich kritische Fälle mit Versorgungsrelevanz auftreten. Auch eine Pflicht zur Meldung von Engpässen sechs Monate im Voraus wird als nicht praktikabel und nicht durchführbar gesehen.

Erfreulich ist, dass die ursprüngliche 210-Tage-Frist für die Bewertung wissenschaftlicher Gutachten bei EMA-Zulassungsverfahren auf 180 Tage gekürzt wurde. Das fördert die schnellere Verfügbarkeit von Medikamenten, die neu auf den Markt gebracht werden. Allerdings nur dann, wenn das auch durch nationale Regelungen unterstützt wird. Oftmals liegt es nämlich an nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen und administrativen Hürden, dass neu zugelassene Produkte erst mit zeitlicher Verzögerung für die Patientinnen und Patienten verfügbar sind.

Alexander Herzog fasst zusammen: „Diese Überarbeitung hätte ein Meilenstein für einen wettbewerbsfähigen Standort Europa sein können. Stattdessen erleben wir eine Form von Zuckerbrot und Peitsche. Das fördert keine Rechtssicherheit und auch keine Planungssicherheit. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen.“

Ehe das Gesetzespaket in Kraft tritt, muss es noch durch die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament formal bestätigt werden. Danach wird es im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 24 Monate später in Kraft.

Über die PHARMIG: Die PHARMIG ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband ca. 120 Mitglieder (Stand Dezember 2025), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die PHARMIG und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.

PHARMIG – Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs
Peter Richter, BA MA MBA
Head of Communications & PR
+43 664 8860 5264
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