Sparkurs allein reicht nicht: Wien muss in seine Zukunft investieren
Die Wiener Stadtregierung betont angesichts der angespannten Budgetlage die Notwendigkeit von Einsparungen. Mit dem Voranschlag für 2026 steuert die Stadt auf ein Defizit von 2,65 Milliarden Euro zu. Zwar verspricht die Stadt eine sozial verträgliche Vorgangsweise und kündigt an, Klima-, Umwelt- und Ausbildungsprojekte fortzuführen. Während aber die Preise für die Jahreskarte der öffentlichen Verkehrsmittel und der Wohnbauförderungsbeitrag angehoben werden, werden gleichzeitig die Investitionen in Bauprojekte reduziert. Der finanzielle Druck wird beim Blick auf die derzeitige Liste verschobener Bau- und Infrastrukturvorhaben besonders deutlich: Das Laaerbergbad, das Seestadt-Bad, zahlreiche Verkehrs- und Oberflächengestaltungen, Brückenneubauten, Amtshaussanierungen und Teile des U-Bahn-Ausbaus müssen warten – und das sind nur die derzeit bekannten Projekte. Auch im Bildungsbereich wird zurückgeschaltet: Maßnahmen im Schulbau werden überprüft oder verschoben – und das, obwohl der Bedarf steigt. Bildungsminister Christoph Wiederkehr äußerte in diesem Zusammenhang Verständnis und spricht von notwendigen „Abstrichen“.
Die Stadt versucht, durch Projektstreckungen, Rücklagenentnahmen und Verschiebungen das Budget zu konsolidieren. Zwar hat ein Sprecher der Wohnbaustadträtin erst am Wochenende auf Kritik der Grünen hin klargestellt, dass mit den Mitteln der Wohnbauförderung gerade auch Bildungsbauten errichtet und saniert werden sollen. Doch ist dies aus dem Budget nicht so eindeutig herauszulesen. Es besteht also die Gefahr, dass durch verzögerte Infrastrukturprojekte und unsichere Bildungsinvestitionen vor allem jene Menschen getroffen werden, die ohnehin über weniger Ressourcen verfügen. Gleichzeitig würden durch verschobene Bauvorhaben wichtige Wachstums- und Beschäftigungsimpulse verloren gehen.
Wirtschaftspolitisch wären die Auswirkungen gestoppter oder verschobener Bauprojekte erheblich. Wenn Investitionen zurückgefahren werden, während die Unsicherheit steigt und Haushalte zu sparen beginnen, sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Gerade in solchen Phasen könnte der Staat auch stabilisierend eingreifen und Investitionen vorziehen, um einen Abschwung zu dämpfen. Denn derzeit wird landesweit gespart – und das wirklich Problematische daran ist: Es geschieht ohne erkennbare konsistente wirtschaftspolitische Strategie. Diese Vollbremsung bricht die Erneuerungsbestrebungen der letzten Jahre, insbesondere auch hinsichtlich der dringend erforderlichen Klimawandelanpassung, abrupt ab, so Karl Grimm, Landschaftsarchitekt und Präsidiumsmitglied der zt:Kammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Selbst kleinere, hochwirksame Maßnahmen, wie jene des Programms „lebenswerte Klimamusterstadt“ für Maßnahmen der Bezirke zur Klimawandelanpassung wurden ersatzlos gestrichen.
Gerade vor dem Hintergrund, dass Investitionen in die Bauwirtschaft erhebliche wirtschaftliche Rückflüsse auslösen, ist diese undifferenzierte Vorgangsweise kritisch zu hinterfragen. Laut Auskunft das Economica Instituts für Wirtschaftsforschung schafft jeder in Wien investierte Euro eine beträchtliche regionale Bruttowertschöpfung und sichert zahlreiche Arbeitsplätze. Beispielsweise würden bei einem Investitionsprojekt im Hochbau mit einem Volumen von rund 30 Millionen Euro laut Berechnungen des Instituts bis zu 26,7 Millionen Euro an österreichische Unternehmen fließen und über 250 Arbeitsplätze gesichert werden, und über 80 % dieser positiven Effekte würden in Wien verbleiben. Zudem würden 8,6 Millionen Euro über Steuern und Abgaben wieder an die öffentliche Hand zurückfließen. Das ist zum Beispiel das Investitionsvolumen für einen Schulcampus.
