Ukraine: Nationalrat einstimmig für Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen

Neues Vergaberechtsgesetz mehrheitlich beschlossen

Der Nationalrat hat Außenministerin Beate Meinl-Reisinger heute einstimmig dazu aufgerufen, Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in russisch besetzten Gebieten in der Ukraine zu verurteilen.

Mehrheitlich beschlossen haben die Abgeordneten ein neues Vergaberechtsgesetz, das für mehr Transparenz in Vergabeverfahren sorgen soll. Eine Forderung der FPÖ, die Befangenheitsregel für Richterinnen und Richter neu zu regeln, blieb in der Minderheit.

EINIGKEIT ZUR VERURTEILUNG VON FOLTER, VERSCHLEPPUNG UND ANDEREN KRIEGSVERBRECHEN IN DER UKRAINE

Mit der einhellig gefassten Entschließung sprechen sich die Abgeordneten dafür aus, Menschenrechtsverletzungen in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine zu verurteilen. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger wird aufgefordert, derartige Verbrechen auf internationaler Ebene weiterhin mit Nachdruck zu verurteilen und alle diplomatischen und völkerrechtlichen Mittel zu nutzen, um eine lückenlose Dokumentation sowie die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen zu ermöglichen. Zudem soll sich die Außenministerin auf allen Ebenen für einen Waffenstillstand einsetzen sowie für einen „umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden“ in der Ukraine, für den Zugang unabhängiger Beobachtungsinstanzen wie des Roten Kreuzes in die besetzten Gebiete sowie für die Unterstützung von Hilfsprogrammen für die Opfer.

Gudrun Kugler (ÖVP) führte Folterkeller, außergerichtliche Exekutionen, die Verschleppung von Kindern sowie Repressalien gegen nicht russisch-orthodoxe Kirchen als einige der Menschenrechtsverletzungen in russisch besetzten Gebieten in der Ukraine an. Die Kernforderungen seien daher ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, die Verurteilung von Folter und Verschleppung von Menschen und die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechern. Friedrich Ofenauer (ÖVP) bezeichnete den Entschließungsantrag als wichtig, weil er die systematischen Menschenrechtsverletzungen verurteile. Auch in den dunkelsten Momenten müsse es gewisse Regeln und einen Rest von Menschlichkeit geben, sagte Pia Maria Wieninger (SPÖ). Sie sprach ebenso wie Henrike Brandstötter (NEOS) insbesondere die gezielte Entführung und Umerziehung von ukrainischen Kindern an. Über 20.000 Kinder seien entführt worden, so Brandstötter. Russland spreche von „Evakuierung“, es handle sich aber um Deportationen, Russifizierung und Kriegsverbrechen.

Vonseiten der FPÖ betonte Michael Gmeindl, dass es sich um schwerste Menschenrechtsverletzungen handle, die klar zu verurteilen seien. Der vorliegende Antrag der Koalition sei gut gemeint, aber „politisch mutlos“. Elisabeth Heiß (FPÖ) fehlte der Weitblick im Antrag. Denn es handle sich nicht um eine isolierte Schandtat, sondern um das Ergebnis eines Krieges, den der „Wertewesten“ mit seiner Eskalation am Leben erhalte. Die Freiheitlichen seien keine „Putinfreunde oder Trumpversteher“, aber sie seien für Frieden, so Heiß. Für Christian Lausch (FPÖ) wäre es wichtig gewesen, als neutrales Österreich selbstbewusst Pflöcke einzuschlagen.

Meri Disoski (Grüne) sah es als die Pflicht der Abgeordneten, die russische Politik der Entmenschlichung klar zu benennen und zu verurteilen. Denn es handle sich um gut dokumentierte und belegte Kriegsverbrechen. Sie kritisierte, dass ein ähnlicher Antrag der Grünen es nicht ins Plenum geschafft habe. Darin werde auch gefordert, die russische Einflussnahme in Österreich offenzulegen.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich dankbar für den Antrag des Nationalrats. Sie komme der Aufforderung darin sehr gerne nach. Das Schicksal der Kinder in der Ukraine nehme alle mit und sei ein Auftrag für die Regierung, zu handeln. Insbesondere fand sie es positiv, dass der Antrag ein Schlaglicht auf die Situation in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine werfe. Was die russische Einflussnahme in Österreich betrifft, versicherte sie den Grünen, dass diese ein großes Thema für die Regierung sei und in der zu überarbeitenden Sicherheitsstrategie aufgegriffen werde.

TRANSPARENZ BEI VERGABEVERFAHREN

Mehrheitlich beschlossen hat der Nationalrat ein neues Vergaberechtsgesetz, das die Transparenz in Vergabeverfahren stärken und die Rechtssicherheit beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen erhöhen soll. Bei nationalen Vergabeverfahren werden elektronische Formulare („eForms“) und im Rechtsschutz ein neues Pauschalgebührensystem implementiert. Außerdem werden die nationalen Schwellenwerte für Direktvergaben aus der Schwellenwerteverordnung als Dauerregelungen in das Gesetz aufgenommen. Bei Bauaufträgen ist demnach künftig eine Direktvergabe bis unter 200.000 Ꞓ zulässig. Derzeit liegt dieser Schwellenwert bei 143.000 Ꞓ. Auch Nachhaltigkeitskriterien sollen bei der Vergabe künftig eine Rolle spielen. Das Vergabeverfahren werde auf ein modernes und gut strukturiertes Niveau gehoben, sagte Justizministerin Anna Sporrer. Es komme zu weniger Bürokratie und mehr Praxisnähe.

