Pharmaindustrie im FCIO: EU-Pharmapaket ist verpasste Chance für Stärkung des Arzneimittelstandorts Europa
Mitgliedstaaten müssen Risiken für Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in der Umsetzung entschärfen
Das heute erzielte Trilog-Ergebnis zur Reform des EU-Arzneimittelrechts wird von der chemisch-pharmazeutischen Industrie mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Zwar enthält das Paket wichtige Kompromisse, doch zentrale Hebel zur Stärkung der europäischen Pharmaforschung und Produktion bleiben ungenutzt, da die bisherigen Vorgaben zu Patent- und Unterlagenschutz nach jahrelangen Verhandlungen im Wesentlichen kaum verändert werden. „Es ist ein Fortschritt, aber kein Durchbruch“, sagt Ulrich Wieltsch, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs. „Europa braucht eine Arzneimittelstrategie, die Versorgungssicherheit, Innovation und industrielle Wertschöpfung stärkt. Dieses Paket bleibt deutlich hinter diesem Anspruch zurück.“
OFFENE RECHTSFRAGEN UND RISIKEN FÜR MARKTSTABILITÄT
Besonders sensibel ist die Ausgestaltung der Bolar-Ausnahme. Obwohl die Reform ursprünglich Klarheit schaffen sollte, bleiben wesentliche Rechts- und Auslegungsfragen offen. Das betrifft sowohl Unternehmen, die innovative Arzneimittel entwickeln, als auch Generika- und Biosimilarhersteller. „Wir brauchen einen stabilen und klaren Rechtsrahmen, der Wettbewerb ermöglicht und dennoch Investitionen schützt. Unklare Regeln helfen niemandem“, erklärt Wieltsch.
Auch die vorgesehenen Vermarktungspflichten werden kritisch gesehen. Anreize zur Verbesserung der Versorgung sind sinnvoll, verpflichtende Vorgaben werden aber Investitionsentscheidungen erschweren und die europäische Pharmaindustrie im internationalen Wettbewerb benachteiligen. Gerade in einem wirtschaftlich herausfordernden Umfeld brauche die Industrie Planungssicherheit, um Produktions- und Lieferketten langfristig abzusichern und nicht neuen Regeln mit erwartbaren negativen Auswirkungen.
Positiv wird bewertet, dass das Zulassungssystem künftig effizienter werden soll – durch kürzere Bewertungsfristen, digitale Prozesse und modernisierte Verfahren. Das könnte dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten schneller Zugang zu neuen Therapien erhalten. Doch ohne kluge wirtschaftliche Rahmenbedingungen und verlässliche Investitionsbedingungen bleibt offen, ob die Reform tatsächlich zu mehr Produktion in Europa führt. „Beschleunigte Verfahren sind wichtig“, betont Wieltsch, „aber sie ersetzen keine Standortpolitik.“
Nicht optimal gelöst ist das Zusammenspiel von Arzneimittelrecht und Umweltrecht. Umweltbewertungen und Versorgungssicherheit müssen in Einklang gebracht werden. „Gesundheits- und Umweltpolitik müssen gemeinsam gedacht werden. Regulierung darf keine unbeabsichtigten Risiken für die Versorgung schaffen“, betont Wieltsch. Die aktuellen Herausforderungen rund um die Umsetzung der Kommunalen Abwasser-Richtlinie (KARL) zeigen, wie schnell Zielkonflikte entstehen können, wenn technische oder wirtschaftliche Realitäten unzureichend berücksichtigt werden.
Der nächste Schritt ist nun die nationale Umsetzung: Dort liegt es an den Mitgliedstaaten, verbleibende Unsicherheiten zu beseitigen und Wettbewerbsfähigkeit wie Versorgungssicherheit gleichermaßen abzusichern. „Der Kompromiss ist nur der Ausgangspunkt“, so Wieltsch. „Jetzt müssen die Mitgliedstaaten in der Umsetzung nachschärfen, damit Europa ein attraktiver Standort für Arzneimittelentwicklung und -produktion bleibt.“
ÜBER DEN FCIO
Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) ist die gesetzliche Interessenvertretung der chemischen Industrie in Österreich. Die etwa 230 Mitgliedsunternehmen produzieren in unterschiedlichen Sektoren z. B. Pharmazeutika, Kunststoffe und Kunststoffwaren, Fasern, Lacke, Düngemittel sowie organische und anorganische Chemikalien. Die mehr als 50.000 Beschäftigten der Branche stellten 2024 Waren im Wert von 19,3 Milliarden Euro her. www.fcio.at
FCIO – Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs
Johanna Reber, MA
Telefon: 05909003372
E-Mail: reber@fcio.at
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