Im Zuge des gegen Österreich eingeleiteten EU-Defizitverfahrens fällt Österreich aber nun unter den „korrektiven Arm“ des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Damit muss die Abweichung von den Maastricht-Referenzwerten – vor allem von der 3%-Defizitgrenze (und gegebenenfalls der 60%-Schuldenquote) – schrittweise verringert werden. Für große zusätzliche Ausgaben bleibt da kaum Spielraum. Es sind aber gerade Investitionen in öffentliche Bauten – etwa in Schulen oder den U-Bahn-Ausbau –, die für eine funktionierende Volkswirtschaft zentral sind. Solche Projekte sollten nicht an starren Vorgaben scheitern.
Sozialstadtrat Peter Hacker äußerte sich dazu in einem Interview vom 22.11.2025 im „profil“, in dem er die Maastricht-Kriterien grundsätzlich infrage stellte. Er kritisierte insbesondere, dass Rüstungsausgaben nichtin die Schuldenquote gerechnet werden müssen, Ausgaben für Schulen und Spitäler jedoch sehr wohl. Dieses Problem ist für Wien allerdings weniger neu, als es den Anschein hat. Die Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland warnt bereits seit 2014 davor, dass die Stadt Wien aufgrund der Maastricht-Kriterien Bauprojekte der sozialen Infrastruktur zunehmend im Rahmen von Public-private-Partnership(PPP)-Modellen an private Investoren auslagert, um die errichteten Bauwerke dann von diesen zu mieten. „Zwar werden bei PPP-Modellen bestimmte Risiken auf die privaten Errichter übertragen, doch reale Einsparungen für die öffentliche Hand ergeben sich daraus nicht. Im Gegenteil: Diese Realisierungsart ist langfristig teurer“, so Peter Bauer, Vizepräsident der zt:Kammer. Doch warum setzt die Stadt Wien dennoch seit rund zehn Jahren verstärkt auf PPP? Der zentrale Grund ist wiederum in den Maastricht-Kriterien zu finden: Durch PPP-Konstruktionen können Projekte formal außerhalb der öffentlichen Bilanz abgewickelt werden, sodass die Errichtungskosten nicht auf den Schuldenstand durchschlagen. PPP-Modelle dienen damit in erster Linie der – legalen – Budgetkosmetik. Sie belasten das öffentliche Budget jedoch langfristig stärker als klassische Kreditfinanzierungen, deren Abtragung auch durch die Inflation unterstützt wird – und am Ende gehören die errichteten Gebäude meist nicht einmal der öffentlichen Hand. Aus Sicht der Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland wäre es durchaus wünschenswert, auf europäischer Ebene eine Modernisierung der Maastricht-Kriterien anzustoßen.
Hinsichtlich der derzeit stattfindenden Budgetsitzung des Wiener Gemeinderats bleibt festzuhalten: Wien braucht gezielte, zukunftsorientierte Investitionen, besonders in Bau- und Infrastrukturprojekte, um die wirtschaftliche Entwicklung und die Klimawandelanpassung nicht weiter zu bremsen. Bernhard Sommer, Präsident der zt:Kammer appelliert an die Stadtregierung: Nur ein ausgewogener Kurs aus Konsolidierung und zukunftsgerichteten Investitionen kann sicherstellen, dass Wien stabil durch herausfordernde Zeiten und gut in die Zukunft kommt. Nur so werden sozialer Zusammenhalt und wirtschaftliche Dynamik erhalten bleiben, und nur so kann die letztlich unvermeidliche Transformation hin zu einer dekarbonisierten Gesellschaft gelingen. Von dieser zweiten Komponente – den strategischen und zukunftsgerichteten Investitionen – hört man derzeit zu wenig.
Mag. Eva-Maria Rauber-Cattarozzi
Leitung Kammerorganisation und Öffentlichkeitsarbeit
Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und
Burgenland
Telefon: +43 664 924 19 98
E-Mail: eva-maria.rauber@arching.at
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