Manfred Sams (SPÖ) führte an, dass jedes Jahr öffentliche Aufträge mit einem Volumen von insgesamt rund 70 Mrd. Ꞓ vergeben werden. Das neue Vergaberechtsgesetz setze einen Fokus auf Transparenz, Fairness und Effizienz. Dass die Schwellenwerte aus der Verordnung in das Dauerrecht überführt werden, schaffe verlässliche Rahmenbedingungen insbesondere für KMU. Die Anhebung der Schwellenwerte entlaste die öffentliche Hand und stärke die Unternehmen in den Regionen, so Sams. Johanna Jachs (ÖVP) strich insbesondere hervor, dass öffentliche Aufträge nicht nur günstig vergeben, sondern mit Verantwortung umgesetzt werden müssen. Der Fokus auf Qualität und Nachhaltigkeitskriterien sei daher positiv. Auch Franz Jantscher (SPÖ) befürwortete, dass ökologische Beschaffung gestärkt werde. Für Nikolaus Scherak (NEOS) ist das Gesetz ein guter Mittelweg zwischen dem Ziel, sparsam mit Steuergeld umzugehen und gleichzeitig nicht überbürokratisch zu sein.

Harald Stefan (FPÖ) fand zwar die Anhebung der Schwellenwerte für einfache Vergaben sinnvoll, übte aber insgesamt Kritik am neuen Gesetz. Er sah mehr Bürokratie und eine Übererfüllung der Vorgaben bei den Bekanntmachungs- und Bekanntgabepflichten. Auch das Kriterium der Nachhaltigkeit sah er als Hemmnis für die Wirtschaft.

Letzteres befürwortete Alma Zadić (Grüne) ebenso wie Verbesserungen bei der Transparenz und strengere Regeln für teilnehmende Unternehmen. Die Grünen würden das Gesetz aber ablehnen, weil die Übernahme der Schwellenwerte ins Dauerrecht und deren Anhebung öffentliche Vergaben intransparenter machen würden. Unerklärlich fand sie außerdem, warum im Zuge der Begutachtung die Pflicht für die Länder aus dem Gesetz genommen wurde, bei Vergaben ab einem Auftragswert von 50.000 Ꞓ die Auftragsdaten öffentlich bekanntmachen zu müssen. Sie wollte die Verpflichtung mit einem Abänderungsantrag wieder ins Gesetz aufnehmen. Der Antrag blieb aber in der Minderheit.

FPÖ-ANTRAG FÜR NEUE BEFANGENHEITSREGEL BEI RICHTERINNEN UND RICHTERN ABGELEHNT

Keine Mehrheit konnte die FPÖ für einen Entschließungsantrag finden, der auf eine Neuregelung der Befangenheitsregel für Richterinnen und Richter abzielte. Die Freiheitlichen schlugen unter anderem die Einrichtung einer unabhängigen Instanz zur Entscheidung über Befangenheitsanträge, eine klarere Definition von Befangenheitsgründen, einheitliche Standards und Fristen sowie Transparenzmechanismen vor.

Markus Tschank (FPÖ) sah Handlungsbedarf, weil die Justiz im Vertrauensindex relativ schlecht abschneide. Nur in Österreich und Russland würden Richterinnen und Richter selbst über ihre Befangenheit entscheiden. Das sah auch Harald Stefan (FPÖ) als Problem.

Sophie Marie Wotschke (NEOS) legte dar, dass die Selbstentscheidung über die Befangenheit nur in Ausnahmefällen vorkomme, nämlich dann, wenn eine etwaige Befangenheit erst in der Hauptverhandlung geltend gemacht werde. Auch dann gebe es noch ein Rechtsmittel und eine unabhängige Instanz wie den OGH, der entscheide. Wotschke warf der FPÖ vor, der Justiz mit dem Antrag mehr Schaden als Nutzen zu bringen. Auch Selma Yildirim (SPÖ) rief dazu auf, sich vom Antrag der FPÖ nicht verunsichern zu lassen. Die österreichische Justiz mache eine gute Arbeit und genieße hohe Vertrauenswerte. Österreich habe einen funktionierenden Rechtsstaat, den man nicht schlechtreden sollte, sagte auch Jakob Grüner (ÖVP). Er konnte der Stoßrichtung des Antrags dennoch etwas abgewinnen und ersuchte die Justizministerin, derartige Fragen in die Diskussionen zur geplanten Reform der Strafprozessordnung mitzunehmen.

Alma Zadić (Grüne) betonte, dass die Vertrauenswerte der österreichischen Justiz im EU-Barometer im Spitzenfeld liegen und seit 2016 gestiegen seien. 86 % der Menschen würden der Justiz vertrauen, sagte sie.

Auch Justizministerin Anna Sporrer hob die gute Arbeit der Justiz hervor. Den dort tätigen Personen gebühre Dank und Anerkennung und nicht Misstrauen wie im vorliegenden Antrag. Die Befangenheitsregeln seien viel ausdifferenzierter, als dargestellt. Verbesserungsbedarf gebe es in Großverfahren bei Wirtschaftskriminalität, da dort Prozesse oft sehr lange dauern. Das Ziel sei es, diese zu beschleunigen. Sporrer berichtete, dass die Arbeit daran im Rahmen eines großen Projekts im Justizressort bereits laufe. (Fortsetzung Nationalrat) kar

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